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Boote im Porträt6 min Lesezeit

52 Meter Angelboot

Alles zum amerikanischen Sportfisherman und dem aktuellen Flaggschiff

52 Meter Angelboot
Kühn: "Special One" mit gestrecktem Vorschiff und stattlicher Flybridge © Royal Huisman

Wissenswertes zum typisch amerikanischen Hochseeangelboot. Entwicklung, Fangtechniken, Reviere. Und zu einem Neubau, der mit Größe, Agilität und Fahrleistungen beeindruckt.

Von Erdmann Braschos, veröffentlicht am 13.10.2024, aktualisiert am 16.10.2024

Das erwartet Sie in diesem Artikel
  • Informationen zum Typ der amerikanischen Sportfisherman Motoryacht
  • Geschichte und Bauweise
  • beliebte Fabrikate
  • Wissenswertes zum Hochseeangeln
  • welche Fische wo gefangen werden
  • Hunter Stockton Thomsons Gonzojournalismus „Die große Haifischjagd“
  • der 52 m Neubau „Special One“ der Royal Huisman Werft

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Falls Sie mal in den Staaten waren, speziell an der amerikanischen Ostküste, dann haben Sie dort bestimmt eines der typischen Angelboote gesehen. Die Rede ist von kräftig motorisierten und Rauhwasser tauglichen Motoryachten, die von einem stattlichen „Tuna Tower“ überragt werden. Dort sitzt der Skipper in luftiger Höhe auf einer „Flybridge“, die ihren Namen wahrlich verdient. Er hält Ausschau nach Fisch oder fährt nach den Anweisungen seines Angelfreunds. Der ist im sogenannten „Fighting Chair“ auf dem Achterdeck festgeschnallt.

80-Füßer mit Hochsitz in luftiger Höhe in der dritten Etage
80-Füßer mit Hochsitz in luftiger Höhe in der dritten Etage © Viking Yachts

Die Herausforderung ist, ihn möglichst rasch aus dem Meer zu bekommen, und dabei gerade so viel zu ziehen, dass die Angelschnur nicht reißt. Je nach Temperament, Kraft und Größe der unbekannten Beute wird die Leine gegeben und bei der nächsten Gelegenheit wieder eingewickelt, und zwar so lange, bis der Fisch ermüdet. Diese Art der Sportfischerei ist ein beharrlicher, kräftezehrender Kampf, bei dem irgendwann vielleicht die Beute an Bord gehoben wird.

God bless America: 68 Fuß (ca. 21 m) Sportfisherman vor Florida
God bless America: 68 Fuß (ca. 21 m) Sportfisherman vor Florida © Michael Rybovich & Sons

Ein großer Thunfisch zerrt ohne weiteres 600 m Angelschnur von der Spule. So viel Leine ist mühsam von Hand gegen erheblichen Widerstand aufzuwickeln, bis der Fisch an der Oberfläche ist. Solch ein Kampf dauert schon mal fünf Stunden. Das tonnenschwere Boot wird dabei rückwärts von der Küste weg über tieferes Wasser gezogen. Dabei wird dem Fisch zur Entlastung der Schnur rückwärts langsam entgegengefahren. So kann der Angler vorübergehend die Angelschnur aufwickeln. Das verlangt geschickte Zusammenarbeit vom Skipper oben im Steuerstand und dem Angler unten an Deck.

Die Rückwärtsfahrt hilft dem Angler, rasch viel Angelschnur aufzuwickeln. Dusty Rybovich von Michael Rybovich & Sons Boat Works in Palm Beach, Florida berichtet: „Das verlangt Erfahrung und direkte Kommunikation zwischen dem Skipper oben auf der Flybridge und dem Angler unten. Der Skipper muss vom Steuerstand oben nach achtern unten gucken können. Viele Teams kommunizieren heute mit kabellosen Headsets. So können sie sich trotz des Motorenlärms verstehen.“

Der Kampfstuhl auf dem niedrigen Achterdeck eine Sportfisherman
Der Kampfstuhl auf dem niedrigen Achterdeck eine Sportfisherman © Jarrett Bay Boatworks

Mit dieser Technik des sogenannten „backing down“ gelang es Anfang Januar 2023 im Atlantik vor der Küste von North Carolina, einen 400 Kilo Thunfisch nach langem Fight zu bergen.

Die Deckskante geht mit rasantem Schwung vom hohen Vorschiff zum niedrigen Heck über
Die Deckskante geht mit rasantem Schwung vom hohen Vorschiff zum niedrigen Heck über © Jarrett Bay Boatworks

Die Sportfischerei ist eine uramerikanische Sportart und als solche das klassische Männerding. Der berühmteste Hochseeangler war Ernest Hemingway. Nach seinen Abenteuern bei der Großwildjagd in Afrika fand er mit dem Hochseeangeln an Bord seiner „Pilar“ das Thema seines Lebens. Hemingway entwickelte die Fangtechnik weiter, eignete sich alles zum sogenannten „Big Game Fishing“ an und setzte ihm in seinen Erzählungen ein literarisches Denkmal.

