Ratgeber für den Bootskauf7 min Lesezeit
Segel oder Lappen?
Tipps für die Begutachtung der Segelgarderobe beim Gebrauchtbootkauf

Ist eine ausgefranste Lattentasche schon ein Verhandlungspunkt? Wann ist ein Segel noch ein Segel, wann ein nahezu wirkungsloser Lappen? Und wie „pingelig“ sollten Sie bei der Begutachtung der Segel sein?
Von Michael Kunst, veröffentlicht am 04.08.2025
Das erwartet Sie in diesem Artikel
- Warum Sie die Segel beim Gebrauchtbootkauf intensiv begutachten sollten
- Der Zustand der Segel kann zum Verhandlungsfaktor werden
- Warum Sie nicht allzu "pingelig" sein und nur auf Wesentliches achten sollten
- Wie man die einzelnen Segel beurteilen kann
- Segel sind ein gewichtiger Kostenfaktor
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Als eine der größten Plattformen für Gebrauchtboote sind wir selbstverständlich sehr daran interessiert, dass der Verkaufsvorgang so reibungslos und sicher wie nur möglich funktioniert und abläuft. Und zwar im Sinne der Käufer und Verkäufer. Nicht umsonst stellen wir Ihnen unter unserem Menü-Punkt „Magazin“ zu den Themen Kaufberatung, Ratgeber für den Bootsverkauf und -kauf mehr als 60 Artikel zur Verfügung. (Martin: bitte diese drei Menüpunkte verlinken)
In einer unserer letzten, themenspezifischen Veröffentlichungen („Ein Drahtseilakt?“) gaben wir Tipps für einen korrekten „Check“ des stehenden und laufenden Guts an Bord des (hoffentlich) zukünftigen Traum-Segelboots. Danach kontaktierten uns Boot24-Leser mit der Bitte um entsprechende Information für die Begutachtung der Segelgarderobe.
Immer offen für Anregungen aus der Boot24-Szene haben wir uns für folgende Zeilen bei Segelmachern und Gutachtern umgehört (und noch die eine oder andere eigene Erfahrung eingebracht).
Es folgen Tipps und Anregungen, wie Sie die Segel bei der technischen Beurteilung Ihrer zukünftigen Yacht, Ihres zukünftigen Bootes einbeziehen können oder sollten. Wir gehen hierbei von einem Spektrum zwischen Fahrtenyacht und Performance Cruiser aus. Wer eine Regattayacht oder etwa eine Regattajolle erwerben und damit sogleich Regatten gewinnen möchte, sollte sich darüber im Klaren sein, dass echte Erfolge nur mit Segeln möglich sind, die höchstens ein bis zwei Jahre (intensiv) genutzt werden.
Der Hauptantrieb Ihres Bootes
Lassen Sie sich niemals auf den Kauf eines gebrauchten Segelbootes ein, ohne dasselbe unter Segeln auf dem Wasser getestet zu haben. Zusammengefasst gilt: Segel sind der Hauptantrieb jeder Segelyacht – sie müssen zuverlässig funktionieren. Deshalb sollten Käufer gebrauchter Boote die Segel mit derselben Sorgfalt begutachten wie Motor und Rumpf, stehendes und laufendes Gut. Ein umsichtig gewartetes Segel spart dem Käufer mittelfristig viel Geld und garantiert sichere Fahrt.
Haben Sie während der Testfahrt Schäden am Segel entdeckt, begutachten sie diese Stellen nach der Testfahrt nochmals auf dem „Trockenen“. Das kann ein ausgerolltes Segel auf dem Boot selbst sein, oder aber sie finden einen trockenen Platz in einer Halle.
Segel können ein gewichtiger finanzieller Faktor sein. Deshalb sollten Sie sich über die Kosten für einzelne neue Segel auf ihrem zukünftigen Bootsmodell erkundigen. Die meisten Segelmacher geben hier gerne Auskunft. Und: Wer den Preis für ein neues Segel kennt, hat eine bessere Verhandlungsbasis, wenn er oder sie auf stark abgenutzte "Lappen" treffen.
Auch wenn es viel Arbeit während der Testfahrt bedeutet: Setzen Sie ALLE Vorsegel. Insbesondere bei Spinnakern (asymmetrisch wie auch symmetrisch) lassen sich Problemstellen meistens nur „im Wind“ erkennen.
Denken Sie immer daran, dass Sie ein gebrauchtes Boot und somit gebrauchte Segel kaufen wollen. Ist die Fock also nicht mehr blütenweiß, wurde der Spinnaker an einer Stelle bereits ein Mal (fachmännisch) geflickt, werden sich daraus kaum preisreduzierende Argumente ergeben. Ist die Segelgarderobe (oder eben einzelne Segel) jedoch in einem Zustand, der keineswegs den Angaben in der Annonce entspricht, kann dies als gute Verhandlungsbasis genutzt werden.
