Anmelden

Ratgeber für den Bootskauf7 min Lesezeit

Welches Boot ist das Richtige?

Tipps zur Auswahl eines geeigneten Bootes

Welches Boot ist das Richtige?
An einem Holzboot ist immer mehr zu machen als zunächst angenommen. © boot24.ch

Das Angebot gebrauchter Boote ist groß, die Vielfalt der Fabrikate und Bootstypen kaum zu überblicken. Ebenso die Baumaterialien: vom üblichen glasfaserverstärkten Kunststoff (GfK), den modernen Sandwichbau bis zu Holz, Stahl oder Aluminium – in unterschiedlicher Qualität. Wie Sie zu einer guten Entscheidung kommen.

Von Erdmann Braschos, veröffentlicht am 20.02.2019, aktualisiert am 21.10.2024

Das erwartet Sie in diesem Artikel
  • warum das Boot unbedingt zu Ihnen passen sollte
  • Tipps zur Klärung persönlicher Fragen
  • Pro und Contra günstiges Holzboot
  • Wegweiser durch den Dschungel der Möglichkeiten
  • ein Fragenkatalog für die ersten Weichenstellungen beim Bootskauf
  • die Zeit-Kosten-Schere auch beim Hobby Wassersport

Artikel vorlesen lassen

Holz, Stahl oder GfK?

Die Entscheidung für Kunststoff, Holz oder Metall hat weitreichende Konsequenzen für die Folgekosten. Deshalb orientieren Sie sich lieber nicht allein am vielleicht interessanten Kaufpreis. Auf lange Sicht zählen neben dem Kaufpreis die laufenden Kosten. Die und die Arbeit können sprichwörtlich zum Davonlaufen sein.

Ein lackiertes Holz-, Stahl- oder Aluminiumboot ist aufwendiger zu erhalten als eines aus Kunststoff (GfK ist die beste Wahl). Deshalb ist das pflegeintensive Boot günstiger, vor allem wenn länger nichts daran getan wurde. Ob die Vernachlässigung eher optischer und kosmetischer Natur ist oder bereits an die Substanz ging, ist auf den ersten und oft auch zweiten Blick schwer zu beurteilen. Das kann nur ein Bootsbauer einschätzen. Oft sieht aber selbst der Fachmann die Konsequenzen erst während der Sanierung, also wenn Sie das Boot bereits gekauft und sprichwörtlich «am Hals» haben.

Dennoch ist das günstige, sanierungsbedürftige Boot keine schlechte Wahl, sofern Sie die handwerklichen Voraussetzungen dazu mitbringen und auch Zeit für die Arbeit haben. Bedenken Sie die Zeit- und Kostenschere. Ein pflegeleichtes Kunststoffboot wird in der Anschaffung teurer sein als eines aus Holz oder Stahl, ist aber in der Regel sofort nutzbar und einfacher zu unterhalten.

Ihre persönliche Situation

Es ist wichtig, dass Sie Ihre persönliche Situation vor dem Bootskauf ehrlich einschätzen. Klären Sie daher folgende Fragen, und zwar wenn irgend möglich ohne zeitlichen Druck und Wunschdenken.

  • wie steht die Lebensgefährtin zur Anschaffung?
  • wird der anstehende Kauf bejaht oder zögernd geduldet?
  • Wird die Partnerin wirklich mitmachen und anpacken?
  • wie viel Aufmerksamkeit und Zeit lässt Ihr Arbeits- und Privatleben für das Boot absehbar zu?

Wenn Sie mit dem Beruf und Familie bereits ausgelastet sind, fahren Sie mit dem kostspieligeren, dafür pflegeleichteren Boot besser als mit der zunächst günstigen Dauerbaustelle. Sind Sie handwerklich geschickt, haben Zeit und einen Stellplatz für das Objekt in der Nähe, können Sie auch ein pflegeintensives Holzboot in Betracht ziehen. Wichtig dabei ist zu wissen, dass der Pflegeaufwand auf Dauer bleibt. Gleiches gilt für ein Stahlboot. Auch dieses Material ist regelmäßig zu konservieren. Wenn Sie das nicht selbst machen können oder wollen, werden Sie die Arbeiten machen lassen – und bezahlen müssen. Hinzu kommen die Planung und Arbeitsvorbereitung oder die Auswahl eines guten, termintreu arbeitenden Handwerkers, der das für Sie erledigt. Den müssen Sie erst mal finden.

