Boot und Auto5 min Lesezeit

Mehr Boot als Auto

Der „Moke“ ist kein Joke: Ein Amphibien-Fahrzeug, das den Markt revolutionieren könnte.

Mehr Boot als Auto
Der wohl wichtigste Spaßmoment: ein- und auswassern mit eigenem Vierradantrieb © lazareth.fr

Von der Rennpiste zum «Wassersport» – Lazareth, französische Kult-Schmiede für zwei- und vierrädrige Asphalt-Boliden, baut ein 90 km/h respektive sieben Knoten «langsames» Amphibienfahrzeug in Kleinserie. Mini Moke ist kein Joke: Lazareth sieht durchaus ein Geschäftsmodell hinter dem schwimmenden Auto und fahrenden Boot.

Von Michael Kunst, veröffentlicht am 05.02.2017

Das erwartet Sie in diesem Artikel
  • Beschreibung eines wortwörtlich zu nehmenden Strandfahrzeugs.
  • Warum ein Amphibienfahrzeug so schwer zu entwickeln ist.
  • Dieses Auto ist Fähre, Schwimmsteg und Angelboot – alles in einem Paket.
  • Die ursprüngliche Idee zu diesem Amphibienfahrzeug: Parkplatzprobleme!

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Die Idee vom Auto, das keinen See mehr umfahren muss, um zu anderen Seite zu gelangen, auf dem Fluss sozusagen seine eigene Fähre ist und von dem aus man direkt wahlweise ins Wasser hüpfen und sogar angeln kann…diese Idee beschäftigt Tüftler und Enthusiasten bekanntlich seit Beginn der automobilen Ära. Welche technischen Auswüchse, aber auch fantasievollen «Spielereien» die Faszination für Amphibien-Fahrzeuge mit sich brachte, beschrieb Kollege Braschos in seinem Boot24-Blog-Artikel «Fahren oder skippern?».

Obwohl allein in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts tatsächlich zehntausende, zivil genutzte Amphibien-Autos gebaut und verkauft wurden, ist es relativ still um den Wasser-Land-Zwitter geworden. Lieber richtig als «halb», sagen sich die meisten potentiellen Käufer und verlassen sich dann doch auf eher reine Motorboote und Autos mit all ihren jeweiligen Vor- und Nachteilen. Schließlich sind meistens genug Gelder vorhanden, um beiden Fortbewegungsarten zu frönen; ganz zu schweigen vom Prestige-Faktor, wenn hinterm schicken, teuren Automobil noch ein Runabout mit fettem Außenborder auf dem Hänger thront.

Sieht erstmal gar nicht nach Amphibie aus
Sieht erstmal gar nicht nach Amphibie aus © lazareth.fr

Reminiszenz an Automarke Austin

So wirkt es gerade in automotiven Krisenzeiten doch etwas erstaunlich, dass kürzlich ein französisches Unternehmen das «Wagnis» zur Serienproduktion eines Amphibien-Fahrzeuges angekündigt hat.

Ausgerechnet der Auto- und Motorradtuner «Lazareth» aus Annecy, bekannt für seine teils futuristisch wirkenden Boliden, die in Einzelanfertigungen hauptsächlich für internationale Kino-Produktionen oder begüterte Jungscheichs mit Hang zur exorbitanten Raserei gebastelt werden, steigt nun mit dem «Mini Moke Lazareth» ins amphibische Business ein.

Und um es gleich vorwegzunehmen: Eine Serie ist geplant. Zum «Antesten» des Marktes werden ab September jedoch erstmal nur Vorbestellungen produziert. Die Rede ist von 20 bereits georderten Exemplaren bis Anfang 2018.

Der Moke Lazareth ist im Prinzip nichts anderes als ein Strandfahrzeug für zwei Personen, das konsequent zu Ende gedacht wurde. Das 450 kg leichte Gefährt ist rein optisch eine Art Reminiszenz an den Austin Mini-Moke, der in den Siebzigerjahren vor allem an der Côte d’Azur bekannt wurde. Stars wie Brigitte Bardot ließen sich auf dem offenen, knuffigen Wagen gerne in besonders entspannter Stimmung am Strand und in den engen Gassen von St. Tropez ablichten.

