Anmelden

Do-it-Yourself 9 min Lesezeit

Opferanoden nicht vergessen

Was Sie zu den kleinen grauen Dingern an Bord wissen sollten

Opferanoden nicht vergessen
Diese Anode zum Schutz eines Stahlschiffs ist unter Wasser leicht zu wechseln © Swedesail

Es ist wie beim Auto oder Haus: Wenn Sie ein Boot übernehmen, müssen Sie sich um Kleinigkeiten kümmern, von denen Sie noch nie gehört haben. Eine davon sind die unscheinbaren grauen Dinger, die an der Maschine, am Getriebe, an der Welle, am Propeller und am Unterwasserschiff montiert sind.

Von Erdmann Braschos, veröffentlicht am 13.06.2019, aktualisiert am 09.10.2024

Das erwartet Sie in diesem Artikel
  • was Sie über die kleinen grauen Dinger wissen sollten
  • wo sie überall an Bord versteckt sein können
  • wie Sie sich als Bootseigner damit vertraut machen
  • wann Anoden zu ersetzen sind und wann noch nicht
  • eigene Beobachtungen zum Materialschwund
  • wozu es Opferanoden aus Zink, Magnesium und Aluminium gibt
  • Tipps zur Montage am Saildrivegehäuse
  • Background eines Werkstoffkundlers der TH Aachen

Artikel vorlesen lassen

Rümpfe, Getriebeunterteile und Außenborder aus Aluminium, ebenso Propeller werden im Salz- und Brackwasser mit Zinkanoden geschützt. Im Süßwasser nimmt man Magnesium Anoden. Zur Orientierung der Hinweis, dass eine Magnesium Anode in 25° warmem Seewasser gerade mal ein Drittel der Lebensdauer einer Zinkanode hat. Achten Sie beim Gebrauchtbootkauf und Revierwechsel von einem Binnengewässer ans Meer oder umgekehrt daher auf dieses unscheinbare Detail. Sie ersparen sich damit Ärger und Kosten. Um den Wasserkontakt zu erhalten, werden Anoden nicht mit Antifouling übermalt.

Sie sind klein und sitzen dort, wo man sie selten sieht: unter Wasser vor dem Propeller und an der Propellernabe, am Getriebe oder Wellenbock, am Rumpf, Ruder oder Kiel. Oft sind die unscheinbaren grauen Dinger auch versteckt an der Maschine eingebaut oder im Seewasserkreislauf des Kühlaggregats, soweit der Kompressor seewassergekühlt ist. Wie viele Opferanoden es an Bord gibt, hängt vom Baumaterial, der Ausstattung des Bootes, Sorgfalt der Werft und des Voreigners ab.

Beim Stahl- oder Aluminiumboot gibt es einige, beim Kunststoffboot meist nur eine Anode am Getriebe und eine am Propeller. Es liegt nahe, dass diese Kleinigkeit bei der Übernahme eines gebrauchten Bootes übersehen wird. Siehe dazu auch die Checkliste für Gebrauchtboote. Das können Sie zunächst auch. Es sei denn, das Schiff lag bei Übernahme lange im Wasser und der frühere Eigner hat sich nicht darum gekümmert. Wahrscheinlich ist es so. Ganz einfach, weil ein Boot ein Gebrauchsgegenstand ist, den man in seiner kostbaren Freizeit unbesorgt nutzen möchte.

Fragen Sie den Verkäufer oder Voreigner am besten bei der Übernahme des Bootes danach. Ansonsten genügt ein Blick unter das aufgepallte Schiff. Liegt das Boot im Wasser, ist das Thema bei einem Tauchgang flott geklärt. Bereits ein flüchtiger Blick durch die Taucherbrille langt und Sie wissen, ob und wie sehr die Anode schon „abgebrutzelt“ ist.

Aber warum ist das so? Was passiert eigentlich am Propeller, am Wellenbock, Z-Trieb, an den Trimmklappen oder im Maschinenraum einer Motoryacht? Was geschieht bei der Segelyacht mit Einbaumaschine an der Maschine selbst, am Propeller, der Welle und ihrer Haltung außenbords, am Saildrive? Und warum ist bei Aluminiumrümpfen besondere Sorgfalt geboten?

Zwischen Metallteilen, die mit Wasser in Berührung kommen, fließen Ströme. Diese Kriechströme ergeben sich aus der unterschiedlichen Eigenspannung der Metalle. Das minderwertigere Metall wird „angegriffen“. Es „brutzelt“ langsam weg. Gibt es keine Anoden oder ist nichts mehr davon übrig, werden ein ungeschützter Aluminiumrumpf, Propeller, ein Wellenbock oder das Getriebe derart vom Lochfraß angegriffen, dass es zum teuren Schaden kommen kann. Ein Aluminiumboot kann deshalb untergehen. Eine genauere Erklärung dazu finden Sie von einem Materialkundler der TH Aachen am Schluss dieses Beitrags.