Eine wahrlich orientierende Lektüre
Eine wahrlich orientierende Lektüre © Swedesail

Natürlich ist auch ein übliches Gfk-Boot nicht ganz wartungsfrei: Das verblichene Gelcoat eines Kunststoffbootes lässt sich mit vertretbarem Aufwand gelegentlich so aufpolieren, dass es gut aussieht. Vielleicht ist eine Osmosebehandlung (Osmose: Ruhig bleiben) oder Prävention nötig. Dieses Thema wird nach meiner Erfahrung allerdings hochgeredet. Mit der entsprechenden Verunsicherung der Bootseigner machen die Fachbetriebe ein gutes Geschäft.

Wichtiger als der Kaufpreis sind die Folgekosten, bestehend aus Arbeit und Ausgaben auf lange Sicht

Für die übliche Nutzung reicht ein Gfk-Boot. Stahl- oder Aluminium sind für den Langfahrtsegler interessant, der Törns mit Expeditionscharakter in Reviere plant, wo Kollisionen mit Treibgut oder Eis zu erwarten sind. Für den üblichen Freizeitgebrauch ist der Nutzwert im Heimatrevier wichtig: Wenn das Boot zur Balance von beruflicher Beanspruchung und erholsam schönen Stunden auf dem Wasser passt, haben Sie eine schöne Zeit an Bord.

Deshalb ist es wichtig, dass Sie sich über die tatsächliche, weniger die erträumte und realistische Nutzung des Bootes klar werden. Auch wenn das Boot oft als Platzhalter und Ticket zur Freiheit gesehen wird. Lesen Sie zum Thema auch diesen Beitrag, wo ich den Schieberegler zwischen Frust und Glück beschrieben habe. Den stellen Sie mit der richtigen Bootswahl selbst für sich und Ihre Familie ein.

Auch wenn die Auswahl eines bestimmten Bootstyps und Baumaterials eine Art Skipper-Weltanschauung ist. Nach meiner Beobachtung wird ein Holz, Aluminium- oder Stahlschiff bei üblicher Nutzung (am Wochenende und zum dreiwöchigen Sommertörn) auf Dauer zur Bürde. Ich beobachte in meinem Winterlager Nachbarn, die erheblichen Auswand zur Konservierung ihrer Stahl- und Aluschiffe treiben. Sie sind regelrecht Sklaven ihrer Schiffe. Lassen Sie sich nicht vom großen oder verlockenden Angebot verwirren. Suchen Sie ein Boot aus, das zu Ihren Verhältnissen und zur absehbaren Nutzung passt.

Buch zum Thema Holzboote

Sollten Sie mit einem Holzboot liebäugeln, empfehle ich das Buch des erfahrenen Bootsbauers und Gutachters Uwe Baykowski und Anna-Maria Frick. Hier bekommen Sie auf 159 Seiten eine ausgezeichnete Peilung, was mit einem Objekt aus dem zweifellos schönsten Bootsbaumaterial auf Sie zukommt. Ich empfehle speziell das Kapitel 5 zu den Themen Winterlager und Inspektion. Die 40 € sind bestens angelegt. Eine schöne Pflichtlektüre. Ein Holzboot am entfernten Liegeplatz geht nur, wenn Sie es von einem Bootsbauer oder einer ortsansässigen Werft pflegen lassen und die Rechnungen mit links bezahlen können. Ein Holzboot im Mittelmeer geht überhaupt nicht. Ich habe einfach zu viele Wracks im sonnigen Süden herumstehen stehen.

Blick ins Buch von Uwe Baykowski und Anne-Marie Frick
Blick ins Buch von Uwe Baykowski und Anne-Marie Frick © Swedesail

Das KIS-Prinzip

Achten Sie unbedingt auf die Ausstattung: Wozu sollten Sie sich mit selten genutzten Extras und kompliziertem Zubehör belasten, das nur Sinn ergibt, wenn Sie es erstens bedienen können und zweitens dauerhaft funktioniert? Sollten Sie nur gelegentlich am Bord sein, ist beides leider unwahrscheinlich.

Aus gutem Grund setzen erfahrene Nautiker auf das KIS-Prinzip: Keep it simple. Ihre unbedingt zu beherzigende Devise lautet: Was ich nicht habe, muss ich nicht putzen und reparieren. Wie schön ist es, wenn Sie stattdessen in der gewonnenen Zeit ablegen, wenn Sie Ihr Boot einfach nutzen. Das Sprichwort „Less is more“ erscheint vielleicht abgegriffen, trifft bei Booten unbedingt zu.

Viele Boote sind völlig überausgerüstet.
Viele Boote sind völlig überausgerüstet. © boot24.ch

Großes Boot zum kleinen Preis

Gerade große Gebrauchtboote sind im Vergleich zu kleineren relativ günstig. Ich bin regelmäßig baff, wie günstig große, einst unerschwingliche Yachten heute sind. Das gilt besonders für stattliche Motoryachten und durstige Gleiter.