Die Segel in ihrem Element
Machen Sie keine Testfahrt bei Starkwind! Nahezu alle Probleme an der Segelgarderobe lassen sich hervorragend bei leichten bis mittleren Windstärken ausmachen. Flauten sind allerdings auch keine Test-Option.
Der Segelcheck beginnt schon vor dem Test-Törn. Fragen Sie nach, wann welches Segel erworben und wie oft es eingesetzt wurde. Lassen Sie sich Rechnungen vom Erwerb oder einer Generalüberholung durch einen Segelmacher zeigen. Dies wird häufig zwar als „piffig“ angesehen, vermeidet aber per se „Missverständnisse“ um das eine oder andere „verschätzte“ Jahr.
Setzen des Großsegels
Wenn Sie eine Begleitung Ihres Vertrauens mit auf den Testtörn nehmen, lassen Sie diese Person das Großsegel setzen. Es soll vor allem auf Schwergängigkeit der Fallen geachtet werden. Stellen Sie sich neben den Mast und achten Sie darauf, ob der Keder (falls Nut-Mastführung) ohne größere Stopper in die Nut des Mastes läuft. Richtig leichtgängig ist das zwar nie, man kann aber Rückschlüsse darauf ziehen, ob das Segel im vorderen Bereich „gedrillt“ ist. Sind Mastrutscher am Segel angebracht: Achten sie auch hier auf Leichtgängigkeit. Hakt es bei manchen Rutschern, sind dort bald Reparaturen notwendig! Schauen Sie sich diese Rutscher entweder gleich an oder später nochmals an Land. Wird das Großsegel aus dem Mast gerollt (Rollmast): Auch hier auf Schwergängigkeit achten. Sind beim Ausrollen tiefe Falten erkennbar (lässt auf schwieriges Einrollen schließen)?
Setzen des Vorsegels (Fock, Genua)
Ist das Vorsegel auf einem Furlingsystem /einer Rolle bereits angeschlagen und eingerollt, achten Sie beim Ausrollen auf Leichtgängigkeit. Hakt der Furler beim Ausrollen, lässt dies auf eine baldige Reparatur oder einen bevorstehenden Tausch des (keineswegs preiswerten) Systems schließen. Wird das Vorsegel mit Stagreitern oder mit Dyneema-Schlaufen an den Vorstag angebracht? Dann machen Sie das (oder helfen Sie tatkräftig mit)! So lässt sich am besten der Zustand der einzelnen Stagreiter bzw. Schlaufen überprüfen.
Segeltrimm
Nach dem Setzen der Segel können tiefe Falten sichtbar werden. Das kann zum einen durch unregelmäßiges Einrollen bei Starkwind (Großsegel Rollmast/Vorsegel Furler) verursacht werden. Diese tiefen Falten sollten später unbedingt an Land auf bereits sichtbare „Bruchstellen“ untersucht werden.
Bei frischem Wind soll das Segel flach – kein „Bauch“ – stehen; ein „wellblechförmiges“ Profil an Reffpunkten deutet auf Materialermüdung hin. Sollte ein Bauch sichtbar sein, achten Sie darauf, ob das Segel den Windstärken entsprechend überhaupt getrimmt wurde (Cunningham, Unterliek, Achterliek).
Bei Leichtwind sollten alle Segel noch ein ursprüngliches Profil zeigen (nicht ausgeleiert wirken).
Achten Sie auf die Lattenspannung. Sind die Lattentaschen am Achterliek ausgefranst? Sind alle Spannungsmechanismen in Ordnung?
Reffen und Rollanlage testen
Fock- und Großsegel sollten sich einwandfrei bergen und reffen lassen. Experten raten, die Anlagen bzw. einzelnen Reffstufen auszuprobieren. Binden oder Rollen des Reffs selbst gibt Aufschluss, ob Taljen, Klemmen und Rollanlagen wirklich funktionieren.
Segelmanöver beobachten
Wie verhalten sich Groß- und Vorsegel in der Wende, Halse? Wenn das im Achter- und Unterliek flattert: Lässt es sich durch die entsprechend angezogenen Trimmleinen „beruhigen“?
Spinnaker und Gennaker
Lassen die symmetrischen und asymmetrischen Segel, die Sie mit dem Boot kaufen werden, vom (Noch-) Eigner bzw. seiner Crew setzen, trimmen und halsen. So können Sie einerseits viel über das Handling lernen, andererseits genau beobachten, wie sich die Segel in welchem Windeinfallswinkel verhalten. Schauen gegen das Licht (die Sonne) in die per se dünnen Vorwindsegel. Gibt es „durchsichtige“, weil ausgedünnte Stellen? Sind kleine Löcher erkennbar? Wurden etwaige Reparaturen am Segel fachkundig ausgeführt? Wechseln Sie die Windeinfallswinkel, um das Verhalten der Tücher in den einzelnen Winkeln zu studieren.