Um ein Fünftel abgebrutzelte und neue Anode zum Schutz eines Saildrive
Um ein Fünftel abgebrutzelte und neue Anode zum Schutz eines Saildrive © Swedesail

Der Z-Antrieb eines Motorbootes oder das Alugehäuse des Saildrive-Getriebes können unter Wasser so weit beschädigt werden, dass es zur Leckage kommt. Liegt das Boot im Mittelmeer, fällt der Urlaubstörn aus, weil sich solch ein Schaden selten ohne weiteres beheben lässt. Vom Schrecken und den Kosten für den Krantermin, Aus- und Einbau, nicht zuletzt das zerstörte Getriebegehäuse selbst, ganz zu schweigen.

Das beschädigte Teil muss beschafft und eingebaut werden. Auch wenn es gut läuft und der Händler oder der örtliche Monteur das passende Zubehör ohne Verzögerungen rasch bekommt, kann es Tage dauern, bis das Boot wieder einsatzbereit ist. Je nach Location und Andrang in der Saison ist es schwierig, überhaupt einen Krantermin zu bekommen. Auch benötigt die Marina Platz, um das Boot an Land abzustellen.

Machen Sie sich mit den kleinen grauen Dingern an Bord vertraut

Das Tückische an der Sache: ob es zum Lochfraß kommt, wo und wie schnell er voranschreitet, bekommt man an Bord nicht mit. Wie funktioniert nun so eine Anode? Um das Boot, Getriebe und die Maschine zu schützen, ist am gefährdeten Metall ein minderwertigeres Metall montiert, die sogenannte Opferanode. Wenn sich jetzt dieses Teil anstelle des Rumpfes oder Getriebes stetig in Wohlgefallen auflöst, macht das nichts, sofern Sie wissen, dass es so was überhaupt an Bord gibt, wie viele Anoden wo montiert sind, und das Ding rechtzeitig ersetzt wird.

Motoryachten aus Gfk haben Anoden außenbords üblicherweise am Z-Trieb oder auf der Welle, am Propeller und den Trimmklappen sitzen. Ob es im Maschinenraum weitere Anoden gibt, hängt von der Maschine ab. Ein Blick ins Handbuch schafft Klarheit. Bei der üblichen Motorinstallation einer Segelyacht sind das Getriebe und der Propeller jeweils separat geschützt. Weitere Anoden können am Wärmetauscher der seewassergekühlten Kühlbox sitzen. Die Kühlung über das Seewasser ist bei Yachten, die in warmen Revieren wie Mittelmeer oder Karibik laufen, üblich.

Ob Sie nun ein neues oder gebrauchtes Boot übernehmen. Fragen Sie die Werft, den Verkäufer oder Voreigner danach. Es sollte in der Betriebsanleitung zum Boot und zur Maschine stehen. Fehlen diese Unterlagen, beschaffen Sie sich das Manual zum Motor und Getriebe bei nächster Gelegenheit. Diese Kleinigkeit lässt sich meist per Mausklick zu Hause erledigen. Manche Motor- und Getriebekombinationen haben nicht nur eine Anode außen am Z-Trieb/Saildrive genauer gesagt an der Welle vor dem Propeller, sondern auch an der Maschine selbst, meist am Wärmetauscher der Kühlung.

Deshalb lohnt es, sich bald mit der Maschine vertraut zu machen. Ein Blick ins Handbuch zeigt, wo die Anode angebracht ist. Notieren Sie sich die Bestellnummern der entsprechenden Anoden, bestellen die Verschleißteile (dazu einen Satz extra als Vorrat) und legen Sie sie ins Schapp zu den Motorersatzteilen, wo Sie Keilriemen, Motor- und Getriebeöl und Ölfilter parat haben.

Wenn Sie keine Lust zum Studium der Handbücher haben, wenden Sie sich einfach an die Motorvertretung oder den Bootshändler Ihres Vertrauens. Der lebt vom Ersatzteilverkauf und wird Ihnen die Teile flott nennen.