Also Vorsicht! Mit dem Kauf allein ist es nicht getan. Denn mit der Größe steigen die laufenden Kosten für Versicherung, Liegegebühr, Instandhaltung, den Sprit und Reparaturen. Auch wenn der interessante Preis ein großes Gebrauchtboot erschwinglich macht: Entscheiden Sie sich auch deshalb für eine Bootsgröße, deren Betriebskosten zu Ihren persönlichen Verhältnissen passen.

Schauen Sie sich in diesem Zusammenhang unbedingt die Liegeplatz-Situation im absehbaren Revier an und auch dort, wo das Boot später einmal liegen soll.

Bei allem vorhandenen oder beschafften Sachverstand ist und bleibt der Kauf eines Bootes eine emotionale Entscheidung.

Es kann an die Substanz des Bootes gehen und sogar gefährlich werden, wenn laufende Arbeiten aus Kostengründen unterbleiben. Können Sie die laufenden Arbeiten an Bord selbst machen oder gibt es vor Ort bezahlbare Handwerker, die die laufende Wartung, Reparaturen und anstehende Überholungsarbeiten termintreu und so sorgfältig ausführen? Übliche Arbeiten an Bord einer mittelgroßen Motoryacht mit Liegeplatz Mittelmeer sind beispielsweise:

  • Jährliche Reinigung der Unterwasserschiffs. 2 x Travellift und ggf. zusätzliche Miete des Landstellplatzes für die Dauer der Arbeiten und natürlich die Arbeit selbst
  • Überprüfung und erforderlichenfalls Wechsel der Opferanoden am Getriebe, Welle, Propeller und Trimmklappen
  • Reinigung und Wartung des Bugstrahlruders (Antifouling, Anoden, Antifouling malen)
  • Austausch von Motoröl und Filtern, ebenso des Getriebeöls. Hier geht es nicht allein um die Betriebsstunden, sondern das Alter des Öls. Motoröl ist jährlich zu wechseln.
  • Instandhaltung und Reparaturen der sanitären Ausstattung, bestehend aus Borddurchlässen, Ventilen, Tüllen (Thema Auszinken), von Schläuchen und Pumpen, Toiletten, Spülen der Abwassertanks (Schwarz- und Grauwasser)
  • Erneuerung von Klappverdecken und Polstern
  • Erhalt, Reparaturen und Austausch der Ankerwinsch, des Kühlschrank-Kompressors, der Klimaanlage, Heizung, Bordtoiletten
  • Ob und absehbar wann eine teure Überholung der Motoren ansteht, lässt sich pauschal und von außen nicht sagen. Ein versierter Techniker kann das bei laufender Maschine anhand der Farbe des Abgases, mit Blick aufs Kühlwasser und in Kenntnis der zuvor gemachten Arbeiten ungefähr einschätzen.
  • Bootspflege wie Politur

Der übliche Aufwand zum Betrieb einer etwa 10 t verdrängenden Segelyacht aus pflegeleichten Kunststoff ist:

  • Wartung der automatischen Rettungswesten und 4-Personen Rettungsinsel, Abnahme der Gasanlage, turnusmäßiger Tausch des Druckminderers, der Bordnetz- und Anlasserbatterien.
  • Wechsel der Saildrive-Dichtmanschette alle 7 Jahre (gemäß vorgeschriebenem Intervall), Tausch der Anoden je nach Schwund, jährlicher Wechsel des Motoröls und Ölfilters sowie des Getriebeöls alle 2 Jahre.
  • Reinigung Unterwasserschiff, Anschleifen und Auffrischen des Antifouling, Politur des Bootes.

Hinzu kommen folgende laufenden Arbeiten:

  • neue Bordtoilette und WC Schläuche (etwa alle 8 Jahre) neue Schwarzwasserpumpe/Fäkalien (alle 5 Jahre, neue Pumpe für das Grauwasser wie Dusche (alle 10 Jahre)
  • neue Membran für die Handbilgenpumpe (alle 8 Jahre)
  • Austausch der elektrischen Bilgenpumpe (alle 10 Jahre
  • neue Frischwasserpumpe/Druckwasser für Dusche und Waschbecken (alle 15 Jahre)
  • neuer Kompressor, komplett neue Kühlbox mit Steuerung/Panel alle 25 Jahre
  • Reparatur oder neue Ankerwinsch je nach Gebrauch alle 5 - 10 Jahre
  • neue Polster (alle 15 Jahre)
  • neue Borddurchlässe und Seeventile je nach Ausführung 5 oder 15 Jahre nach Stapellauf

Hinzu kommen je nach Ausrüstung der Yacht der Ersatz des Teakdecks nach etwa 25 Jahren und der gelegentliche Kauf neuer Segel.

Weiterführende Links

VG