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Do-it-Yourself 7 min Lesezeit

Antifoulingentfernung I: Theorie und Praxis

Eigene Erfahrungen mit der vielgepriesenen Chemie

Antifoulingentfernung I: Theorie und Praxis
Das Unterwasserschiff wird von einem Profi mit Antifouling-Abbeize eingesprüht © Swedesail

Wenn Sie ein gebrauchtes Kunststoffboot haben, brauchen Sie früher oder später Klarheit zum Thema Osmose. Dazu müssen alle alten Unterwasseranstriche vom Boot bis aufs blanke Gelcoat runter. Dazu empfiehlt sich - theoretisch - eine elegante Lösung, die chemische Farbentfernung.

Von Erdmann Braschos, veröffentlicht am 04.05.2018

Das erwartet Sie in diesem Artikel
  • Tipps zur Entscheidung machen lassen und Do it yourself
  • Berechnung der zu bearbeitenden Flächen
  • Hinweise zum Thema eigene oder fremde Arbeit am Bootsstellplatz
  • wie der Rumpf vorbereitet wird
  • eigene Erfahrung mit der Beizmethode
  • Themen Zeit, Kosten und Gesundheit
  • Beispielangebote verschiedener Betriebe in Nord und Süd

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Dieser Artikel erscheint in zwei Teilen:

  • Antifoulingentfernung I: Theorie und Praxis
  • Antifoulingentfernung II: Schleifen

Es gibt verschiedene Wege zum Ziel. Der beste ist: Erkundigen Sie sich, wer ordentlich arbeitet, Angebot einholen und lassen Sie es machen. Dieser Job ist unangenehm, nicht gesund und ein wahrer Zeitfresser. Wie bei jeder Tätigkeit, die man noch nie gemacht hat, dauert es eine Weile, bis es halbwegs läuft und man überhaupt zügig voran kommt. Bei 33 1/2 Quadratmetern Fläche des Unterwasserschiffs hätte es mich damals 2.300 € gekostet.

Sollten Sie das Boot in der Nähe haben, sind Sie handwerklich geschickt und scheuen Drecksarbeit nicht, können Sie es auch selbst machen. Leider ist es eine schmutzige und üble Arbeit. Hinzu kommen die Materialkosten und die eigene Zeit, die sich wahrlich angenehmer einsetzen lässt.

Ich habe es vor vielen Jahren bei meinem Boot (12,80 x 2,65 m Unterwasserschiff mit 2,10 m Tiefgang, mit modernem Lateralplan = geteilte Kiel- und Ruderflosse) selbst gemacht. Zunächst werden der Propeller wegen Verletzungsgefahr, die bündig unter die Bordwand geklebte Saildrive-Abdeckplatte, Loggen- und Echolotgeber abgenommen.

Zunächst versuchte ich es mit Abbeize zum Ablösen der Altanstriche. Das ist theoretisch eine elegante und den Kunststoff schonende Methode. Den Rumpf damit einschmieren, einen Kaffee trinken und den Dreck lässig runterschieben. So hatte ich es mir gedacht. Die Praxis sah leider ganz anders aus. Die Chemie ist auf Temperaturen über 10 ° Celsius, eher 15° angewiesen. Die gibt es in Mitteleuropa draußen ab September kaum noch, ab Mai mit Ach und Krach wieder. Doch wollte ich mein Boot in der Saison nutzen.

Ich habe es mit drei verschiedenen Produkten versucht. Erstens «Peel Away», einem Erzeugnis, das nach dem Auftragen von einer mitgelieferten Folie abgedeckt wird. Theoretisch lässt sich das Tuch samt Antifouling überwiegend bis komplett von der Bordwand ziehen. So verspricht es der Hersteller. Meine Peel Away-Resultate waren in den Herbstmonaten ernüchternd. Es wurden gerade mal ein Drittel, vielleicht die Hälfte der 10 - 15 Altanstriche abgetragen. Nach mehreren Arbeitsgängen und Beschichtungen musste ich beim Abschaben der angelösten Farbe immer noch kräftig mit der Klinge aufdrücken.

Sparen Sie nicht an der Schichtstärke der aufzutragenden Abbeize. Es muss eine mehrere Millimeter dicke Schicht in sogenannter «Apfelsinenhaut» am Rumpf hängen. Der Vorteil gegenüber dem Abschaben der unbehandelten Bordwand ohne Chemie war, dass keine Farbsplitter durch die Gegend flogen, sondern die Farbe als zäher Schleim herunterfiel. Ein ähnliches Ergebnis erzielte ich mit einem Produkt namens «Dilunett».