Das Saildrive-Getriebe ist aus empfindlichem Aluminium und vor Lochfraß zu schützen
Das Saildrive-Getriebe ist aus empfindlichem Aluminium und vor Lochfraß zu schützen © Swedesail

Die Anoden müssen zum Außenborder, Z-Trieb oder Saildrive passen. Fahrtensegler, die unterwegs aus guten Gründen unabhängig sein möchten, haben an Bord ein Fach mit üblichen Ersatzteilen und Spezialwerkzeugen. Da gehören bei langen Reisen besser zwei oder drei neue Anoden rein. Denn Opferanoden sind Verschleißteile. Wie schnell sie weg brutzeln, hängt vom Boot, vom Gewässer, dem Liegeplatz und den Kriechströmen ab. Letztere nehmen entsprechend der zunehmenden Technisierung von Yachten zu.

angefressene Anoden müssen nicht gleich gewechselt werden

Übrigens müssen die Anoden nicht so schnell gewechselt werden, wie allgemein behauptet wird. Im Vergleich zum Neuteil auf dem obigen Foto sieht die angefressene Anode meines Volvo Penta Saildrive zwar schlimm aus. Um zu verstehen, wie groß der Materialschwund tatsächlich ist, habe ich die gebrauchte Anode interessehalber mal gewogen. Bei der gebrauchten Anode, die neu 940 Gramm wiegt, waren gerade mal 22 % verschwunden. Nach optischen Gesichtspunkten wäre die Anode sofort zu wechseln. Bei absehbar halbjähriger Nutzung des Bootes im Wasser nicht. Die Hersteller und Händler verdienen an der Angst und Unwissenheit ihrer Kundschaft. Ich habe die Anode also wieder montiert. Beim Auswassern im Herbst 23 65 Prozent und Herbst 24 waren noch 63 % da. Bei überschaubaren Wasserliegezeiten in der Ostsee verschwinden bei mir an Bord jährlich um die 200 Gramm.

Die moderne Segelyacht hat zwei Anoden: Eine am Saildrive und eine an der Propellernabe
Die moderne Segelyacht hat zwei Anoden: Eine am Saildrive und eine an der Propellernabe © Swedesail

Bootsausrüster, die das Zubehör verkaufen, behaupten Opferanoden müssten jede Saison gewechselt werden. Ich halte das für übertrieben. Sehen Sie sich die Anoden gelegentlich an, schnappen sich beim Stopp in der Badebucht die Taucherbrille, siehe dazu den Beitrag mit Taucherbrille und Pfannenwender und gucken, wie viel Material noch da ist. Handwerklich geschickte Eigner wechseln die Anode auch unter Wasser.

Das braucht zwar mehrere Tauchgänge, geht aber. Am besten machen Sie es zu zweit, wobei einer den Propeller hält, abnimmt und später bei der abschließenden Montage beim Kontern hilft. Suchen Sie sich dazu eine flache Bucht mit Sandboden aus, wo abrutschendes Werkzeug oder wertvolle Teile auf dem Grund finden lässt. Es ist allemal günstiger, die Anoden im Wasser zu wechseln, als dafür einen teuren Travellift zu buchen.

Auch die Beschäftigung eines Tauchers mit Pressluftflasche ist günstiger. Den Propeller sollten Sie mit gekonterten Muttern oder anderweitigen Sicherungen selbst montieren oder den sicheren Sitz abschließend selbst prüfen. Das gilt besonders für teure Verstellpropeller und Drehflügler. Peinlich, aber wahr: ich habe in meinem Seglerleben bereits zwei Propeller wegen Murks verloren. Einen an der spanischen Costa Blanca. Der Zweite liegt wohl zwischen Bocca di Magra und Viareggio an der ligurischen Küste.

Wird das Boot den Winter über aus dem Wasser genommen, ist die Prüfung an Land vergleichsweise bequem und flott gemacht. Eine Anode, die lediglich angegriffen ist, muss nicht gewechselt werden. Ich wechsele erst, wenn richtig was weg ist. Nach meiner Beobachtung hält eine Anode, die wenige Monate jährlich im Wasser ist, mehrere Jahre.

Die oben gezeigte Anode an einem Stahlschiff ist leicht zugänglich und lässt sich in wenigen Tauchgängen in der Ankerbucht wechseln. Diese Variante spart teure Krantermine.

Ich hatte vor Jahren nach längerem Betrieb des Bootes im Wasser mal beim Ausbau einer alten Anode Schwierigkeiten, deren Edelstahlschrauben im Aluminium des Saildrive fest gebacken waren. Die Schraubenstümpfe mussten in einer Werkstatt ausgebohrt werden. Es wurden größere M8 statt M6 Schrauben in neu geschnittene Gewinde eingesetzt. Die Anoden zum Schutz des Saildrive sind mit Inbusschrauben montiert. Versierte Mechaniker drehen die Stümpfe abgerissener Schraubenköpfe mit einem Spezialwerkzeug, Geduld und Spucke raus.

Das Beispiel zeigt nach meiner Beobachtung stellvertretend für viele „Routinejobs“ an Bord: Es ist besser, sich mit solchen eigentlich einfachen Sachen rechtzeitig im Herbst zu beschäftigen als kurz vor dem Krantermin im Frühjahr ins Schwitzen zu kommen. Ist das Boot länger unterwegs, empfiehlt es sich, die Gewinde der Niroschrauben im Alu des Saildrivegehäuses mit Molykote oder einer ähnlichen Paste zu schützen. Da lassen sich die Schrauben auch nach Jahren noch lösen. Ich habe neulich die Schrauben aus dem Getriebeunterteil meines Saildrive problemlos gelöst, weil ich die Gewinde vor Jahre mit Paste behandelt hatte.

