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Abenteuer7 min Lesezeit

Joshua – Geschichte einer Ketch, die Geschichte schrieb.

„Joshua“ faszinierte gemeinsam mit ihrem Skipper Moitessier die Welt des Segelns.

Joshua – Geschichte einer Ketch, die Geschichte schrieb.
Joshua vor dem Start des GGR 2018 © M. Kunst

Warum «Joshua» gestern, heute und morgen «Kult» war, ist und bleibt.

Von Michael Kunst, veröffentlicht am 16.08.2018, aktualisiert am 28.03.2023

Das erwartet Sie in diesem Artikel
  • Die Geschichte der „Joshua“ und ihres Skippers Bernard Moitessier.
  • Eine Stahlyacht, die auf allen Meeren und Ozeanen dieses Planeten zuhause war und ist.
  • „Joshua“ machte den Ruhm von Bernard Moitessier überhaupt erst möglich.
  • Beinahe wäre die Yacht vor Mexiko zerschellt.
  • Später holten begeisterte Segelfans „Joshua“ zwecks Restauration zurück nach Frankreich.

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Ketch Segelboote im Marktplatz: Das perfekte Boot hat zwei Masten

Wie das eben bei großen Regatta-Veranstaltungen ist, gab es auch zum Start des Golden Globe Race – einhand, nonstop im Retro-Modus auf alten Booten um die Welt – wieder viele vermeintliche Stars und einige Sternchen, die in den Mittelpunkt des Geschehens drängten. Dabei meinen wir nicht die segelnden Helden und Heldinnen, die zum 50. Jubiläum des Sunday Times Golden Globe einem Robin Knox-Johnston nacheifern und im Rahmen der neu aufgelegten Regatta um die Welt schippern. Ihr Drang in die «Erste Reihe» ist mehr als gerechtfertigt – bei jedem Einzelnen. Vielmehr geht es um «Stars», die bei Segel-Veranstaltungen per se im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen: Boote, Yachten, Schiffe und ihre Geschichte.

So kam es, dass auch in den Wochen vor dem Start des ersten Golden Globe Race 2018 eine Stahlyacht allen anderen Yachten regelrecht die Show stahl. Mit schwarzer, dick aufgetragener Unterwasserschiff-Farbe und einem knalligen Bordeaux-Rot auf den seitlichen Rumpfflächen wirkte sie wie ein mühsam, aber mit Elan aufgehübschter Paradiesvogel, der es nochmals «wissen will». Doch wer genauer hinschaute, erkannt auch gleich so etwas wie unvergängliche Schönheit: Formen, die früher einmal sexy gewesen sein dürften, und heute, mit einer gewissen Reife, reichlich Charme, Charisma und gelassene Sinnlichkeit versprühen.

Heckpartie mit Ruder – grob- aber gepflegt
Heckpartie mit Ruder – grob- aber gepflegt © M. Kunst

Bei wem es bis jetzt noch nicht «klick» gemacht hat, der wird spätestens mit dem in großen Lettern seitlich am Kajütaufbau aufgetragenen Bootsnamen erleuchtet: JOSHUA. Genau, die Yacht des «großen» Bernard Moitessier, auf der er 1968 erstmals an einer Hochseeregatta teilnahm – eben dem Sunday Times Golden Globe – und die ihm zu einigem Weltruhm verhalf. Nicht zuletzt, weil «Joshua», längst zur Legende geworden war und als eines der besten Langfahrt-Boote in die Geschichte des Wassersports eingehen sollte.

Joshua im Mittelpunkt des GGR 2018
Joshua im Mittelpunkt des GGR 2018 © M. Kunst

Yacht für ein neues Leben

«Joshua» war Bernard Moitessiers vierte Yacht – nach «Snark, Marie Therese I und II». Die beiden «Maries» hatte er durch teils selbst verschuldeten Schiffbruch verloren – mit «Joshua», die größtenteils nach seinen ureigenen Vorstellungen neu gebaut wurde, wollte Moitessier im wahrsten Sinne der Worte «ein neues Leben» beginnen.

Nachdem Moitessier mit Buchveröffentlichungen über seine Reisen einen für damalige Blauwasserverhältnisse «ansehnlichen» Betrag eingesammelt hatte (vor allem sein Buch «Vagabund der Meere» machte richtiggehend Furore), begab sich der mittlerweile populäre Segler 1960 und 61 auf die Suche nach einer geeigneten Werft für die Umsetzung seiner nicht ganz einfach zu realisierenden Ideen.

