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Die Namen der See

Warum heissen Meere und Ozeane so, wie sie heissen?

Die Namen der See
Karte des "Schwarzen Meeres" von Abraham Ortelius (1527-1598) © vintage-maps.com

Das Weltmeer hat viele Gesichter – und ebenso viele Namen. Manche wirken selbstverständlich, fast technisch; andere klingen geheimnisvoll oder poetisch. Doch hinter (fast) jedem dieser Namen liegt eine Spur, die weit zurückführt: in die Zeit der frühen Seefahrer, Händler und Mythenerzähler.

veröffentlicht am 21.10.2025

Das erwartet Sie in diesem Artikel
  • Geschichten auf den Wellen – Entdecken Sie, wie Meere und Ozeane ihre Namen erhielten.
  • Mythen, die das Wasser schreiben – Von Atlantis bis Moananuiākea, Legenden in den Namen der Meere.
  • Farben, Richtungen, Kompasse – alte Kulturen fanden Orientierung und Bedeutung im Blau der Wellen.
  • Politik auf hoher See – wie Namen Macht, Einfluss und nationale Perspektiven spiegeln.
  • Wissenschaft trifft Legende – Naturphänomene, Klima und besondere Eigenschaften hinter den Namen.

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Namen für die immensen Wasserflächen unseres (aus der Ferne betrachtet) „blauen Planeten“ dienten nie ausschliesslich der Orientierung. Sie waren Beschreibungen, Deutungen, Legenden. Subjektiv ausgewählt, sollen die folgenden Beispiele zeigen, dass die Namensgebung der Ozeane und Meere interessante bis faszinierende Geschichten über die Beziehung der Menschheit zur See, auf der sie segeln und fahren, wiedergeben. Wobei es sich von selbst versteht, dass ein Anspruch auf Vollständigkeit aussichtslos wäre. Denn im Auf und Ab der Menschheitsgeschichte sind Namen und Bedeutungen so vergänglich wie Schaumkronen auf den Wellen der Ozeane. Jüngstes Beispiel: Der Einfall des US-Präsidenten, den Golf von Mexiko in den Golf von Amerika umzubenennen. Noch kein völkerrechtlich anfechtbarer, territorialer Machtanspruch – jedoch ein Ausdruck nationalen Grössenwahns (siehe hierzu unseren Artikel: Golf von … was?)

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Atlantik – der Ozean des Atlas

Sein Name klingt nach Kraft und Mythos – und das ist kein Zufall. Die „alten“ Griechen glaubten, jenseits der Säulen des Herakles/Herkules (heutiger Name: Gibraltar) beginne das „Meer des Atlas“. Der Titan Atlas sollte die Himmelskugel tragen. Und stand sinnbildlich für den äussersten Westen der damals bekannten Welt. Erst viel später wurde der Atlantische Ozean zum Symbol für Entdeckung, Handel und das Überschreiten von Grenzen. Die ältesten bekannten Erwähnungen eines "atlantischen" Meeres stammen von Stesichorus um Mitte des sechsten Jahrhunderts v. Chr.: Atlantikôi pelágei, etymologisch "Meer des Atlas" und in den Historien des Herodot um 450 v. Chr.: Atlantis thalassa, wobei sich der Name auf "das Meer jenseits der Säulen des Herkules" bezieht.

Später bezog sich der Begriff "Atlantik" auf das Atlasgebirge in Marokko und das Meer vor der Strasse von Gibraltar und der westafrikanischen Küste. Der Name wurde seit etwa 1600 auf den Ozean zwischen Europa und Afrika auf der einen Seite und Amerika auf der anderen erweitert.
Der Begriff "Äthiopischer Ozean", abgeleitet vom antiken Äthiopien, wurde bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts auf den südlichen Atlantik angewendet. Während des Zeitalters der Entdeckungen war der Atlantik den englischen Kartografen auch als "Great Western Ocean" bekannt.
Übrigens, Platon schrieb in den Dialogen Timaios und Kritias im 4. Jahrhundert v. Chr. von einem riesigen Kontinent, der in einem einzigen Tag und einer Nacht unter den Wellen versank – das mythische Atlantis.