In seiner Erzählung „The Great Shark Hunt“ schildert der Journalist Hunter S. Thompson das Milieu der Hochseeangler in seinem schillernden und subjektiv erzählten Stil. Anlass war eine Reise nach Mexiko. Nachzulesen in seinen 1979 als Sammelband erschienenen „Gonzo Papers.“ Auf Deutsch in der Edition Tiamat nachzulesen: „Die große Haifischjagd: Und andere seltsame Berichte aus einer seltsamen Zeit.“ Auch Thomsons Reportage verrät: Hochseeangeln ist eine archaische und emotionsgeladene Sache. Die Fotos stattlicher Fische und stolzer Angler in den Lokalen, Clubhäusern und Zeitungen beweisen es. Dabei werden gefangen:

  • Blauer Marlin (3 - 4,55 m lang, bis 830 kg)
  • Schwertfisch (3 - 4,50 m lang, bis 650 kg)
  • Atlantischer Blauflossen-Tunfisch (bis 4,50 m lang, max. 680 kg)
  • Haie verschiedener Arten und Größen

Es wird weit draußen geangelt

Da weit draußen, mittlerweile 60 - 70 Meilen vor der Küste geangelt wird, ist eine große Reichweite des Bootes gefragt. Besonders interessant sind die Täler am Rand des Kontinentalschelfs. An der amerikanischen Westküste werden von San Diego aus sogar Hunderte Meilen zu guten Thunfischspots zurückgelegt. Da sind Platz und Bordleben unterwegs wichtig. Das Boot muss also groß sein.

„Special One“ mit unten V-förmigem, oben weit ausgekragten Bug
„Special One“ mit unten V-förmigem, oben weit ausgekragten Bug © Royal Huisman

Wichtig ist auch die Reisegeschwindigkeit, um zu den Spots zu gelangen. Bei drohendem Schlechtwetter gilt es flott in den Hafen zu kommen. Drittens zählt die Seetüchtigkeit der Boote. Das wird mit einer V-förmigen Vorschiffspartie und entsprechender Motorisierung erreicht. Zwischen Miami und den Bahamas fließt der sogenannte Florida-Strom mit bis zu 3,5 Knoten. Im Atlantik führen ungünstige Windverhältnisse bei konstanter Fließgeschwindigkeit des Golfstroms zu ruppigem Seegang. Es ist kein Zufall, dass der Amerikaner Ray Hunt diese Aufgabe zunächst für den Atlantik und somit weltweit überzeugend löste.

Hochseeangelreviere

Die amerikanische Ostküste bietet vom tropischen Gewässer im Golf von Mexiko rings um Key West bis zum Golf von Maine viele Gelegenheiten zum Hochseeangeln. Insgesamt sind es 3.300 km Küste. An der Westküste findet Hochseeangeln mangels wärmendem Golfstrom vor Kalifornien statt. Im Latein- und Südamerika bieten Mexiko, Panama, Costa Rica, Nicaragua, Venezuela, Ecuador und Guatemala ausgezeichnete Möglichkeiten.

Angeltechniken

Die Fangtechnik ist je nach Gewässer, dem gesuchten Fisch, den Regeln der Angelwettbewerbe und dem Wetter unterschiedlich: Schleppangeln, Treiben lassen, den Köder tief absenken, schnelles Schleppen, Kiteangeln oder sogenanntes Pitch-Baiting sind Beispiele verschiedener Angeltechniken. Moderne Sonargeräte helfen Fische zu finden und anzuziehen.

Die Boote

Es gibt in den USA zahlreiche Sportfisherman-Bootsmarken wie Bayliss, Bertram, Black Watch, Chris Craft, Duffie, F&S, Hood, Hunt, Jarett Bay, Release, Rybovich, Viking oder Wheeler. Diese Namen sind in den Staaten geläufig, in Europa weniger. Die Marken kommen und gehen, wobei manche Traditionsreiche reaktiviert wird. Yachtkonstrukteure und Bootsbauer variieren das Thema bis heute immer wieder neu. Die sogenannte Aufkimmung, gemeint ist der Winkel der Rumpfunterseite zur Horizontalen, variiert je nach Hersteller zwischen 6 und 12 Grad. Einige Werften liefern Boote mit einheitlichen Aufkimmungswinkeln, andere wie Rybovich geben den Rümpfen mit gewundenen Bootsböden von vorn bis achtern unterschiedliche Aufkimmungswinkeln.

„Special One“ stattlichem Tuna Tower
„Special One“ stattlichem Tuna Tower © Royal Huisman

52 m Sportfisherman mit 6 Decks

Ein typischer Sportfisherman hat ein angehobenes Vorschiff mit V-förmiger Bugpartie. Die Deckskante geht mit einem rasanten Schwung neben dem Aufbau in ein flach gehaltenes Heck über. Es ist so niedrig, dass sich der Fang achtern an Bord heben lässt.

