Kaufberatung11 min Lesezeit
Was ist beim Gebrauchtbootkauf zu beachten?
Einige grundsätzliche Gedanken und Tipps zum Gebrauchtbootkauf
Der Schieberegler zwischen Glück und Frust: Wer Geld für Spielzeug übrig hat, ist erfolgreich, vernünftig und zielorientiert. So gibt es zu Booten, Flugzeugen, Hubschraubern oder Pferden zwei klare Meinungen. Die erste heißt „niemals“, die zweite „unbedingt“.
Von Erdmann Braschos, veröffentlicht am 18.03.2020, aktualisiert am 05.01.2025
Das erwartet Sie in diesem Artikel
- was unmissverständlich gegen ein Boot spricht und warum es dennoch eine ausgezeichnete Entscheidung ist
- warum erst ein dauerhaft begeisterndes Boot sinnvoll ist
- wo interessante Gebrauchtboote zu finden sind
- über den irrationalen Mehrwert von Spielzeug
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Vom Bootsvirus befallen
Die erste Meinung lautet: Finger weg von allem, was schwimmt, fliegt oder wiehert. Das frisst Geld und Zeit. Nun ist der Mensch bekanntlich nicht bloß vernünftig. Ein komplett aus Kosten – Nutzen Erwägungen bestehendes Leben wäre fad und öde. Deshalb lautet die zweite Meinung. Wenn Sie können, träumen Sie nicht. Genießen Sie Ihr Leben auf eigenen Planken. Denn es ist zu wertvoll und zu kurz, um es ausschließlich vernünftig zu verbringen.
Wenn Sie nun von Bootsvirus befallen sind und das Geld dazu auf dem Konto schlummert, nur zu. Denn es gibt nichts Schöneres, als nach einer randvollen Arbeitswoche Freitagabend die Reisetasche am Steg vor dem Bug des eigenen Schiffes abzustellen. Spätestens jetzt bleibt der Stress achteraus. Ein Boot ist mehr als ein langweiliges Statussymbol, weit mehr als der emotionale Platzhalter für ein unbeschwert freies Leben. Es bietet den Schritt aus dem Alltag. Dieser wohltuende Schritt ist regelmäßig möglich.
Dieser Schritt gelingt fast jedes Mal, wenn ich das Gepäck über den Bugkorb hebe. Spätestens dann bin ich in einer anderen, der maritimen Welt. Sie ist mein zweites, oft auch das eigentliche Zuhause. Ein Blick auf beliebte bis amüsante Bootsnamen in den Häfen verrät, was andere Bootseigner mit ihren schwimmenden Untersätzen verbinden: «Auszeit», von Freiheit kündende Frauennamen, oft etwas von Passion bis zu «Männerpension» steht auf den Hecks vieler Boote (siehe auch Schiffe und ihre Namen: nomen est omen).
Entscheiden Sie sich also für ein Boot, das Sie dauerhaft begeistert
Seien Sie nicht kleinlich, wenn Sie mit einem Boot liebäugeln. Neben all den Vernunftgesichtspunkten, von denen gleich in gebotener Klarheit noch die Rede sein wird, sollte Ihnen das Boot so gefallen wie Ihr Partner, als Sie ihn das erste Mal sahen. Für mich ist ein Boot eine Affäre. Das klingt vielleicht kitschig und überzogen. Es ist jedoch wirklich so. Ich bin seit vielen Jahren mit einem ziemlich langen Schärenkreuzer unterwegs. Der Betrieb war, er ist und bleibt wohl weiterhin zwischendurch eine Fron. Sie bringt mich neben meiner eigentlichen Arbeit, dem Schreiben, regelmäßig ans Limit.
Doch immer, wenn ich das Geschoss im Winterlager über mir stehen sehe oder vor mir am Steg vertäut, werde ich schwach. Spätestens nach all dem Schleifen, Putzen, Polieren und Auftakeln im Frühjahr oder beim Ablegen am Samstagvormittag sind gelegentliche Zweifel an der ganzen Arbeit, an der eingesetzten Zeit, den Kosten und der gedanklichen Bindung ans Boot verflogen.
Entscheiden Sie sich für ein Boot, das Sie dauerhaft begeistert. Ein schönes Boot, ein elegantes, ein schnelles Gefährt, das Ihnen immer wieder die Sicherungen herausdreht. Der Gebrauchtbootmarkt bietet viele individuelle, interessante, spezielle, seltene, außergewöhnliche Boote, Exemplare, in die man sich je nach Budget, Prägung und sonstigen Rahmenbedingungen vergucken kann. Keiner meiner Freunde hat sich ein neues Boot auf der Bootsmesse oder beim Händler gekauft. Alle haben eine Weile gestöbert, haben verschiedene Boote angeschaut, ausprobiert und irgendwann zugegriffen. Ich fasse zusammen: Da ein Boot ohnehin keine vernünftige, sondern eine emotionale Geschichte ist, machen Sie keine halben Sachen.