Mittelmeer – die See zwischen den Ländern

Das Mittelmeer war für die Römer das Zentrum der bekannten Welt. Wörtlich: „das Meer in der Mitte der Länder“. Es verband Kontinente, Kulturen und Religionen – und trennte sie zugleich. Weitere römische Bezeichnungen: Mare Magnum ("Grosses Meer") oder Mare Internum ("Inneres Meer") und, beginnend mit dem Römischen Reich, Mare Nostrum ("Unser Meer“).
In alten syrischen Texten, phönizischen Epen und in der Hebräischen Bibel war es hauptsächlich als das "Grosse Meer“ bekannt. Es wurde jedoch auch das „Hintere Meer“ genannt, wegen seiner Lage an der Westküste der Region Syrien oder des Heiligen Landes (und daher hinter einer Person, die nach Osten blickt), was manchmal als "Westliches Meer" übersetzt wird. Ein anderer Name war das "Meer der Philister".

Im modernen Hebräisch wird das heutige Mittelmeer als HaTikhon bezeichnet, "das Mittlere Meer". Die alten Griechen nannten das Mittelmeer einfach hē thálassa "die See“, mitunter abgewandelt in „unsere See“ oder die „grosse See“. Als Augustus das Römische Reich gründete, begann das Mittelmeer von den Römern Mare Nostrum (Lateinisch: "Unser Meer“) genannt zu werden. Ihr Reich konzentrierte sich auf dieses Meer und das gesamte Gebiet war voller Handel und Marineentwicklung. Zum ersten Mal in der Geschichte war ein ganzes Meer – also das Mittelmeer – weitgehend frei von Piraterie. Für mehrere Jahrhunderte war das Mittelmeer die "Römischer See", auf allen Seiten vom Imperium umgeben. Übrigens: In Türkisch wird das Mittelmeer mit Akdeniz (das „weisse Meer“) bezeichnet. Weiss, weil es westlich liegt …

Schwarzes Meer – Dunkel, gefährlich – nördlich?

Bleiben wir noch ein wenig bei dem einst vorherrschenden Farbkompass alter Kulturen. Viele alte Völker ordneten den Himmelsrichtungen Farben zu. Diese Farben hatten symbolische, mythologische und kosmologische Bedeutungen. Das wohl bekannteste System stammt aus der iranisch-türkischen Weltanschauung: Der heutige Name des Schwarzen Meeres geht auf alte iranische und osmanische Sprachräume zurück. „Schwarz“ stand in vielen Kulturen für die Himmelsrichtung Norden. „Weiss“ stand für den Westen, „Rot“ für den Süden und „Blau“, mitunter „Grün“, stand für den Osten. Bis in die frühen chinesischen Dynastien lässt sich dieser Farbenkompass zurückverfolgen. Doch es gibt noch eine weitere Lesart: In griechischen Quellen hiess das Meer zunächst Pontos Áxeinos – das „unfreundliche Meer“. Auch weil von dort unbekannte, als gefährlich geltende Völker mit Angriffen drohten. Erst später wandelte sich der Name zu Euxinos Pontos, dem „gastfreundlichen Meer“. Politisch motiviert? Oder wollte man einfach ein allzu schlechtes Omen in freundlichere Richtungen drehen?
Auf manchen alten Karten wurde das Schwarze Meer auch „Meer der Skythen“ genannt – nach den Reitervölkern, die an seinen Ufern lebten.

Schwarzes Meer – selten schwarz © pixabay penelope
Schwarzes Meer – selten schwarz © pixabay penelope

Eine populäre Vermutung leitet "Schwarzes Meer" von der dunklen Farbe des Wassers oder klimatischen Bedingungen ab. Das wird von der modernen Wissenschaft im gewissen Sinne gestützt: In der Meeresforschung wird angenommen, dass das Schwarze Meer seinen Namen wegen seiner Schwefelwasserstoffschicht erhalten hat, die etwa 200 Meter unter der Oberfläche beginnt und eine einzigartige mikrobielle Population unterstützt, die schwarze Sedimente produziert. Wie auch immer – die Herkunft des Namens "Schwarzes Meer" ist eine der faszinierendsten und umstrittensten in der maritimen Namenslehre.

Rotes Meer – Algen, Richtung oder Herrschaft?