Nach der Testfahrt: Zeigen die Lieken deutliche Abnutzungserscheinungen? Check in aller beim Segeln erkannten Problemstellen.
Die Segel und Ihre Beschaffenheit
In den vielen Verkaufsanzeigen von Segelbooten auf Boot24 werden die Segelmaterialien der einzelnen Segel, mitunter auch mit Markennamen genannt. Andere Verkäufer beschreiben die Segelgarderobe in ihren Verkaufsanzeigen nur kurz und oberflächlich. Als Käufer sollten Sie in beiden Fällen wissen, worauf Sie sich einlassen. Wir stellen Ihnen die wichtigsten Aspekte der gängigen Segeltücher vor – mit Fokus auf Haltbarkeit und Reparatur-Bedürftigkeit. Dies kann auch dann wichtig werden, wenn Ihnen zwei unterschiedliche Segelgarderoben angeboten werden (Sie aber nur eine behalten wollen).
Segel altern je nach Material ganz unterschiedlich. Klassisches Polyestergewebe (Dacron) zum Beispiel verliert über die Jahre zwar zunehmend seine Form, ist aber sehr robust: Es kann Jahrzehnte überdauern, verliert jedoch nach etwa 10 Jahren sicht- und spürbar an Profil. Die deutlich teureren Laminatsegel (Mylar/Folien) behalten ihre ursprünglich guten Formwerte dagegen länger, versagen aber schlagartig durch Delaminierung, wenn sie zu stark gealtert sind. Ein stark ausgebeultes Dacron-Großsegel kann man also weniger „perfekt“ trimmen, es bleibt aber funktionstüchtig. Ein gerissener Laminat-Streifen hingegen bedeutet Totalschaden.
Auch moderne Membransegel (mit Carbon-, Aramid- oder Dyneema-Fasern) und Hochleistungstücher unterliegen Materialermüdung, sie altern zumeist schneller als Segel aus einfachem Gewebe. Besonders empfindlich sind leichte Nylon-Stoffe, wie sie bei Spinnaker und Gennaker verwendet werden. Die meisten Segelmacher weisen ausdrücklich darauf hin, dass Spinnaker-Gewirke sehr UV-empfindlich sind. Solche Segel dürfen keinen Schaden durch Schürfungen nehmen – ein Riss kann hier schnell groß, lang und fatal werden. Ebenfalls gefährdet ist ein feuchtes Segel jeder Art: Schon kleine Feuchtigkeitsreste führen zu „Spak“, kleinen schwarzen Schimmelflecken, die das Tuch (welcher Art auch immer) im Laufe der Zeit brüchig machen. Daher müssen Segel nach dem Törn aufgeschlagen und – wenn nass geworden – gründlich getrocknet werden. Ein Tipp: Vergessen Sie die „wir-lassen-das-Segel-im-Wind-flattern“-Methode. Dabei leiden Segel enorm.
Achten Sie demnach beim Begutachten Ihres neuen Bootes darauf, wo die Segel gelagert wurden oder erkundigen Sie sich danach, wenn die Segel bereits angeschlagen sind. Übrigens, wenn die Latten erst kurz vor dem Segelsetzen gespannt werden, könnte dies ein gutes Zeichen für sorgfältigen Umgang mit dem Segel sein. Denn ohne Spannung gelagerte Latten bleiben länger effektiv.
Übrigens, klassische UV-Schlauchpersenninge oder moderne UV-Versiegelungen verlängern die Lebensdauer eines Segels erheblich. Eine gelegentliche Frischwasserspülung ist ebenfalls sinnvoll – sowohl einfache Dacron-Segel als auch Laminatsegel profitieren davon. Besonders schonend macht man es dem Segel, wenn die Latten beim Lagern spannungsfrei stehen bleiben und das Tuch entspannt eingerollt wird.
Zu guter Letzt
Gehen Sie beim Gebrauchtbootkauf während Ihrer Bootsbesichtigung respektive -begutachtung keine Kompromisse ein. Zeit und Gelassenheit sind auch beim Segelcheck wichtige Aspekte, für die Sie selbst sorgen können. Wie erwähnt, sollten Sie jedoch nicht allzu kritisch im Detail werden. Denken Sie daran: Sie kaufen ein Gebrauchtboot mit gebrauchten Segeln. Verhandeln Sie in Bezug auf die Qualität der angebotenen Segel erst, wenn Sie deutliche Unterschiede zwischen Angebotstext und Ist-Zustand der Segel ausmachen.
Durchschnittliche Preise für Standardbeseglung einer 10m-Yacht (Dacron)
Segeltyp / Größe (ca.) /Preis (ca.)
- Großsegel (Dacron) / 25 m² / 1.200 – 2.000 €
- Genua / 25 m² -35 qm / 1.400 – 2.200 €
- Spinnaker (symmetrisch) / 40–60 m² / ca. 3.600 € (mit Furler)
- Spinnaker (asymmetrisch) / 40–60 m² / ca. 3.600 € (mit Furler)