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Praxis9 min Lesezeit

Die Dieselpest an Bord

Diesel-Verschleimung beseitigen

Die Dieselpest an Bord
Die Bakterien als schwarze Masse unten in der Plastikflasche © Dr. Guido Marx

Bootseigner mit einer Einbaumaschine - Motorbootfahrer wie Segler - müssen sich zunehmend mit der sogenannten Dieselpest beschäftigen. Meist wird das Problem erst bemerkt, wenn die Maschine aus heiterem Himmel stehen bleibt.

Von Erdmann Braschos, veröffentlicht am 24.02.2016, aktualisiert am 11.04.2024

Das erwartet Sie in diesem Artikel
  • warum Diesel im Tank verschleimt
  • wie Sie es schnell beim Gebrauchtboot prüfen
  • 8 konkrete Tipps zum Beheben und dauerhaften Vermeiden des Problems
  • wie Sie den Tank und die Spritleitungen reinigen und sauber halten
  • Lösung mit Additiven
  • Spritsorten wie Aral Ultimate, Shell V-Power und das neue HVO100
  • Tipps zum Umbau des Dieselvorfilters
  • wie mit Sprit fragwürdiger Herkunft umgehen
  • was von kostspieligen Algenzertrümmerern zu halten ist

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Zwar kündigt sich die Dieselpest mit Schlieren im Schauglas des Vorfilter-Gehäuses oder mit schleimig im Diesel schwappenden Ablagerungen auf dem Tankboden an. Doch wer hat ein durchsichtiges Vorfilter-Unterteil und wer schaut es regelmäßig an? Wer schraubt vorsorglich das Inspektionsluk des Tanks auf und leuchtet mit der Taschenlampe rein?

Seit 2007 gilt in Deutschland das Biokraftstoffquotengesetz (BioKraftQuG). Seitdem müssen dem Diesel zunehmend Bioanteile beigemischt werden, um den Ausstoß von Kohlendioxid (CO2) zu reduzieren. Die Bioanteile werden aus nachwachsenden Rohstoffen wie Raps gewonnen, die während ihres Wachstums das CO2 binden, das bei der Verbrennung im Motor entsteht. Dieser ist an sich eine gute Sache, hat aber einen gravierenden Nachteil.

Das Problem dabei ist, dass Dieselalgen als Mikroorganismen, als Bakterien, Hefen oder Schimmelpilz mit Wasser im Sprit gedeihen. Die Mikroorganismen leben im Wasser und ernähren sich von Kohlenwasserstoffen. Durch die Schwitzwasserbildung im Tank kommt ständig weitere Feuchtigkeit dazu. Ein ideales Biotop für Algen, die ein spezielles Sekret ausscheiden. Daraus wird eine Gallertartige schwarze Masse. Sie verstopft Filter und Leitungen, bis der Motor nicht mehr genug Sprit bekommt und stehen bleibt. Der Effekt ist bei saisonal bis selten benutzten Bau-Maschinen, also in der Landwirtschaft, bei Notstromaggregaten, Wohnmobilen oder Booten bekannt. Zum Problem wurde es durch die Beimischung von Bio Anteilen.

Denn sogenannter Biodiesel, wie es ihn heute fast ausschließlich gibt, fördert die Verschleimung des Kraftstoffs, wenn er lange im Tank bleibt. Genau das ist bei Yachten mit wenigen Motorstunden im Jahr oder mit langen Standzeiten üblich. Bei selten genutzten Schiffen mit einem großen Tank bleibt der Sprit als ideales Biotop sogar jahrelang an Bord. Soweit die schlechte Nachricht. Die gute lautet: Sie können etwas dagegen tun und das Problem mit konsequent befolgten Maßnahmen dauerhaft beheben.

Zeigen sich dunkle Schwebeteile im Schauglas des Vorfilters, es ist passiert
Zeigen sich dunkle Schwebeteile im Schauglas des Vorfilters, es ist passiert © Dr. Guido Marx

Sind Sie bei einer Hafenansteuerung, beim Manövrieren im engen Hafen oder beim Motoren durch eine schlanke Rinne auf die Maschine angewiesen und sie bleibt plötzlich stehen, haben Sie ein Problem. 80 Prozent der Einsätze niederländischer Seenotretter ergaben sich einer Statistik zufolge aus der Dieselpest. Auf Tankreinigung spezialisierte Fachbetriebe berichten, dass die meisten Tanks betroffen sind. Ich habe mich vor einigen Jahren erstmals damit beschäftigt und es als DIY-Eigner selbst behoben. Die Maßnahmen:

1. Vermeiden Sie üblichen Bio-Diesel

Achten Sie an der Tankstelle gezielt nach Sprit ohne Bio-Beimischungen. Solchen Diesel gibt es beispielsweise bei ARAL als sogenannten Ultimate Diesel. Shell bietet ihn als V-Power Diesel an. In Skandinavien führen viele Wassertankstellen speziellen Marine-Diesel ohne Bioanteile. In vielen dänischen Häfen gibt es sogenannten "Skibs-Diesel uden biologiske tilsættningsstoffer", also Schiffsdiesel frei von biologischen Zusatzstoffen. Seit April 24 zugelassen ist ein synthetisch hergestellter Diesel namens HVO100. Die 100 bezeichnet den Anteil des Recycling-Anteils.
Diese Karte zeigt, welche Tankstellen ihn derzeit anbieten.

