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Einhandsegeln - Solo, aber nie allein

Shorthanded-Segeln liegt im Trend – Einhandsegeln wird als Hohe Schule bezeichnet.

Einhandsegeln - Solo, aber nie allein
Des Autors Freund und Helfer, der Pinnenpilot © M. Kunst

Einhandsegeln auf eigenem Boot: vom Kauf bis zur Sicherheit – Tipps für (angehende) Solisten unter Segeln.

Von Michael Kunst, veröffentlicht am 22.03.2016, aktualisiert am 02.12.2022

Das erwartet Sie in diesem Artikel
  • Tipps für den Einhandsegler respektive Solisten:
  • Bootskauf
  • Sicherheit
  • Autopilot
  • Schotführungssysteme
  • Navigationshilfen
  • Manöver
  • Beseglung
  • Anlegen

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Sein Boot alleine über längere Strecken zu segeln oder seine Yacht solo in schwierigen Gewässern zu bewegen gilt gemeinhin als die Hohe Schule des Segelns. Viele «Berühmtheiten» der Segelszene sind erst zu solchen geworden, nachdem sie ihr Können als Einhandsegler unter Beweis gestellt haben – teils mit faszinierenden Leistungen wie Einhand-Nonstop-Weltumseglungen (mit oder gegen die vorherrschenden Strömungen und Winde), Siegen bei Einhand-Hochseeregatten oder durch Solo-Rekordjagden auf den Weltmeeren.

Doch um dieses tief befriedigende Gefühl zu erleben, (s)eine Yacht einhand von «A» nach «B» zu segeln, um diese ganz besondere Form des Glücks zu spüren, ganz alleine auf seinem Boot den Elementen zu trotzen, muss man kein «Held der Sieben Meere» sein. Schon die ausgedehnte Tagestour entlang der heimischen Seeküste oder die Einhand-Umrundung des Alpensees macht Sie mit Fug und Recht zum Einhandsegler und vermittelt, «alleine mit sich und dem Boot», ungeahnte Glücksgefühle.

Damit diese nicht von unnötigen Problemen überschattet werden und die Solotörns nicht zum Chaos-Trip ausarten, haben wir elementare Tipps und Regeln zusammengestellt, mit denen Solisten unter Segeln bis zum Horizont und weiter kommen…

1. Der Kauf

Wer in Zukunft vermehrt oder ausschließlich alleine segeln und sich explizit dafür ein geeignetes gebrauchtes Segelboot anschaffen will, hat die Qual der Wahl. Denn im Prinzip eignen sich innerhalb eines gewissen Rahmens die meisten Boote und Yachten per se für den Einhandbetrieb.

Ihr zukünftiges Solo-Segelboot sollte am besten anerkannt gute Segeleigenschaften haben, leicht zu handhaben (Länge zwischen 6,50 m und ca. 12 m) und möglichst nicht übertakelt sein. Unter Einhandseglern hat sich im Laufe der letzten Jahrzehnte vor allem die Pinnensteuerung durchgesetzt.

Meiden Sie (zumindest für die See) reine Rennboote, die oft ein «zickiges» Verhalten mitbringen – Einhandsegler sollten so stressfrei wie möglichst unterwegs sein. Es gilt das Prinzip der Einfachheit: Vermeiden sie jegliches Extrem bei der Wahl ihres Schiffes und suchen sie den «goldenen Weg der Mitte». Dabei ist es übrigens egal, ob sie auf einem oder mehreren Rümpfen unterwegs sein wollen. Tendenz: eher kürzer als länger, eher steif als rank, eher spartanisch als luxuriös, eher simpel als kompliziert. Immer dran denken: sie müssen alleine mit ihrem Boot fertig werden – in jeder Situation!

2. Die Sicherheit

Mal ganz abgesehen davon, dass die Sicherheit bei jeder Form des Segelns immer Vorrang haben sollte, sind Solo-Segler deutlich mehr Gefahren ausgesetzt als ihre geselligeren Pendants. Denken Sie nur an den Super-GAU aller Einhandsegler: Mann über Bord! Während die Crew ihren Mitsegler suchen, finden und wieder an Bord schaffen wird, kann der Einhandsegler – einmal im Wasser – nur noch seinem Boot, das stur unter Autopilot weiter segelt, hinterher weinen.

Nicht nur deshalb: Neben einsatzbereiter Rettungsinsel und permanenter Schwimmwestenpflicht gilt für Solisten vor allem «Immer angeleint segeln!» Spannen sie Laufleinen über die Gesamtlänge des Schiffes, so dass sie bei jeder Arbeit per Lifeline angeleint bleiben können. Sollten Sie dennoch einmal über Bord gehen oder anders in Seenot geraten, hat sich für den absoluten Notfall ein PLB-Gerät (Personal Location Beacon, ca. 300 Euro) bewährt, das immer am Körper getragen wird.

Nach (manuellem) Auslösen sendet es Notrufsignale und GPS-Daten an die nächsten Rettungszentralen, womit sogar über Bord gefallene Segler im aufgewühlten Ozean wiedergefunden werden konnten.