Ludovic Lazareth, Boss der gleichnamigen Tuning-Schmiede, sieht im Prinzip des Amphibien-Fahrzeuges in erster Linie einen ökologischen und infrastrukturellen Sinn. «Wir kamen ganz simpel auf die Idee, weil wir am See von Annecy enorme Parkplatzprobleme haben. Wir dachten uns, für so ein bisschen Rumplanschen im See und für einen kleinen Ausflug rüber zum anderen Ufer ist das doch ein enormer Aufwand, erst das Boot heranfahren, eine Slipstraße finden, dann der Parkplatz fürs Auto und für den Hänger, Boot ins Wasser lassen, später alles wieder raus und und und…» beschreibt Lazareth seine ersten Gedanken zum Amphibischen. «Das Problem war nur: Wir hatten kaum Erfahrung mit dem Element Wasser!»

Eine eigene Hafenbox braucht der Mini Moke eben nicht
Eine eigene Hafenbox braucht der Mini Moke eben nicht © lazareth.fr

Verrücktes realistisch umsetzen

Doch wenn Lazareth eines kann, dann noch so verrückte Ideen handfest und realistisch umsetzen. Trotzdem dauerte es zwei Jahre, bis aus dem zündenden Gedanken ein Prototyp wurde. Zwölf Monate brauchten die Autobauer für den Bereich «Straße», ein weiteres Jahr fürs nasse Element.

«Die Umsetzung von Ideen an allem, was irgendwie nach Auto oder Motorrad aussieht, ist ja unser Job. Und seien die Ideen auch noch so ausgefallen, wie etwa in der Fantasy- und Abenteuer-Film-Branche.» Doch für den Moke Lazareth spielten andere Aspekte ihre Rollen: Es kam in erster Linie auf einfache Funktionalität an und auf eine optimale Umsetzung des amphibischen Gedankens. «Entsprechend ist unser Moke eher Boot als Auto. Denn im Flüssigen ist ein Amphibien-Fahrzeug vor ungleich mehr schwierige Aufgaben gestellt, als an Land!» macht Lazareth klar.

So ist es umso erstaunlicher, dass Autobastler Lazareth von Anfang an ein schwimmendes Auto bauen und eben nicht ein bestehendes Auto dem Wasser anpassen wollte. Zudem soll der schwimmende Moke ein reines Spaßfahrzeug mit Haupteinsatzgebiet Strand, Ufer und eben Wasser sein. Ganz egal, ob es sich dabei um Meeresküsten, Binnenseen oder Flusslandschaften handelt, schreibt Lazareth auf seiner Website. Heraus kam eine Amphibie, die Lazareth mit «mehr Boot als Auto» beschreibt.

Nur Führerschein B

Der schwimmfähige Moke besteht aus einem Aluminium-Chassis und ist Lazareth-untypisch mit eher schwachem Motor ausgerüstet. 400 cm Hubraum entfalten ihre «Kräfte» logischerweise in einem wasserdichten Motorraum, während z. B. das Bremssystem im Wasser ist, sobald das Fahrzeug in die Fluten fährt. Ein wichtiger Aspekt sei zudem gewesen, dass der Moke mit Vierradantrieb ausgerüstet wird. Das habe man von früheren Amphibien-Fahrzeugen gelernt, die mitunter am schwierigen Bodenbelag auf Stränden, an Flüssen oder Seen scheiterten.

Für den Moke braucht man keinen Motorboot-Führerschein und auf der Straße lediglich den Führerschein B bzw. B1 (je nach Land). Das Amphibien-Fahrzeug erreicht auf dem Land eine Spitzengeschwindigkeit von 90 km/h (19,2 PS, vier Zylinder, Viergang-Getriebe) und im Wasser (Antrieb 6 PS) sieben Knoten. Der Wendekreis des Moke sei an Land wie auf dem Wasser außerordentlich klein, so Lazareth weiter. Und selbstverständlich könne man auch auf dem Wasser rückwärtsfahren…

Das erste Exemplar des Moke Lazareth wurde im Juli vorgestellt, Mitte September beginnt eine erste, vorbestellte Produktionsserie von zehn Exemplaren, u. a. für Auto- und Bootsvermieter.

Der Moke Lazareth soll ca. 42.000 Euro plus MwSt. kosten und je nach Auftragslage in acht bis 12 Wochen fertig gestellt sein. Ziemlich viel Geld selbst für ein ausgesprochen cleveres Amphibien-Fahrzeug, das dennoch bald seine Abnehmer finden wird.

Einen Kritikpunkt gibt es allerdings: Warum wurde der Moke Lazareth nicht mit einem Elektromotor ausgerüstet? Zumal es bereits Moke-Nachbauten mit E-Motor auf dem Markt gibt. Wie auch immer: Der Moke Lazareth ist ein Amphibien-Fahrzeug, das «seinen Weg nehmen» wird. Zu Lande und zu Wasser.

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