HVO100 besteht aus Speiseöl oder Resten der Zellulose-Industrie. Anders als Biodiesel nimmt er kein Wasser auf und kann angeblich bis zu zehn Jahre ohne Biozide gelagert werden. Ebenso interessant ist auch, dass der neue Diesel sauberer als herkömmlicher Diesel verbrennen soll, kaum riecht und die CO2-Emissionen dem Hersteller zufolge um 90 bis 95 Prozent reduziert werden.

Der Nachteil all dieser Dieselsorten ist, dass sie etwas teurer als der übliche sind. Die Mehrkosten lohnen sich mit einem zuverlässig laufenden Motor. Seit der zweiten Tankreinigung nehme ich angesichts weniger Motorbetriebsstunden jährlich nur noch den etwas teureren Sprit.

2. Tanken Sie an frequentierten Tankstellen

Tanken Sie dort, wo aufgrund des großen Durchlaufs an Sprit mit kurzen Lagerzeiten, also von Haus aus sauberem Sprit zu rechnen ist. Ich fülle den 25 Liter Kanister an der häufig frequentierten Straßentankstelle, statt mit dem Boot selten benutzen Wassertankstellen anzusteuern. Hinzu kommt, dass der Sprit an der Straße günstiger ist, als an der Bootstankstelle. Den Spritkanister im Auto füllen Sie dann, wenn er günstig ist. Wenn Sie genug Platz an Bord haben, nehmen Sie für den Urlaubstörn weitere 25 l Kanister Sprit. Bei Langfahrtseglern ist das so üblich. Die Batterie der bunten Kanister an Deck sieht nicht schön aus, ist aber unvermeidlich.

3. Halten Sie Ihren Tank voll

Die Schwitzwasserbildung in Metalltanks durch Temperaturschwankungen fügt dem Diesel ständig Kondenswasser hinzu. Besonders anfällig für Schwitzwasserbildung sind Tanks, die in der beheizten Kajüte eingebaut sind. Füllen Sie deshalb vor langen Liegezeiten des Bootes oder Standzeiten im Winterlager ihren Tank komplett bis zur Oberkante. Die übliche Schweinerei durch überfüllte Tanks vermeiden Sie, wenn ein Helfer während des Auffüllens auf die Tankuhr guckt.

4. Machen Sie sich mit Chemie das Leben einfach

LKW-Fahrer, die auf den zuverlässigen Betrieb ihres Motors angewiesen sind, schwören auf Additive. Ich habe vor einigen Jahren bei meinem Bootsdiesel mit einem Produkt unter dem Markennamen Bakzid gute Erfahrungen gemacht: Das ist ein Additiv auf Bisoxazolidin-Basis. Zunächst habe ich nach einer Tankreinigung eine größere Menge als sogenannte "Schockbehandlung" in den Tank gegeben. Die Dosierung steht auf dem Behälter. Besorgen Sie sich dafür in der Apotheke oder Drogerie eine kleine Spritze.

Nach der ersten höher dosierten Schockbehandlung wechseln Sie vorsorglich beide Spritfilter, also den Vorfilter im Maschinenraum und den Feinfilter direkt am Motor. Machen Sie dann bei jedem Tanken die Zugabe des Additivs zur Routine. Bei Bakzid sind es etwa 4 ml auf 20 Liter Diesel. Sie müssen so ein Additiv übrigens nicht unnötig teuer beim Bootsausrüster oder an der Tankstelle kaufen. Sie bekommen es im Auto- und LKW-Zubehör deutlich günstiger. Ein Blick ins Internet zu gängigen Additiven und ein Preisvergleich lohnt. Der Nachteil dieses erwähnten Additivs ist, dass es krebserregend und neuerdings verboten ist. Schauen Sie nach zugelassenen Alternativen.

Halten Sie die Dosierungsanweisungen ein. "Viel hilft viel" gilt hier nicht. Deshalb der Tipp mit den Spritzen. Damit lässt sich das Additiv einfach dosieren.