Die Entfernung der Antifoulingschichten erwies sich aber auch mit Abbeize als zeitraubendes und zähes Geschäft. Ich habe es nach wiederholten Versuchen und einigen Stunden mit gerade mal zwei teilweise freigelegten Quadratmetern von insgesamt 33 aufgegeben. Der Aufwand (Zeit und Material) und das Ergebnis standen leider in keinem Verhältnis: mehr als hundert Euro plus Pinsel und Malerfolie für kaum freigelegte Bordwand. Hinzu kam die Vorbereitung: Der Boden muss mit Malerfolie abgedeckt werden. Die Abbeize war zwar an senkrechten Flächen mit der Quaste noch einigermaßen problemlos aufzutragen. Anders sieht es an überhängenden Partien der Bordwand aus, aus denen ein Unterwasserschiff aber nun mal überwiegend besteht. Da flog mir die gallertartige Masse oft vom Pinsel entgegen und landete auf dem Boden. Man tritt beim Arbeiten in die Kleckse rein. Es war eine echte Schweinerei.

Beim Abschaben hatte ich es dann mit einem übelriechenden Schleim zu tun, der am Schaber, an den Handschuhen und Schuhen hängen blieb. Der Gestank beglückte mich mit Kopfschmerzen und die Pestilenz hatte ich noch tagelang in der Nase.

Immerhin erzielte ich mit dick aufgetragenem «Dilunett» auf dem ausgebauten und ebenerdig liegenden Ruderblatt passable Ergebnisse. Die überschaubar kleine Fläche des Ruders (1,5 qm) war mit Dilunett in drei Stunden weitgehend vom Antifouling befreit. Aber auch hier waren noch Farbreste herunterzuschleifen.

Der Boden muss mit Folie abgedeckt werden
Der Boden muss mit Folie abgedeckt werden © Swedesail

Im Frühjahr ließ ich mich von einem befreundeten Bootsbauer überreden, der mit «Rotec Hydro Farbablöser» des Herstellers Hartmann Kulba-Bauchemie arbeitete. Einmal aufgetragen, durchwandern der farbablösende Alkohol und Wasserstoffperoxyd die Farbe theoretisch bis zum Untergrund, wo eine chemische Reaktion ein Sauerstoff-Gas freisetzt und die Farbe im Idealfall von der Bordwand drückt. Außen soll die Abbeize eine Art Feuchtigkeitsbarriere bilden, die den Sauerstoff hält und den chemischen Prozess zum Abschluss kommen lassen soll. Das komplette Unterwasserschiff wurde vom Bootsbauer in einem Arbeitsgang mit einer Hochdruck-Sprühvorrichtung mit der Abbeize beschichtet und später mit einem Druckreiniger gereinigt. Aufwand: Abplanen der Umgebung (damit die Nachbarboote nichts abbekommen) und des Bodens, Abkleben des Freibords ab Wasserlinie, Einsprühen, Assistenz des Manns an der Sprühvorrichtung, Aufräumen und Reinigung der Arbeitsgeräte, zusammen 13 Stunden. Nächster Tag: Zunächst manuelles Abschieben mit Schaber, Verfahren des Schiffes, wo über einer Abscheidevorrichtung im Siel des Kranplatzes mit Hochdruckspritze gearbeitet wurde (abends retour), erneutes Abplanen des Schiffes. Abschaben durch 3 Personen. Aufräumen und Reinigung der Arbeitsgeräte, Entsorgung der Planen. Ergebnis nach 38 Stunden Arbeitszeit und 35 kg Materialeinsatz (für damals 500 €): Das Antifouling war gerade mal zur Hälfte runter. Eine Riesen-Schweinerei und außer Spesen war wenig erreicht. Ein völlig unbefriedigendes Resultat.

Die Erklärungen der Hersteller und Verkäufer für den gravierenden Unterschied zwischen Labor, beziehungsweise Theorie und Bootslager/Praxis sind vielfältig. Erstens sind die Zusammensetzung und Schichtstärke des abzulösenden Antifouling unbekannt. Zweitens sind die Temperaturverhältnisse und Verdunstung von Anwendung zu Anwendung so unterschiedlich wie das handwerkliche Geschick des Verbrauchers. Ein Profi wie der Bootsbauer Markus Hamma aus Kressbronn am Bodensee meint zum Thema: «Antifoulingabbeizer sind deshalb uninteressant, weil sie mit Rücksicht auf das Gelcoat, die Verarbeitung durch Laien und die Entsorgung zu harmlos für die Farbe sind.» Bei den heute an den Privatmann verkauften Antifouling-Abbeizern handelt es sich aus gutem Grund um relativ umweltverträgliche, das heißt milde Farbentferner, die sich am Kranplatz mit dem Hochdruckreiniger von der Bordwand waschen lassen.

Fazit: Vergessen Sie Chemie! Damit verschwenden Sie nur ihre wertvolle Zeit und eine Menge Geld. Lassen Sie es machen oder holen Sie das Antifouling selbst von Hand herunter. Im nächsten Blog-Beitrag erkläre ich, wie das geht. Es gibt nur zwei Anwendungen, wo ich trotz der dürftigen Erfahrungen mit Abbeize damit arbeiten würde: in den Winkeln des Spritzwasserabweisers eines Motorbootrumpfes oder in den Ecken im Gfk-Imitat eines geklinkerten (Folkeboot) Rumpfes, die schleifend oder schabend kaum zu erreichen sind. Hier würde ich es in mehreren Arbeitsgängen mit Abbeize versuchen.