Zu Beginn der Sechzigerjahre war der Bootsbau im Umbruch. Immer mehr «Freizeitskipper» konnten und wollten sich eine Segelyacht leisten, dabei wurde deutlich, dass der bisherige Holzbootsbau die Nachfrage auf den größeren Absatzmärkten nicht befriedigen konnte. GFK als Baumaterial für Yachten stand damals in den absoluten Anfängen und Stahl verwendete man im Prinzip nur für die «richtig großen Pötte».

Die kleine Werft META bei Lyon hatte sich jedoch auf eine neue Produktionsform spezialisiert, die Stahl auch als Baustoff für kleinere Boote, bis etwa 10 Meter Länge favorisierte und nach ersten Prototyp-Bauten suchte. Die Werftbosse boten Moitessier den Bau seiner Yacht zu Materialkosten – vorausgesetzt, er überlasse ihnen die Pläne und Rechte für den Bau weiterer Boote dieser Art (mehr als 70 «Joshuas» wurden so bis Ende des letzten Jahrhunderts gebaut).

So kam es, dass ein Segler, der bereits zwei Yachten selbstverschuldet verloren hatte, ein neues Boot nach eigenen Plänen von Bootsbauern schweißen ließ, die nach eigenen Aussagen erst mal Erfahrung mit dem Material Stahl an Booten sammeln wollten. Eine Art Lotteriespiel, aus dem das Boot als eindeutiger Gewinner hervorgehen sollte.

Original-Steurrad
Original-Steurrad © M. Kunst

Das logische Boot

1962 wurde Joshua zu Wasser gelassen und Moitessier segelte sich im Mittelmeer auf dem Boot «warm», realisierte einige Umbauten und Änderungen, die nach ersten Testfahrten notwendig geworden waren. Zwei Sommer lang verdiente er auf «Joshua» seine Baguettes mit Segel- und Navigationsunterrricht, dann hatte er seine Frau zu einer Weltreise überredet. Beiden erschien «Joshua» als das bestgeeignete Schiff für ein Vorhaben, das sie in die entlegensten Winkel der Erde führen sollte.

Doch sie nahmen sich zu viel Zeit, hatten 1965, nach zwei Jahren, auf Tahiti erst ein Drittel der vorgenommenen Strecke geschafft und mussten schließlich wegen der ganzen Bummelei die Umrundung abbrechen und auf dem schnellsten Wege zurück nach Europa segeln.

Für Moitessier gab es nur einen logischen Weg (wie auch sein später erschienenes Buch über die Reise hieß) wieder zurück: nochmals rund Kap Hoorn, und dann ohne Zwischenstopp nach Europa.

So kam es, dass die genügsame, gefügige und immer zuverlässige «Joshua» mit den beiden Moitessiers eine Reise antrat, die es bis dahin noch nie zuvor in dieser Form gegeben hatte: 14.216 Seemeilen ohne Stopp bis Alicante segelten «die Drei».

Bemerkenswert in Sachen «Joshua» war, dass die Stahlyacht ohne größere Probleme selbst in heftigen Wettersituationen durchhielt.

© M. Kunst

Für Moitessier war dies eine Ermutigung, um seiner «Joshua» noch mehr zuzutrauen. Er baute und bastelte an dem Boot, wollte es noch perfekter für Hochseetörns machen und startete schließlich 1967 zum legendären Golden Globe Race.

Ein Rennen, das Moitessier in (theoretischer) Führung liegend, aus Menschen- und Publicity-Scheu abbrach. Zuvor waren Joshua und ihr Skipper durch den Atlantik, den Indischen und Southern Ocean am Kap Hoorn vorbei wieder in den Atlantik gelangt. Dort entschloss sich Moitessier zur «Rettung seiner Seele», segelte erneut um die südliche Erdkugel und kam vier Monate später in Tahiti an. Zwischen 37.000 und 40.000 Seemeilen hatte «Joshua» damals nonstop absolviert – eine Streckenlänge, die zuvor noch nie von einer Yacht ohne Unterbrechung gesegelt worden war.

Und Joshua tat weiter ihren Dienst, zunächst jedenfalls. Zu Beginn seines jahrzehntelangen Vagabundenlebens in der polynesischen Südsee kümmerte sich Moitessier noch um «seine Seele», wie er sein Boot einmal pathetisch nannte. Doch dann verfiel es immer mehr, machte selbst auf Laien einen «nur wenig hochseetauglichen Eindruck», wie viele Abenteurer und Reisende, die das Boot erkannten, in ihren Berichten beschrieben.