Also dürfte der Name Rotes Meer logischerweise aufgrund des einst gebräuchlichen Farbenkompasses rasch erklärt sein: Das Meer im Süden antiker Kulturen des Nahen Ostens? (siehe oben). Eine mögliche, aber nicht zwingende Antwort. Denn der heutige englische Name "Red Sea" ist eine direkte Übersetzung des altgriechischen "Erythra Thalassa". Die Römer nannten es Mare Rubrum auf Lateinisch (alternativ Sinus Arabicus, wörtlich "Arabischer Golf") und Pontus Herculis (Meer des Herkules). Der hebräische Name ist seit Jahrhunderten Yam Suph, was "Meer der Schilfrohre" oder „Schilfmeer“ bedeutet, höchstwahrscheinlich wegen der häufigen Schilfrohre im Golf von Suez. Eine populärwissenschaftliche Hypothese besagt zudem, dass das Rote Meer ein Cyanobakterium namens Trichodesmium erythraeum enthält, das das normalerweise blau-grüne Wasser rötlich-braun färbt. Was jedoch nur an wenigen Stellen des Roten Meeres zu beobachten ist.

Indischer Ozean – wo sich Welten kreuzen

Der Indische Ozean ist der einzige Ozean, der nach einem Land benannt ist, was die einstige historische und geografische Bedeutung des indischen Subkontinents unterstreicht. Die früheste dokumentierte Verwendung des Namens (in Europa) geht auf 1515 zurück. Doch schon Jahrtausende zuvor war das Meer Schauplatz globalen Austauschs. Sein Name erinnert an den Kontinent, der einst das wirtschaftliche und geistige Zentrum der Alten Welt war – und an ein Meer, das Handelsrouten, Gewürze und Glaubensrichtungen verband. Der Hindi-Name für den Ozean ist bezeichnenderweise „Ozean von Indien“. Umgekehrt nannten ihn chinesische Entdecker (z.B. Zheng He während der Ming-Dynastie, der im 15. Jahrhundert in den Indischen Ozean reiste), den “Westlichen Ozean“. Und in der Neuzeit wurde und wird gelegentlich der Name Afro-Asiatischer Ozean verwendet.

Pazifischer Ozean oder Stiller Ozean – Das vermeintlich friedliche Meer

Der portugiesische Seefahrer Ferdinand Magellan, 1520 im Dienste Spaniens auf der Suche nach einem westlichen Seeweg zu den Gewürzinseln, "entdeckte" nach Passieren der (später nach ihm benannten) Wasserstrasse im Südosten des heutigen Chiles einen friedlich vor ihm liegenden Ozean. Das Wasser sei ruhig und entspannt, notierte er damals im Logbuch. Daher nannte er das Gewässer „Mar Pacífico“, was sowohl auf Portugiesisch als auch auf Spanisch "friedliche See" bedeutet. Im Deutschen Sprachgebrauch wurde aus dem „friedlich“ ein „still“, was eigentlich dem ersten Eindruck Magellans besser entspricht. Doch wie heute allgemein bekannt, ist der Name eine Art Ironie des Schicksals. Denn nur an wenigen Tagen im Jahr herrschen am westlichen Ausgang der Magellanstrasse tatsächlich ruhige Bedingungen.

Hawaii im Pazifik © hmmunoz512 auf Pixabay
Hawaii im Pazifik © hmmunoz512 auf Pixabay

Vor Magellan hatten längst andere Zivilisationen diese vermeintlich ruhige See befahren und mit Namen versehen. Hawaiianer verwenden den Begriff Moananuiākea, um das Gewässer zu bezeichnen, das wir als Pazifik kennen. Übersetzt bedeutet der Name „das grosse weite Meer“. Moananuiākea beschreibt nicht nur die physische Grösse des Pazifiks, sondern auch seine allumfassende, verbindende Natur – das Meer, das die Inseln und Völker Polynesiens miteinander verbindet.Der Māori-Name (Ur-Einwohner Neuseelands) ist – wie die beiden Völker – eng verwandt: Te Moana Nui a Kiwa.