So weit, so gut. Wie macht man nun mit einem unvernünftigen Boot ganze Sachen und lässt damit zugleich die Kirche im Dorf?
1. Kosten, Reparaturaufwand
Nach meiner langjährigen Erfahrung hängt an jedem Boot, ganz gleich, ob teuer & werftneu oder preiswert & reichlich gebraucht, automatisch eine Agenda an Nachbesserungen, Reparaturen und Pflege. Sehr selten kann man mit einem werftneuen Boot unbesorgt ablegen. Es gibt immer Kinderkrankheiten, die zu beheben sind. Dieser gravierende Unterschied beispielsweise zum Auto wird komplett übersehen. Planen Sie daher keinesfalls gleich nach der Übernahme eines werftneuen Bootes eine Urlaubsreise. Es geht schief und hinterlässt bei der Familie, Frau und Freunden eine üble Bremsspur. Sie wird Ihnen lange anhaften.
Die Übernahme eines gebrauchten Bootes hat den Vorteil, dass Sie es zunächst einmal nutzen können, sofern es weitgehend in Ordnung und zuvor auch tatsächlich in Betrieb war. Legen Sie gedanklich eine Art Schieberegler vor die Anschaffung eines Bootes. Am linken Ende ist das neuwertige oder kaum genutzte teure Markenerzeugnis, an dem abgesehen von Nachbesserungen nach der Übernahme die nächsten Jahre absehbar wenig zu tun ist. Am rechten Ende das günstige No-Name-Boot im fortgeschrittenen Alter, dessen Reparaturstau und Wartungsaufwand sich schlecht einschätzen lässt. Er ist garantiert höher, als Sie ihn mit einer realistischen bis pessimistisch angesetzten Schätzung eingestuft haben. Erinnern Sie sich bei der Gelegenheit am besten an die letzte Renovierung daheim oder die Beschäftigung von Handwerkern zu Hause. Der berühmte Faktor 3 reicht nicht.
2. Arbeit
Der größte Fehler, den Sie bei der Anschaffung eines Bootes machen können, ist die Annahme, es mache kaum Arbeit und könnte genutzt werden wie ein Auto oder eine Ferienwohnung. Wenn Sie Wert auf ein gepflegtes, funktionstüchtiges und ringsum sicheres Boot legen, müssen Sie es regelmäßig putzen, polieren und auch reparieren. Sie müssen die eingebaute Technik mindestens kennen und wissen, wie beispielsweise die Maschine stillzulegen oder frostsicher zu machen ist.
Sie benötigen handwerkliches Geschick und technisches Basiswissen. Nur wenn Sie Bastler sind, werden Sie mit einem gebrauchten, günstigen Boot glücklich. Sonst geben Sie sehr viel Geld aus und bleiben auf Dauer von Handwerkern abhängig. Wenn Sie diese Voraussetzungen nicht mitbringen, brauchen Sie richtig viel Geld, um diese Dinge an eine vertrauenswürdige Person zu delegieren.
3. Betriebskosten
Die übliche Annahme, wonach die jährlichen Betriebskosten bei zehn Prozent des Neupreises eines Bootes liegen, man das Boot also im Lauf von zehn Jahren bei gleichzeitigem Wertverlust noch einmal komplett bezahlt, ist nach meiner Erfahrung viel zu hoch gegriffen (siehe Was kostet das Boot über den Kauf hinaus?).
Derartig hohe Betriebskosten entstehen gewiss bei schnell und viel gefahrenen Motoryachten, bei Motor- und Segelyachten in gefragten Revieren mit enormen Liegegebühren und bei einer achtlosen Nutzung des Bootes, wo viel kaputtgeht, wenn beispielsweise die Besegelung unnötig der Sonne ausgesetzt bleibt.
Es ist eine Frage von Monaten, bis ungeschützte Foliensegel im UV-Licht hinüber sind. Es geht deutlich günstiger, wenn Sie das Boot geschickt ausrüsten, nicht dem erstbesten Segelmacher mit seinem Angebot leider kurzlebiger Hightech-Garderobe auf den Leim gehen und Ihr Boot nebst Ausrüstung pfleglich behandeln. Man kann die Maschine(n) einer Motoryacht mit einem kapitalen Motor oder Getriebeschaden mangels Kühlung oder Schmierung zügig ruinieren oder pfleglich behandelt jahrzehntelang fahren.