Moitessier lebte sein Leben fernab der Zivilisation und war eines Tages, wie konnte es anders sein, pleite. Mittlerweile flossen keine Gelder mehr aus Europa, seine Familie in der Heimat hatte er «schändlich im Stich gelassen» (sagen die einen) bzw. hatte sich von ihr eine mehrjährige Auszeit genommen (meinen die anderen). Also möbelte der immer noch sagenumwobene Langfahrtsegler die Joshua so weit auf, dass sie mit ihm nach Kalifornien segelte, wo Moitessier mit Vortragsreisen Geld für seinen Lebensunterhalt verdienen wollte. Doch die Amerikaner konnten sich nicht für den seltsamen Franzosen begeistern, so dass diese «Rückkehr ins normale Leben» schlicht scheiterte.

Auf dem Rück-Törn in die Südsee nahm Moitessier auf der jetzt deutlich betagten und angenagten «Joshua» den exzentrischen deutschen Schauspieler Klaus Kinski mit.

Bei einem Zwischenstopp im mexikanischen Cabo San Lucas fegte ein Sturm über die an der Mooring liegenden Yachten und trieb «Joshua» (und andere Yachten) auf ein Felsenriff. Ob Moitessier dabei heldenhaft um sein Boot kämpfte (wie von ihm selbst behauptet) oder ob er das Drama bei einer Party verpasste (wie andere Partygäste einwandten), sei dahin gestellt.

Jedenfalls war «Joshua» ein Wrack, das nicht versicherte Boot lag auf den Felsen und später an einem Strand. Moitessier soll seine treue Gefährtin angeblich für ein paar Dollar an den Nächstbesten verkauft haben.

Sie kam aber weder zum Abwracker noch sonst irgendwie «unter die Räder». Die nächsten Besitzer der Joshua restaurierten sie mit bescheidenen finanziellen Mitteln, machten sie wieder segelfähig (die Ausfahrten sollen allerdings Lotteriespielen geglichen haben) und 1989 wurde sie in Seattle von französischen Hochseeseglern «wiederentdeckt».

Das «Musée Maritime de La Rochelle» kaufte die «Joshua», restaurierte sie und baute die Yacht wieder zu ihrem Original-Zustand zurück.

Zum Anker-Aufholen
Zum Anker-Aufholen © M. Kunst

Sie segelt und segelt und segelt …

Im Jahre 2000 erregte die Yacht nochmals die internationalen Gemüter, als sie von dem französischen Einhand-Segler Jacques Peignon aus dem Hafen in la Rochelle geklaut wurde, um mit ihr am Transatlantik-Rennen Europe 1/New Man STAR teilzunehmen. Als «Joshua» mit ihrem Kidnapper in Newport ankam, wurde der gleich auf Initiative des «Musée Maritime» festgesetzt. Die Rücküberführung der Yacht geschah übrigens mit Moitessiers Sohn Stephan, der an Bord des Vaterschiffes erstmals eine längere Seereise in seinem Leben unternahm.

Derzeit segelt «Joshua» wieder an ca. 150 Tagen im Jahr und nimmt Gäste aus aller Welt an Bord, die bereits in ihren Jugendjahren davon geträumt haben, ein Mal auf dem berühmten Schiff segeln zu dürfen.

Wie sehr die Geister Moitessiers und seiner «Joshua» bis in unsere heutige Zeit wirken, zeigt eine Ankündigung aus England. Die Organisatoren des Golden Globe Race 2018 (GGR18) gaben kürzlich bekannt, dass sie für die nächste Auflage des Einhand-Rennens im Jahre 2022 eine neue One-Design-Klasse einführen wollen.

Joshua-Replika- die für das nächste GGR als One-Design-Klasse gebaut werden soll
Joshua-Replika- die für das nächste GGR als One-Design-Klasse gebaut werden soll © MacIntyre

Man ahnt es schon: die neue Klasse soll Joshua GGOD heißen, der Original-«Joshua» ziemlich originalgetreu nachgebaut sein (ebenfalls aus Stahl) und in einer gesonderten Startgruppe etwa drei Wochen nach den 20 (gar nicht so) normalen, kleineren GGR- Yachten auf See gehen.

Doch auch auf ihre «alten Tage» lebt «Joshua» noch richtige Höhepunkte. So segelte sie als «Startschiff» beim Golden Globe Race unter Vollzeug die Startlinie entlang. Und entließ die Teilnehmer des GGR in ihr ungewisses Abenteuer, das sie selbst vor mehr als einem halben Jahrhundert so bravourös meisterte.

Rohbau des Replik-Rumpfes
Rohbau des Replik-Rumpfes © MacIntyre

JOSHUA - KETCH

Konstrukteure: John Knocker/Bernard Moitessier
Werft: Meta Chauffailles/Frankreich
Lüa: 16 m
Rumpflänge: 12, 07 m
Verdrängung: 13 t
Segelfläche am Wind: 100 qm
Liegt derzeit in La Rochelle/Frankreich

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