Arktischer Ozean – der Bär im Norden

„Arktis“ kommt vom griechischen „arktikos“ – „zum Bären gehörig“. Gemeint sind die Sternbilder Grosser und Kleiner Bär (Ursa Major, Ursa Minor), die den Nordhimmel dominieren. In der Verlängerung der „Deichsel“ des Grossen Wagens liegt der Polarstern oder Polaris – Orientierungspunkt für Generationen von Seeleuten. Polaris liegt dabei nahe der Himmelsnordachse – also fast genau über dem geografischen Nordpol. So trägt der nördlichste Ozean der Erde seinen Namen nach Sternen, nicht nach Land.

Südlicher Ozean (Antarktischer Ozean) – der jüngste Name

Der Südliche Ozean, auch bekannt als Antarktischer Ozean, umfasst die südlichsten Gewässer des Weltozeans, im Allgemeinen südlich von 60° S Breitengrad angenommen und die Antarktis umkreisend. Kapitän James Cook war der Erste, der ihn benannte: Im Februar 1775 schrieb er, während er über einen noch unbestätigten Polarkontinent am Ende der Welt sinnierte: "Ich glaube fest daran, dass es ein Landstück in der Nähe des Pols gibt, das die Quelle des meisten Eises ist, das über diesen riesigen Südlichen Ozean verbreitet ist.“ Der Südliche Ozean wurde 2021 offiziell als ein eigenständiges Ozeanbecken von der National Geographic Society anerkannt – im Gegensatz zu den verschwommenen südlichen Sektoren des Atlantischen, Pazifischen und Indischen Ozeans.

Der Südliche Ozean © Apcbg/Wikipedia
Der Südliche Ozean © Apcbg/Wikipedia

Obwohl andere Autoritäten, einschliesslich der U.S. National Oceanic & Atmospheric Administration, ihn früher formalisiert hatten. Der Name, der dem Kontinent gegeben wird, stammt vom Wort "antarctic", das aus dem Mittelfranzösischen "antartique" oder "antarctique" ("Gegenteil zur Arktis") stammt und wiederum vom Lateinischen "antarcticus" ("Gegenteil zum Norden“). Das Wort "anta" ist synonym mit "anti", was „entgegengesetzt“ bedeutet: Übersetzt heisst Antarktis also "entgegengesetzter Bär“.

Ostsee und Nordsee – Himmelsrichtungen als Wegweiser

Die Namen „Ostsee“ und „Nordsee“ wirken selbstverständlich, verraten aber viel über die Sichtweise ihrer Namensgeber. So wurde die Nordsee schlicht nach Norden benannt – nördlich des europäischen Festlands gelegen, von der deutschen, niederländischen und dänischen Küste aus gesehen. Früher nannten Römer und Kartografen sie „Mare Germanicum“, der heutige Name setzte sich jedoch bereits im Mittelalter durch.
Folgerichtig ist die Ostsee oder das „Ost-Meer“, aus Sicht der Germanen und Schweden, östlich gelegen. In anderen Sprachen wird die Ostsee ähnlich bezeichnet: Englisch Baltic Sea, Schwedisch Östersjön. Historisch gab es auch den lateinischen Begriff Mare Balticum („Meer der Balten“), der heute vorwiegend in wissenschaftlicher Literatur auftaucht. Anders als etwa beim Schwarzen oder Roten Meer spielt bei Nord- und Ostsee keine Symbolik oder Farbzuordnung eine Rolle. Ihre Namen sind praktisch-deskriptiv, Orientierungshilfen für die Menschen, die an ihren Ufern lebten und leben.

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Der Südliche Ozean © Apcbg/Wikipedia

So tragen also die Meere Namen, die mehr sind als Wegweiser auf Karten: Sie sind Echos von Mythen, Stimmen vergangener Seefahrer und Spiegel unserer Faszination für das Unbekannte. Auch wenn es theatralisch klingen mag: Fast jedes Meer, jeder Ozean erzählt bereits mit seinem Namen Geschichten von Abenteuern, Begegnungen und Geheimnissen, die bis heute in den Wellen nachklingen. Man muss nur tief geug in den Ursprüngen der Meersnamen "bohren". Wer über sie segelt oder den Routen längst vergangener Seereisen einfach nur mit dem Finger auf der Landkarte folgt, bewegt sich auf den Spuren der Menschheit, zwischen Realität und Legende.

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