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Männertörn
Über eine schöne Auszeit mit einer wackeligen Proa auf der Ostsee
Der bayrische Musiker und Segler Reto Brehm schwört auf die ursprünglich mikronesische Proa. Damit macht er Alpen-nahe Seen, die Adria oder Ostsee unsicher und erzählt auf unterhaltsame Weise davon.
Von Erdmann Braschos, veröffentlicht am 24.02.2021, aktualisiert am 08.10.2024
Das erwartet Sie in diesem Artikel
- die Geschichte des bayrischen Proaseglers Reto Brehm
- Bericht von einem 140 Meilen Törn entlang der polnischen Küste
- wie man zu einer Proa kommt
- ein günstiger Weg zum Segeln
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„Mein Haus, mein Auto, mein Boot“ - nach diesem abgenudelten Angebermotto werden Boote meist gesehen. Je größer, desto besser, so heißt es. Nach meiner Beobachtung ist es erstens leider langweilig und zweitens genau umgekehrt: Den glücklichsten Böötlern begegne ich selten auf dicken Pötten. Zufrieden und vergnügt sind die mit dem Hintern im Wasser, dem kleinen schwimmenden Untersatz. Es liegt wohl daran, dass es hier nicht so ums Haben und Herzeigen geht. Eher ums Segeln und Erleben, ab vier Windstärken und circa 50 cm Welle auch ums Überleben. Wenn es zu lange dauert, brenzlig wird, oder alle nass und hungrig sind, geht es zum nächsten Strand.
Segeln nach der reinen polynesischen Lehre
Das klappt mit einem flachbordigen Auslegerboot aus dem Pazifik am besten, für das es in der freien Wildbahn des Internets umsonst erhältliche Selbstbaupläne gibt. Solch ein Gefährt hat sich Reto Brehm vor einigen Jahren aus Sperrholz preiswert selbst gebaut. „Es ist eine P5 von Othmar Karschulins Multihull-Webseite“ berichtet Brehm. „Das Rigg, mit pazifischem Delta-, oft auch Krebsscherensegel genannt, habe ich mit Versuch und Irrtum so weit austariert, dass ich meistens nach der reinen polynesischen Lehre, also ohne Steuereinsatz segeln kann.
Für mich ist das Ganze ein hydro- und aerodynamisches und auch völkerkundliches Forschungsprojekt, das mir viel Spaß macht.“ Wer sich Brehms Clip genau anschaut, sieht, wie sich die beweglichen Rümpfe den Wellen anpassen. Wäre das kein uralter mikronesischer Hut, könnte man es als innovativ bezeichnen.
Seine Begeisterung führte ihn wiederholt nach Polen, wo es eine lebendige Proa-Szene gibt. Zwar ist das Wasser dort nicht so warm wie in Mikronesien. Für die flachen Gewässer mit herrlich langen Stränden ist der handliche Zweirümpfer ohne nennenswerten Tiefgang dennoch ideal. Außerdem baut Segelfreund Janusz Ostrowski dort Proas. Das Gefährt ist so seetüchtig, dass Brehm damit schon in Kroatien rund Cres-Losinj oder zum polnischen Proa-Treffen die Ostseeküste entlang gerutscht ist. Da Brehm in seiner Freizeit neben Proabasteln und Segeln musiziert, erzählt er singend, mit einer schönen Prise Ironie von seinen Ausflügen.
Kostet fast nichts, macht Spaß
Vor einigen Jahren hockte Brehm sich in seiner „ganz normalen Winter-Bergsteiger-Ausrüstung, also Filzhut, Lodenjanker, Lodenhose, Filzstiefel statt diesem modernen Plastikzeugs“ in eine Höhle. Brehm griff zur Ukulele und begleitete Freundin Erika mit feiner Ironie als Hauptdarstellerin. Das ging vom Unterhaltungswert her schon Richtung Georg Ringswandl. Schee wars.
Was sich da sonst so unterwegs an den Stränden beim „völkerkundlichen Forschungsprojekt“ ergeben hat und was aus eigentlich Erika geworden ist, dazu schweigen wie Wahlmikronesier Brehm und Ostrowski beharrlich. Lebenskünstler, die Segeln, Paddeln, Singen und Kochen können, sind meist eine gute Partie.
Bootsdaten zur Puch Pjoa
Entwurf Janusz Ostrowski
Länge 6 m
Breite 3,6 m
Gewicht segelfertig 125 kg
Hauptrumpf 55 kg
zweiter Rumpf 15 kg
Plattform 40 kg
Crew 2 - 4 Personen (max. 400 kg)
reffbares Krebsscherensegel 12 qm
Transportmaße 600 × 140 × 95 cm
Webseiten
multihull.de
pjoa.eu