Der Schieberegler zwischen Glück und Frust
4. Baumaterial
Kostentreibend sind klar lackierte Rümpfe aus Holz und Aufbauten, die alle paar Jahre fachkundig aufzuarbeiten, sprich anzuschleifen und zu lackieren sind. Boote aus Stahl haben ebenso wie solche aus Aluminium unbestreitbare Vorteile, verlangen aber kontinuierliche Konservierung und Aufmerksamkeit (siehe Anoden nicht vergessen). Ungeachtet aller Polemik ist glasfaserverstärkter Kunststoff das beste Material für die übliche Nutzung. Man kann ein Gfk-Boot jahrzehntelang mit geringem bis vertretbarem Aufwand genießen, es auch mal vernachlässigen und zu gegebener Zeit wieder aufpolieren. Ein Teakdeck ist nach etwa 15 Jahren hin.
Der Austausch des Decksbelags teuer. Da kommen bereits bei einem Serienboot üblicher Größe mit überschaubar breiten seitlichen Laufdecks derzeit ohne weiteres zehntausend Euro zusammen. In südlichen Gefilden ist ein Teakdeck ohnehin Quatsch. Es wird so heiß, dass man barfuß nicht darauf stehen kann. In nördlichen, regenreichen Revieren verspakt es.
5. Liegeplatz & Tiefgang
Oft setzt die Boxenlänge und -breite im Hafen und der dortige Tiefgang ein Limit. In angesagten Clubs beispielsweise sind zugunsten des Regattasegelns nur bestimmte Bootstypen gern gesehen. So attraktiv das Platzangebot moderner Fahrtenkatamarane ist, so teuer bis unmöglich ist seine Unterbringung im Hafen. Wenn Sie Ihre kostbare Freizeit an Bord verbringen wollen, entscheiden Sie sich für das Revier in der Nähe. Es ist besser, sich regelmäßig mit einem kleinen Boot auf dem Baggersee, dem Fluss oder der Talsperre daheim zu erholen, als Geld für ein großes Boot im Mittelmeer auszugeben, das sich allenfalls ein- bis zweimal jährlich im Urlaub nutzen lässt.
6. Ausstattung & Wartung
Verzichten Sie auf teure und wartungsintensive Ausstattungen. Ein Hubkiel, eine Seewasserentsalzungsanlage, hydraulisch oder elektrisch betriebene Bug- und Heckstrahlruder, Motorwinschen, Segelrollanlagen, motorisierte Ankerwinschen sind alles feine Sache, solange sie funktionieren. Ebenso semiautomatisch bewegte Klappen für die Heckgarage und Badeplattformen, sofern sie gewartet wurden und es für die Komponenten noch Ersatzteile gibt. Sie kommen unterwegs auf See gerade an Bord großer Yachten mit entsprechender Abhängigkeit von der ganzen Technik in Teufels Küche, wenn etwas ausfällt. Es vergällt Ihnen die kostbare Urlaubszeit an Bord, wenn das Boot irgendwo still liegt und Sie auf Ersatzteile und den Monteur warten. Beherzigen Sie unbedingt das Keep it simple-Prinzip.
Der Grat zwischen Boot und Problem ist schmal
7. Standortvor- und nachteile
Mit einem gebrauchten Boot, das Sie im Mittelmeer oder der Karibik übernehmen, fangen die sonnig unbeschwerten Stunden theoretisch gleich an. In der Praxis ist es in den meisten Fällen leider so, dass das Boot und seine Technik im fernen Revier vernachlässigt wurde und Sie einen Wartungsstau schultern, der sich erst allmählich offenbart. Wie im sonstigen Leben auch steht sich selten genutzte Technik auf kurz oder lang kaputt. Wo immer Sie ein gebrauchtes Boot anschauen: Fragen Sie den Eigner nach Betriebsanleitungen und Wartungsplänen.
Gibt es die nicht und er verspricht Ihnen, die Unterlagen gleich nach Übernahme des Bootes zu schicken, wurde das Boot vernachlässigt. Der Grat zwischen Boot und Problem ist bedauerlicherweise schmal. Auch hier sollten Sie gedanklich den erwähnten Schieberegler vor das Boot legen. Links ist der Idealfall der unbesorgten Nutzung, rechts die Realität mit ausgefallenen Pumpen, weichen Batterien, vernachlässigter Maschine usw. Links steht Glück, rechts Frust.
Eine über Monate stillgelegte, wenige Wochen jährlich genutzte Yacht im Mittelmeer oder der Karibik steht sich sprichwörtlich kaputt. Die Abflüsse der Bordtoiletten verkalken, Pumpenmembranen und Schläuche werden alt, spröde und stinken, Seeventile korrodieren. Öffnen Sie mal eine 15 Jahre alte Whale Gusher Bilgenpumpe mit Alugehäuse, Niroschrauben und krummen Rückschlagklappen. Dann haben Sie eine Idee, was Sie an Bord erwartet - in mehrfacher Ausführung und immer neuen Varianten.