5. Wie Sie die Dieselpest bei üblichem Sprit in Schach halten

Liegt Ihr Boot in einem fernen Revier wie dem Mittelmeer, werden Sie vor Ort kaum mit dem Spritkanister ins Taxi steigen und die passende Tankstelle suchen. Da tanken Sie in der Marina das, was es gibt. Haben Sie hinsichtlich der Reinheit und des Wasseranteils Zweifel, halten Sie die Dieselpest mit regelmäßiger Zugabe eines Additivs sauber. Und gucken Sie das Unterteil des Sprit Vorfilters regelmäßig an. Bei ersten Anzeichen leeren und reinigen sie ihren Tank.

6. Werfen Sie einen Blick in den Tank

Bei Gebrauchtboot, wo Sie den Zustand des Dieseltanks (noch) nicht kennen, fahren Sie ihn leer oder pumpen den Sprit so bald wie möglich ab. Schauen Sie sich den Diesel hinsichtlich Ablagerungen und Schleim an. Gibt es schwarze Schlieren oder einen Bodensatz im Sprit, führt an einer Tankreinigung kein Weg vor. Das können Sie für viel Geld machen lassen. Auch wenn es kein schöner Job ist, machen Sie es besser es selbst. So wissen Sie erstens dass es richtig gemacht ist und Sie kennen ein wichtiges Detail Ihres Bootes, den Tank und die Spritentnahme.
Ideal zur Tankreinigung wäre eine zweite Spritentnahme im Tankboden. Mit einem unten angeschweißten Rohr, abgesichert von einem Ventil und einem Schlauch haben Sie den Tank flott abgepumpt und den meisten Dreck abgesaugt. Jetzt wischen Sie den Tank gründlich aus.

Sollten Sie die genaue Tankgröße Ihres Bootes nicht kennen, ist die Reinigung eine gute Gelegenheit, ihn auszumessen und sein Fassungsvermögen auszurechnen. Bei der Gelegenheit sehen Sie auch, wie hoch die Spritentnahme über dem Tankboden angebracht ist und ab welchem Füllstand und bei welcher Krängung sie Luft zieht (die Maschine stehen bleibt). Das ist alles mit einem Zollstock flott gemacht. Es ist etwas Arbeit, lohnt sich über die Jahre mit einem betriebssicheren Schiff.

7. Wischen Sie den Tank aus

Schrauben Sie den Inspektionsdeckel ab und gucken, wie es im Tank aussieht. Arbeiten Sie mit Einmalhandschuhen, sonst haben Sie den Dieselgestank tagelang an den Fingern. Etwas Küchenpapier und eine Plastiktüte für die gebrauchten Tücher sollte parat liegen. Wischen Sie den Tankboden, das Schlingerblech und die Wände gründlich aus. Dazu empfiehlt sich Spiritus, Spüli oder etwa Additiv auf dem Lappen.

Nehmen Sie sich für die Prüfung des Tanks Zeit

Ein Dieseltank üblicher Größe ist in einer halben Stunde ausgewischt. Nehmen Sie sich zur Montage des Inspektionsdeckels Zeit. Platzieren Sie die Dichtung (meist aus Gummi) sorgfältig und genau so, wie sie vorher lag, und ziehen die Schrauben gefühlvoll über kreuz an. Planen Sie für Schwierigkeiten mit der Dichtung und den Schrauben, Zeit und Material (Gummi und neue Schrauben, ggf. mit besserem Kopf, Sechskant oder Inbus statt Schlitz) ein. Am Inspektionsdeckel entweichender Diesel ist lästig und verleidet Ihnen das Bordleben unter Deck. Bereits wenige Tränen Diesel verbreiten dauerhaft üblen Gestank an Bord. Ist der Diesel einmal in der Bilge angekommen, riecht das ganze Schiff.

Dreiteilige, früher übliche Vorfilter sind unpraktisch
Dreiteilige, früher übliche Vorfilter sind unpraktisch © Swedesail

Prüfen Sie später unterwegs im Seegang oder bei Krängung abschließend die Dichtigkeit des Inspektionsdeckels. Bauen Sie die Verkleidungen rings um den Dieseltank erst wieder ein, wenn an der Dichtigkeit des Inspektionsdeckels keine Zweifel bleiben. Es heißt nicht umsonst: Never touch a running system. Wenn aber der Tank zu prüfen und reinigen ist, führt am Öffnen und Verschließen des Inspektionsdeckels kein Weg vorbei.

Ein durchsichtiges Vorfiltergehäuse ist in vielen Revieren verboten, aber praktisch

Tanken Sie den empfohlenen Sprit oder machen die Zugabe der empfohlenen Chemie zur Routine. Halten Sie den Tank wie beschrieben möglichst voll. Schauen Sie ab und zu das Filtergehäuse, auch die Filtereinsätze selbst an. Wechseln Sie die Spritfilter abhängig von den Motorbetriebsstunden, ansonsten regelmäßig, 1 x jährlich. Heute werden auch auf Segelyachten riesige Dieseltanks eingebaut. Das erhöht die Reichweite, hat aber den Nachteil, dass Sie ständig reichlich Sprit durch die Gegend fahren und der Bodensatz jahre- oder jahrzehntelang an Bord bleibt. Das war bis zur Beigabe des erwähnten Bio Anteils Jahrzehnte kein Thema.