Vorbereitung

1. Verschaffen Sie sich zunächst einmal Klarheit über die freizulegende Fläche. Die gängigen Formeln der Yachtfarbenhersteller lauten beim Segelboot für Langkieler: 0,75 x LWL x(Breite + Tiefgang) = Oberfläche in qm. Für moderne Kurzkieler: 0,55 x LWL x (B + T) = Oberfläche in Quadratmetern.

2. Erkundigen Sie sich vorab, ob die Beschäftigung fremder Handwerker am Stellplatz des Bootes überhaupt erlaubt ist. Viele Vermieter von Bootslager-Stellplätzen haben mit DIY-Eignern oder solchen, die fremde Handwerker an Bord beschäftigen, schlechte Erfahrungen gemacht. Mangelnde Rücksicht auf Nachbarn, keine oder schlechte Entsorgung der Arbeitsmaterialien (Folien, Chemie, angelöste Farbe auf dem Hof). Klären Sie daher, ob Sie es selbst vor Ort machen dürfen. Oft ist das im Kleingedruckten des Bootslagerverlages ausgeschlossen. Besser ist es in jedem Fall zu fragen. Viele Stellplatzvermieter möchten den Job selbst haben oder Fachleuten vor Ort übergeben.

Andere haben mit Gelegenheits- und Hobbyhandwerkern schlechte Erfahrungen gemacht. Viele Eigner decken den Boden nicht ab, belästigen Nachbarn mit dem Schmuddeljob oder beseitigen abschließend den Schmutz nicht.

3. Prüfen Sie, ob es genug Platz und Licht rings ums Schiff gibt. Hallenplätze sind eng, dunkel und ungeeignet. Auch bleibt es im Frühjahr mangels Sonne in der Halle lange kalt.

Hinweis: Alle Produkte und Werkzeuge wurden vom Autor regulär bezahlt.

Kosten Beispiel für circa 33 qm

(alle Preise Stand 2018 einschließlich MwSt.)

  • Yachtwerft Klemens in Großenbrode Ostsee: Antifoulingentfernung des Unterwasserschiffs bis aufs Gelcoat im Winterlager Großenbrode: 2.320 €

  • Peter Wrede Yachtrefit mit vier Standorten in Norddeutschland: Farbentfernung im sogenanntem Softblasting-Verfahren: 2.265 €, Behandlung der Fuge am Überhang Bilge/Bleikiel. Stahlen für neuen Farbaufbau des untergebolzten Kiels 1.011 €

  • Bootsbau Markus Hamma in Kressbronn am Bodenses macht zunächst immer einen Versuch. «Meist kratzen wir es mit einem Schaber ab. Das geht bei dicken Hartantifoulings am besten. Am schwierigsten ist VC Tar zu entfernen. Das geht nur mit Schleifen, ist aber eine zeitintensive Sache.» Hamma nennt folgendes Beispiel: «An einem 10 Meter langen Segelboot mit modernem, geteilten Lateralplan, kratzen wir etwa 25 Std, sofern es akzeptabel runtergeht. Nachschleifen circa 10 Std, Kleinigkeiten mit Epoxi spachteln, nachschleifen und saubermachen nochmal 3 Std., Kosten 2.961 € brutto.»

Tipps zum Stellplatz

Angesichts des Gestanks empfiehlt sich die Beizlösung nach meiner Erfahrung nur für draußen, wo der üble Geruch rasch abzieht. Hinzu kommen die Lichtverhältisse. In einer dunklen Halle gelingt der Job nicht.

Beim Abschleifen: Ein Hallenplatz ist praktisch, soweit es genug Licht zum Arbeiten am Unterwasserschiff gibt. Gute Sichtverhältnisse entscheiden über das Ergebnis. In dem Moment, wo sich die Schleifscheibe durch die Altanstriche gearbeitet hat und das Antifouling heller wird, ist Vorsicht geboten. Erreicht sie das Gelcoat, ist sofort Schluss. Das verlangt Licht, Konzentration und vor allem Geduld.

Genug Platz rings ums Schiff sollte es für den Job unbedingt geben. Da ein Staubsauger zum Absaugen durch den Exzenterschleifer unverzichtbar ist, braucht man einen breiten Gang rings ums Schiff. Beim großen Boot mit hoch über den Boden ragendem Unterwasserschiff braucht man zum Abschleißen auch ein Gerüst. Erst in der richtigen Höhe lässt sich der Exzenterschleifer auf Dauer überhaupt mit der nötigen Kraft andrücken.

In unseren Breitengraden kann man die Schleifarbeit an trockenen Tagen ab April auch draußen machen.

Weiterführende Links

VG