Ob und wie oft die Maschine in der Abwesenheit den Eigners auftragsgemäß angelassen wurde, verrät hoffentlich ein Blick auf den Betriebsstundenzähler, soweit es ihn an Bord gibt.
8. Crew und Revier
Ungeachtet des Trends zu immer größeren, luxuriös ausgestatteten und entsprechend schweren Booten, die auf dem Messestand zweifellos beeindrucken. Überlegen Sie einmal, mit wie vielen Personen an Bord Sie tatsächlich ablegen. Machen Sie sich als Ehepaar weder abhängig von kostspieliger Technik noch von Mitseglern oder bezahlter Crew. Gehen Sie lieber mit einem kleineren und entsprechend handlichen Boot auf Törn, das Sie bereits von der Größe und dem Gewicht her handhaben können. Segeln Sie mit einem Schiff, dessen Großsegel Sie bei Starkwind noch alleine bergen und zusammenlegen können.
Nach meiner Erfahrung sind etwa 50 Quadratmeter Großsegel ohne Rollanlage handhabbar. Zerstören Sie Ihren Traum von der gemeinsamen großen Yachtreise nicht mit einem unnötig großen, schweren und entsprechend unhandlichen Boot. Es ist toll und beeindruckend an Bord einer großen, unter Deck geräumigen Yacht mit Standheizung, Klimaanlage, fließend Warmwasser zu leben. Leider ist der Weg dahin steinig und lang, siehe den oben genannten Schieberegler.
Jedes Boot, auch das große, ist de facto Daysailer
Vor einigen Jahren besuchte ich einmal das angesehene Konstruktionsbüro Sparkman & Stephens, als es noch in der Madison Avenue in New York ansässig war. Dort erklärte mir der damalige Büroleiter Bill Langan: «Ganz gleich wie groß eine Yacht ist. Praktisch alle Schiffe sind Tagesausflugsboote. Man legt damit am Samstag- oder Sonntagmorgen ab und kehrt nachmittags wieder in den Hafen zurück. Das ist bei einem Dreißigmeterboot nicht anders als mit einem kleinen Sportboot.»
Die Bootsbranche lebt von den großen Booten. Da wird das Geld verdient. Doch müssen Sie sich diesen Gesichtspunkt ja nicht einreden lassen. Sie möchten vermutlich eine unvergesslich intensive, schöne, naturnahe Zeit auf dem Wasser. Darum geht es – jedenfalls für mich.
9. Probieren Sie ihr Traumschiff aus
Wenn Sie mit einem bestimmten Bootstyp liebäugeln, dann probieren Sie ihn gemeinsam mit Ihrer Familie mindestens einen Tag, ein Wochenende, besser noch eine Woche aus. Chartern Sie das Boot und schauen Sie, ob Sie damit klarkommen.
- wie lebt man an Bord? Ist es unter Deck an einem Regen- oder Sturmtag gemütlich?
- wie liegt es sich auf der Sonnenliege der Motoryacht vor der Flybridge?
- wie bequem lümmelt man auf den Korbstühlen des Achterdecks?
- wie manövriert sich die Motoryacht rückwärts?
- wie schnell treibt sie seitlich bei Wind ab?
- wie laut sind die Maschinen bei Reisegeschwindigkeit unter Deck, oben am Steuerstand und auf dem Achterdeck?
- wie lästig sind die Vibrationen?
- wie fühlt man sich bei schräg von achtern oder seitwärts rollender Dünung?
Das Geld, das Sie für die Miete des Bootes ausgeben, wird sich im Vergleich zu einem Fehlkauf als klug ausgegebenes Lehrgeld erweisen.
Wenn Sie mehr dazu wissen wollen, empfehlen wir Ihnen unseren Ratgeber für den Bootskauf. In zehn Kapiteln erfahren Sie alles zum Thema Bootskauf.
- Einleitung in das Thema Bootskauf
- Welches Boot ist das Richtige?
- Boot kaufen, wo suchen?
- Worauf achten beim Kauf?
- Was kostet das Boot über den Kauf hinaus?
- Die Formalitäten
- Boot gründlich angucken und Probefahren
- Der allgemeine Zustand des Bootes
- Haftung für etwaige Mängel
- Das Boot Ihrer Träume
Damit Sie sich auf eine Besichtigung vorbereiten können, empfehlen wir Ihnen unsere Checkliste für Gebrauchtboote.