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Abenteuer3 min Lesezeit

Grosse Helden auf kleinen Booten (Teil 1)

Wer sind die wahren Helden des Hochsee-Regattasports? Natürlich die Mini-Transat-SkipperInnen

Grosse Helden auf kleinen Booten (Teil 1)
© M. Kunst

Die Skipper der Mini 6.50 und ihre legendäre Regatta Mini Transat sind wahre Sympathieträger des Regattasports.

Von Michael Kunst, veröffentlicht am 08.12.2022

Das erwartet Sie in diesem Artikel
  • Was macht eigentlich den Mini-Esprit aus?
  • Warum so viele internationale Hochseeregatta-Segler ausgerechnet im Mini 6.50 ihre Karriere begonnen haben.
  • Welches Budget für eine Mini-Transat-Kampagne eingeplant werden sollte.

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Hand aufs Herz: Das mit dem America’s Cup … das ist ja alles schön und gut, aber sind diese wie Security-Lohnarbeiter verkleideten Typen mit Mikro vorm Gesicht und Sturzhelm auf dem Schädel wirklich noch Segler? Okay, sie bewegen im Team-Modus rasend schnelle Carbonschlitten auf Foils, die mit so etwas Ähnlichem wie einem Segel angetrieben werden, über einen Regattakurs, der sich vor allem dadurch auszeichnet, dass er in 45 Minuten absolviert sein sollte. Und, ja, das mit der Taktik und den Manövern machen sie auch ganz gut – nur: wo bleibt der Esprit? Wo ist der Charme? Der Kampf mit den Elementen? Die seelenverwandte Einheit aus Segler und Boot? Der herzerweichende Sonnenaufgang nach einer rauen Nacht an der Pinne? Das Gefühl von Freiheit und Abenteuer?

Um genau das bei einer Regatta zu erleben und wiederzufinden, sollte man am anderen Ende der Masstabelle ansetzen: Bei den mit einer Länge von gerade mal sechseinhalb Metern kleinen, ganz kleinen Booten, die meistens alleine gesegelt werden und deren Skipper sich trotzdem weit hinauswagen, so weit, dass sie hinterm Horizont verschwinden und wochenlang über die Meere und Ozeane segeln, um sich auf der anderen Seite derselben bei einem (oder zwei?) Rum von ein paar KollegInnen, die schon vorher angekommen sind, feiern zu lassen.
Kurz: Wer abenteuerlichen Regattaesprit mit wahren Helden erleben möchte, der sollte sein Augenmerk alle zwei (ungerade) Jahre auf die Mini-Transat richten, die von der französischen Atlantikküste (meist aus einem Hafen in der Bretagne oder dem Vendée) derzeit Richtung Pointe a Pitre auf der karibischen Insel Guadeloupe (2.764 sm) führt. Mit einem kleinen Zwischenstopp entweder auf einer Kanaren-Insel oder auf den Azoren.

Ziemlich zickig

Minis oder Mini 6.50 sind Boote der Extreme – extrem kurz, extrem breit, extrem schnell und extrem zickig. Bei einer Länge von 6,50 m und einer außerordentlichen Breite von bis zu 3,00 m werden sie im ständig übertakelten Modus gefahren: Dank einer Segelfläche von 50 qm am Wind und zusätzlichen 50 qm bzw. 80 qm großen, asymmetrischen Spinnakern auf Reachkursen, sind sie ziemlich flott unterwegs. Stundenlange Ritte bei über 17 kn Speed sind keine Seltenheit, ab 3-4 Bft kommen die „Pfeile“ ins Gleiten.
Mini 6.50 sind die wohl kleinste Klasse der Welt, die als zertifiziert seegängig gilt. U. a. müssen sich grundsätzlich alle Boote nach Kenterung von alleine wieder aufrichten – vor großen Regatten der Klasse, wird dies bei jedem einzelnen Teilnehmer überprüft. Außerdem sind Minis nach den Klassenregeln so konzipiert, dass sie als unsinkbar gelten.

Zwei Kategorien

Seit den Neunzigerjahren segelt die Klasse bei allen Regatten in zwei getrennten Kategorien: Prototypen (Protos) und Serienboote. Erstere sind deutlich schneller unterwegs, aber naturgemäss auch erheblich aufwändiger zu finanzieren – Budgets für eine vordere Platzierung bei der MiniTransat von 300.000 Euro (wobei der Bootswert bei ca. 200.000 Euro liegt) sind keine Seltenheit. Bei den Serien-Minis geht es dagegen wirtschaftlich vergleichsweise „gesitteter“ zu, obwohl auch hier Budgets von 200 - bis 250.000 Euro für eine Mini-Transat-Kampagne keine Seltenheit sind.

Innovative Klasse

Die gesamte "Classe Mini" (so wird die Bootsklasse in Frankreich korrekt bezeichnet) gilt seit jeher als Testfeld für regattatechnische Neuerungen. Es wurden etwa Carbonmasten, drehbare Masten, Doppelruder, Pendelkiele, Neigekiele und der Magnum-Plattbug respektive Scow-Bug für die Hochsee zuerst bei den Minis ultimativen Härtetests unterzogen. Später gingen all' diese Innovationen in die "großen Klassen" über, wie zum Beispiel IMOCA oder Class40. Auch die Foil-Technik – Seitenschwerter und Flügelruder, auf denen sich die Minis ab einer bestimmten Geschwindigkeit über die Wasseroberfläche heben – hat mittlerweile in der Prototypen-Klasse Einzug gehalten.

Noch reichte es nicht zu einem Foiler-Sieg bei der Mini-Transat

Jedoch sind hier aufgrund der Kürze des Bootsrumpfes noch einige Verbesserungen nötig, bis sich der Einsatz von Foils auf Proto-Minis tatsächlich auf längeren Strecken auszahlen wird. Doch vertraut man in der Klasse auf die Innovationsfreude der Konstrukteure, respektive auf die Bastelleidenschaft ihrer Protagonisten. Mittlerweile wurden bereits erste Regatten auf Minis, die mit Foils ausgestattet sind, gewonnen. Doch in der "Königsklasse", also bei der langen Mini-Transat, reichte es noch nicht ganz zum Sieg (Stand 2022).

Lesen Sie in unserem zweiten Teil unserer Mini-Transat-Serie über die Entstehung des Rennens und über den ganz speziellen Charme eines zickigen Bootes.

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