Zinkanoden enthalten einen kleinen Prozentsatz des giftigen Schwermetalls Cadmium (Cd). Die Alternative sind bei Stahlschiffen Aluminiumanoden. Sie sind langlebiger und beim Betrieb in Brackwasser und beim Mischbetrieb in Salz- und Süßwasser empfehlenswert.

Zu Stahl- oder Aluschiffen orientieren folgende Hinweise zu den dem Wasser ausgesetzten Metalloberflächen in Quadratmetern zum circa Gewicht der Zinkanode in Kilogramm:

  • 5 bis 10 qm circa 5,5 kg
  • 10 bis 20 qm circa 9,5 kg
  • 20 bis 30 qm circa 18,0 kg
  • 30 bis 40 qm circa 20,0 kg
  • 40 bis 50 qm circa 25,0 kg

Sollte sich an der Anode Ihres Bootes über einen längeren Zeitraum nichts tun, sollten Sie der Sache nachgehen. Es ist unwahrscheinlich, dass keine Ströme fließen und nichts weg brutzelt. Wahrscheinlich passiert es irgendwo im Verborgenen, an der Maschine oder am Getriebe und Sie entdecken eines Tages überraschend woanders teuren Schwund.

Abschließend Tipps, wo Anoden üblicherweise eingebaut sind

  • an den Trimmklappen der Motoryacht
  • am Z-Trieb der Motoryacht
  • an den Ruderblättern (bei der Motoryacht oder Motorsegler)
  • am Wärmetauscher der Maschine
  • u. U auch am Abgasrohr
  • am Wärmetauscher Seewasser gekühlter Kühlschränke/Eisboxen
  • am Getriebe (Saildrivegehäuse) moderner Segelyachten
  • je nach Bauart am Bugstrahlruder
  • beim Außenborder je nach Hersteller in verschiedenen Versionen
  • bei Alu- und Stahlyachten am Rumpf

Was bei der elektrochemischen Korrosion im Wasser passiert

Einzelheiten dazu von Prof. Ingold Seidl aus dem Fachbereich Maschinenbau und Mechatronik, Lehrgebiet Werkstoffkunde der TH Aachen: Es gibt drei Korrosionsarten: die elektrochemische Korrosion, die chemische Korrosion und die metallphysikalische Korrosion. Von diesen drei kommt die elektrochemische Korrosion am meisten vor, zum Beispiel das Rosten unlegierter Stähle.


Ein Metall löst sich in einem flüssigem, elektrisch leitfähigen Medium auf. Es wird dabei von diesem Oxidationsmittel aufgelöst. Das ist mit einem Elektronenfluss verbunden. Elektrischer Strom fließt, wie in einer galvanischen Zelle, umgangssprachlich als „Batterie“ bekannt. Metallatome geben an der Oberfläche Elektronen ab und werden dadurch positiv geladen. Diese Elektronen fehlen dann zur Elektroneutralität. Daher bleibt ohne diese Elektronen eine positive Ladung zurück. Das Atom wird dadurch zum Ion. Ionen sind positive oder negativ geladene Atome. Es gibt Anionen und Kationen. Fehlen Elektronen, ist die Gesamtladung positiv, was als Anion bezeichnet wird. Das Elektrodenpotential führt zu einer chemischen Reaktion, die eine elektrische Spannung erzeugt.


Es erfolgt eine Umwandlung der chemischen Energie in elektrische Energie, auch als galvanisches Element bezeichnet. Eine solche Zelle kann aus einer Zinkelektrode und einer Eisenelektrode bestehen (zum Beispiel ein Stahlrumpf mit einer Opferanode aus Zink). Daher fließen die Elektronen vom unedleren Zink in Richtung Eisen. Zink ist die Anode und korrodiert, während Eisen zur Kathode wird.


Bei definierten Bedingungen lässt sich die Zellspannung als Differenz der beiden Elektrodenpotentiale messen und als gibt elektrochemische Spannungsreihe in einer „Tabelle“, in der die Potenzialdifferenz gegenüber der Standard-Wasserstoffelektrode angegeben ist. Das Standardpotential von Wasserstoff beträgt darin Null Volt. Die in dieser Spannungsreihe weiter oben stehenden Metalle sind edler als die weiter unten stehenden. Wenn nun zwei Metalle ein Korrosionssystem bilden, wird das weiter unten stehende Metall zur Anode. Das wird gezielt zum Schutz eines Schiffes und seiner Einbauten wie beispielsweise Getriebegehäuse oder Innenbords montierter Wärmetauscher mit Wasserkontakt genutzt.

Weiterführende Links

VG