So ist es auch beim 52-m-Neubau, den die niederländische Royal Huisman Werft im September 24 einem amerikanischen Eigner übergab. In den Staaten hat man es halt gern eine Nummer größer. Das Besondere an diesem Boot ist nun, dass es nicht einfach nur groß ist, sondern beeindruckend viel kann. Wie die Werft bei Probefahrten auf der Nordsee zeigte, erreicht das Boot in gerade mal 46 Sekunden seine Reisegeschwindigkeit von 30 Knoten. Mächtige Wasserschaufeln des zweimotorigen Bootes bringen den Schlitten auf Trab.

Aus der Möwenperspektive erscheint „Special One“ eher wie ein Dampfer als Angelboot
Aus der Möwenperspektive erscheint „Special One“ eher wie ein Dampfer als Angelboot © Royal Huisman

Angeblich ist es so drehfreudig und in der Lage rückwärts dem Fang entgegenzufahren, wie ein gerade mal halb so langes Modell dieses Typs. Die Yacht heißt passend „Special One“. Sie bietet Platz für zehn Gäste und die neunköpfige Crew. Der „Tuna Tower“ hat sage und schreibe fünf Etagen. Der Steuermann sollte in der offenen See bereits bei wenig Wellengang wirklich seefest sein, damit ihm da oben nicht mulmig wird.

Die Werft ist stolz darauf, dass die Yacht unter 500 Gross Tons (auf Deutsch: vermessene Bruttoraumzahl) blieb. Bei der Ausschreibung des Projekts wurde zunächst eine andere Werft gefragt. Sie meinte, es sei nicht möglich, dieses Boot zu den Vorstellungen des Eigners zum erwarteten Gewicht zu bauen, berichtet die Projektleiterin Lydia Pascarelli. Und Art Bouwhuis vom Konstruktionsbüro Vripack Yacht Design bestätigt, dass solch ein Boot noch vor wenigen Jahren als nicht realisierbar galt. Für Royal Huisman sprach die jahrzehntelange Erfahrung beim Bau anspruchsvoller Regatta- und Megayachten, wo strikt auf das Gewicht geachtet wird und man mit engen Platzverhältnissen vertraut ist. Denn wie jeder Sportfisherman ist „Special One“ im Vorschiff fein geschnitten.

Blick unter das Vorschiff mit markant Spritzwasser abweisender Kimmkante
Blick unter das Vorschiff mit markant Spritzwasser abweisender Kimmkante © Royal Huisman

Anspruchsvoll war es auch, den Gewichtsschwerpunkt des fertigen Bootes dort zu halten, wo er geplant war. Wäre das Boot mit dem hohen Aufbau rank geworden, wäre alles für die Katz gewesen, berichtet Bouwhuis. Dazu trug die spezielle Aluminiumlegierung namens Alustar bei. Sie erlaubt eine relativ leichte Bauweise.

Der Tuna Tower bietet mit seiner Höhe gute Gelegenheit zum Entdecken des Fischs, Gästen einen sicheren Platz zum Beobachten des Kampf-Finales mit dem Fisch.

Bootsdaten

Konstruktion: Vripack Yacht Design
Werft: Royal Huisman
Länge: 52 m
Reisegeschwindigkeit: 30 kn

Die Wasserschaufeln der zweistrahligen Motoryacht
Die Wasserschaufeln der zweistrahligen Motoryacht © Royal Huisman

Die Erfindung und erste Jahre des Hochseeangelns

Die Geschichte des Hochseeangelns begann nach der Erfindung des Motorbootes. Der Meeresbiologe Charles Frederick Holder fing damit bereits 1898 an. Er gründete in Avalon im US-Bundesstaat New Jersey den „Tuna Club“ und veröffentlichte zahlreiche Artikel wie Bücher zum Thema. Die ersten Hochseeangelboote entstanden Anfang des 20. Jahrhunderts, beispielsweise die „Crete“, die zunächst im kalifornischen Catalina Island unterwegs war und 1915 nach Hawaii gelangte. Sie hatte ein tiefes Cockpit und einen Spezialstuhl zum Angeln, außerdem Lederhalterungen für die Angelrute.

Typische Reviere

Folgende Gewässer zum Hochseeangeln bieten kurze Wege zu guten Fischgründen:

  • die Florida Keys
  • Kona/Hawaii
  • Bimini/Bahamas
  • Cairns/Queensland, Australien
  • Nordinsel von Neuseeland
  • Yucatan/Mexiko
  • Panama
  • Wedgeport/Nova Scotia

Mit 30 Knoten zum Angeln
Mit 30 Knoten zum Angeln © Royal Huisman
VG