Ein Filterunterteil aus praktischem Glas lässt sich jederzeit nachrüsten
Ein Filterunterteil aus praktischem Glas lässt sich jederzeit nachrüsten © Swedesail

8. Montieren Sie ein transparentes Vorfiltergehäuse

Am Bodensee und bei gewerblicher Nutzung der Yacht sind Vorfiltergehäuse aus Metall vorgeschrieben. Diese Bauweise ist schlagfest und feuersicher, hat aber den Nachteil, dass Sie Wasseransammlungen, Schmutz und schwarze Schlieren und Partikel im Sprit als Hinweise auf die Dieselpest nicht sehen.

Aus praktischen Gründen empfehle ich daher, ein transparentes Filterunterteil zu montieren. Das gibt es als Umrüstsatz aus Glas oder Kunststoff. Bei vorsichtiger Montage des Vorfilters mit behutsamem Anziehen der zentralen Halteschraube, überlegtem Umgang mit Werkzeug und der Maschine (etwa beim Herausheben für den Wechsel der Dichtmanschette) bleibt das Filterunterteil unbeschädigt. Bauen Sie bei beengten Verhältnissen im Motorraum den Vorfilter vor größeren Maßnahmen vorsichtshalber aus. Der Aufwand zugunsten des transparenten Filtergehäuses lohnt sich, weil Sie beim Blick in den Motorraum sofort sehen, ob der Diesel sauber oder verschmutzt ist.

Zugunsten der Betriebssicherheit lohnt sich bei der Gelegenheit das Upgrade zu einem neuen, einfacher zu wartenden Vorfilter. Werften bauen aus Kostengründen das billigste, selten wartungsfreundliche Modell ein. Als Eigner baden Sie diese Sparsamkeit am falschen Ende nachher aus. Beim alten Boot lohnt sich das Geld für eine zeitgemäße Filterlösung unbedingt. Das Gefummel beim Zusammenbau billiger Vorfilter im schlecht zugänglichen Motorraum ist eine Zumutung. Dabei bleibt die Ungewissheit, ob der Filter nach dem Wechsel der Kartusche keine Luft zieht. Kaufen Sie ein Modell, wo dieses Problem von vornherein ausgeschlossen ist.

Ölwechsel Handpumpe für etwa 24 € zum Abpumpen des Diesels
Ölwechsel Handpumpe für etwa 24 € zum Abpumpen des Diesels

Motorenhändler und Bootsausrüster bieten auch sogenannte Algenzertrümmerer an. Dieses Gerät wird zwischen Tank und Vorfilter an der Spritleitung montiert. Ich rate davon ab, denn selbst die Verkäufer solcher teuren Gerätschaften geben nach beharrlichem Fragen hinter vorgehaltener Hand zu, dass die Funktion eher Glaubenssache ist. Bei einer aufwändigen Messreihe der Fachzeitschrift "Segeln" konnte die Wirkung des Apparats nicht nachgewiesen werden.

Rechnen Sie mit der Dieselpest

Sollten Sie ein gebrauchtes Boot übernehmen, das länger nicht genutzt wurde, gehen Sie realistischerweise davon aus, dass der Diesel befallen ist. Stand das Boot im Süden ein, zwei Jahre an Land, ist es ziemlich sicher so.



Öffnen Sie den Tankeinfüllstutzen und pumpen Sie mit einem langen Schlauch an einer üblichen Hand-Ölwechselpumpe etwas Sprit vom Tankboden in eine Plastikflasche ab. So sehen Sie gleich, ob der Sprit befallen und dieser sicherheitsrelevante Punkt zu beheben ist. Die Pumpe gibt es bei jedem Bootsausrüster für etwa 24 €. Der dünne Schlauch zum Absaugen muss lang genug sein. Denken Sie sich ggf. eine Verlängerung aus, damit Sie bis zum Tankboden kommen.



Sind Sie handwerklich geschickt und haben alle erforderlichen Teile wie Pumpe, genug Kanister zur Tankleerung, Latexhandschuhe, Werkzeug und das Additiv, Spiritus oder Spüli zum Auswischen des Tanks parat, ist der Tank zugänglich und der Deckel des Mannlochs lässt sich problemlos öffnen, ist es theoretisch in einem Tag gemacht. Wenn Sie schon mal an Booten gearbeitet haben, planen Sie etwas mehr Zeit ein.

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VG