Für längere Solo-Strecken gilt: Trainieren Sie zuvor Schlafmanagement (Ausguck alle zwanzig Minuten bis halbe Stunde)

Der Autor und das weite, weite Meer
Der Autor und das weite, weite Meer © M. Kunst

3. Autopilot

Sollte das Boot ihrer Wahl nicht sowieso schon mit einem Autopiloten ausgerüstet sein, rüsten sie unbedingt nach. Auf längeren Strecken, bei Manövern oder etwa bei Seekrankheit ist eine Selbststeuerungsanlage durch nichts zu ersetzen. Besorgen Sie sich ihren Autopiloten ebenfalls nach dem Prinzip «keep it simpel» – Pinnenpiloten tun hier oft bessere Dienste, als ihr Ruf behauptet. Auf längeren Törns haben sich vor allem die energieunabhängigen, mechanisch arbeitenden Windpiloten bewährt.

4. Umbau Schotführungssysteme

Keine Angst, bei den meisten Bootstypen werden die typischen Solisten-Anforderungen bereits serienmäßig erfüllt. Und sollte dies bei ihrem Traumboot noch nicht der Fall sein – ein Umbau ist in den meisten Fällen problemlos machbar. Wichtig: Alle Schoten, Fallen und Trimmeinrichtungen sollten vom Cockpit aus bedienbar und dort auch zu belegen sein. Achten Sie darauf, dass die Großschot vom sitzenden Rudergänger gefiert bzw. dicht geholt werden kann. In besonders fiesen Böen kann ein Fieren des Travellers nicht ausreichen. Systeme, bei denen die Großschot etwa auf dem Kajütdach, ein paar Meter vom Rudergänger entfernt belegt wird, sollten umgebaut werden.

5. Elektronische Navigationshilfen und Kollisionsvermeidung

Bleiben Sie auch hier dem Prinzip der meisten Einhandsegler treu: je weniger, desto besser. Manche Boote sind mittlerweile mit reparaturanfälligen, elektronischen Navi-Apparaturen regelrecht vollgestopft. Dabei reichen heutzutage Kompass, ein sicher verpacktes Tablet mit entsprechender Navigationssoftware und als Backup ein wasserdichtes Smartphone (mit Navisoftware), ein GPS-Gerät und Seekarten.

Die Kollisionsgefahr mit Schiffen, Yachten und Booten (siehe Murphy’s Law) wird heute vor allem mit AIS (Automatisches Identifikationssystem) reduziert, das vor allem bei längeren Seereisen an Bord sein sollte. Auch das französische «Mer-Veille»-Prinzip eignet sich zumindest für küstennahe Fahrten.

6. Manöver

An dieser Stelle sollten zukünftige Solisten ganz tapfer sein: «Murphy’s Law» gilt besonders bei Einhandseglern! Was schiefgehen kann, geht schief.

Nehmen Sie sich also Zeit! Jedes Manöver muss bestens vorbereitet werden, damit es gelingt. Diese Regel, die sowieso beim Fahrtensegeln gelten sollte, wird alleine zum Pflichtprogramm. Bedenken Sie: Es gibt keinen Fockaffen an Bord, der mal eben schnell nach vorne hüpft, um die vertüderte Leine zu klarieren oder den Sanduhr-Spinnaker einzuholen, während das Boot verdächtig in Richtung Sonnenschuss geigt. Und gerade deshalb sollten Manöver wie Wenden und Halsen zunächst zu zweit geübt werden.

Ruhe im Schiff und bedächtige Vorbereitung, gedankliches Durchspielen des kommenden Manövers und Klarieren aller dafür notwendigen Utensilien machen "Murphy" den Garaus. Meistens – hoffentlich…

7. Gennaker versus Spinnaker

Ganz abgesehen davon, dass vor allem Fahrtenyachten nach wie vor unter symmetrischem Spinnaker gesegelt werden, ist eindeutig eine Tendenz Richtung asymmetrischem Spinnaker auszumachen. Fast alle Einhand-Helden aller Nationalitäten schwören mittlerweile darauf.

Kunststück: Diese Vorwind- und Raumschot-Segel sind deutlich einfacher alleine zu bedienen und bieten somit den enormen Ruhe-Vorteil während der Manöver. Meistens sind diese Segel auch bei (bisherigen) Spinnaker-Yachten ohne großen Aufwand nachrüstbar.

8. Hafen

Viele gestandene Einhandsegler, die bereits tausende Seemeilen solo geloggt haben, geben unumwunden zu, dass ihnen vor nichts so sehr graut, wie vor Hafenmanövern. Was schon mit Unmengen Crew-Händen mitunter gehörig misslingt, ist für Einhandsegler oft eine meterhohe Hürde.

Doch einen Vorteil haben die Solisten: Ihnen wird immer und überall bereitwillig geholfen. Deshalb scheuen Sie sich nicht, beim Hafenmeister um Hilfe zu bitten. Oftmals stehen Schlauchboote bereit, die den Einhandsegler und sein Boot sicher in die Box bugsieren. Oder Hafenpersonal bzw. andere Segler begleiten den Solo-Segler zum Liegeplatz.

Einmal dort angekommen, wird Einhandseglern von (fast) allen Nachbarn stante pede beim Anlegen geholfen. Auch wenn solche Handreichungen mitunter in gewisse Stegbier-Gelage ausarten… aber das ist ein ganz anderes Thema!

Zum Abschluss die vielleicht wichtigste Regel: Machen Sie sich Ihr Boot zum Freund, hören Sie darauf, was es braucht, wie es gesegelt werden will, wo seine Schwächen und Stärken sind. So wird das Schiff zum wichtigsten Partner des Einhandseglers und Sie sind zwar solo unterwegs, aber nie alleine…

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