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Boote im Porträt5 min Lesezeit

Varianta - VW-Bulli der Segelszene

Sie läuft und läuft und läuft: Die Varianta aus dem Hause Dehler ist nicht kleinzukriegen.

Varianta - VW-Bulli der Segelszene
Varianta K3 in Fahrt, Ende der 1990er-Jahre fotografiert in Arnis an der Schlei © wikimedia.org/Roland Rosenfeld

Und läuft und läuft und läuft: Die Varianta feiert 2016 ihren 50. Geburtstag. Kurzporträt einer Klasse, die wie kaum eine andere den Esprit des sportlichen Fahrten- und Familiensegelns verkörpert.

Von Michael Kunst, veröffentlicht am 08.12.2022

Das erwartet Sie in diesem Artikel
  • Die Geschichte der ersten GFK-Serienyacht aus der legendären Dehler-Werft.
  • Drei Versionen des Erfolgsmodells wurden bis heute gebaut.
  • Über viele Jahre hinweg galten die van de Stadt’schen Varianta-Formen als State of the Art im Fahrtenboot-Bau.
  • Der VW Bulli des Fahrtensegelns ist und bleibt unverwüstlich.

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Natürlich fing alles in einer Garage an. Das gehörte sich damals so, als nach den 50er-Wirtschaftswunderjahren Anfang der Sechziger die große Reisewelle begann. Deutschland war noch von der Ärmel-hochkrempeln-und-loslegen-Mentalität beseelt und ein gewisser Willi Dehler auf der Suche nach einem Schiffchen, mit dem er und seine Familie mal eben schnell «Urlaub auf dem Wasser» machen konnten.

Nein, Gelder waren so gut wie keine vorhanden und überhaupt sollte das Boot Kriterien erfüllen, die eher dem damals vielzitierten «Normalbürger» gerecht wurden, als dem Zwanzig-Meter-Teakyacht-Liebhaber.

Dehlers Traumboot sollte trailerbar, unkenterbar, ein Cabrio (also mit abnehmbarem Kajütdach) und bitte schön aus dem neuen Wunderwerkstoff Gfk sein. Und um die grassierende Reiselust in jeder Hinsicht zu befriedigen, sollte das Boot gerade nur so viel wiegen, dass es noch bequem von einem Mittelklassewagen gezogen werden kann. Der wiederum selten über 90PS stark war.

Als der Sauerländer auf dem damals noch übersichtlichen Markt nicht fündig wurde, ließ er sich eben sein Traumboot von dem gerade in Holland aufgehenden Designer-Star E.G. van de Stadt zeichnen und baute es kurzerhand selbst in der erwähnten Garagenwerkstatt.

Synonym für Beständigkeit

1965 wurde die erste Varianta auf der Hamburger Bootsmesse vorgestellt und machte immerhin so viel Furore, dass sich Willi Dehler dazu entschloss, aus seinem kleinen Meisterwerk und dem Bootsbau als solchem eine Zukunft zu stricken.

So kam es, dass der beginnende Siegeszug der Varianta auch die Ära der lange Jahre erfolgreichsten Werft Deutschlands einläutete – Dehler Yachtbau im sauerländischen Freienohl.

Der Kleinkreuzer traf den Nerv der Zeit (und den einigen folgenden Generationen). Der Kielschwerter war sicher (unsinkbar und unkenterbar), hatte gute Segeleigenschaften bei allen Windbedingungen, war pflegeleicht, relativ schnell und galt als ausgesprochen familientauglich. Nicht zuletzt, weil man auch etwas seichtere Ankerbuchten und Yachthäfen auf Binnenrevieren damit ansteuern konnte.

Die 6,40 m Bootslänge zierte ein 7,30 m langer Mast, der wiederum am Wind 22,5m2 Tuch trug und einen Spinnaker von 29m2 aufbot. Werte, die damals als «recht sportlich» galten und von ambitionierten Varianta-Eignern bereits im Laufe der späten 1960er-Jahre in Regatten auf ihre Wettkampftauglichkeit «überprüft» wurden.

Drei Versionen segeln bis heute

Sei 1966 verließen sage und schreibe 4.000 Variantas die Dehler’sche Werft. Ein zu Beginn kaum für möglich gehaltener Erfolg, der hervorragenden in Zeiten passte, da «Made in Germany» zum Synonym für Qualität, Leistung und vor allem Wertbeständigkeit reifte.

Und genau diese Kriterien erfüllte die Varianta bestens. Die in Handarbeit hergestellten Boote zeigten im Laufe der Jahre keinerlei Mängel, sie «nutzten sich kaum ab» – ein Kompliment, das wie ein Gütesiegel unter den glücklichen Eignern weitergegeben wurde.

Doch der Erfolg des Bootes war, zumindest in den ersten Jahren, auch von einem ständigen Dialog mit den Seglern geprägt. Entsprechend veränderte sich die Varianta. Zwar nicht grundlegend, aber dennoch an markanten Punkten.
Den Kleinkreuzer gab und gibt es in drei verschiedenen Variationen:

  • Die Ur-Version wird heute meistens mit dem Zusatz K3 versehen. Mit kleiner, (tatsächlich) abnehmbarer Kajüte, nicht selbstlenzend. Baujahre 1966-1968, Baunummer 1 bis 275.

  • Die Varianta K4 wurde mit fester Kajüte, Schiebeluk und vier Kojen ausgestattet. Die Plicht war bereits selbstlenzend und hatte ein leicht erhöhtes Cockpit-Süll. Diese Version wurde von 1969 bis 1972 immerhin 799 Mal gebaut.

  • Die Varianta 65 steht für die eklatanteste Veränderung innerhalb der Varianta-Baureihe: Das Boot war 10 cm länger als seine Vorgänger (jetzt also Lüa 6,50 m), hatte eine spürbar größere Kajüte und ein nochmals deutlich höheres Cockpit-Süll. Rund 3.000 der «65iger» wurden bei Dehler gebaut. Nicht nur dort, sondern auch in der gesamten Segelszene, galt die Varianta schließlich als «Wirtschaftswunder des deutschen Segelsports».

Regatta- und Fahrtenkleinkreuzer

Doch obwohl der Bau des Kleinkreuzers bereits 1982 eingestellt wurde, blieb die Klasse rege. Schon früh erhielten die etwas sportlicher ambitionierten Varianta-Segler den Status der DSV Einheitsklasse und entsprechend schnell wuchs die Anzahl der Regattaangebote.

Vor allem auf Binnenseen, aber auch entlang der deutschen Ostseeküste traten die Boote gegeneinander an. Interessanterweise eignen sich besonders die ersten Bautypen K3 und K4 fürs Regattasegeln, bedingt durch einen günstigeren Schwerpunkt und deutlich weniger Gewicht im Vergleich zur Varianta 65. Trotz eher rückläufiger Beteiligung werden aber selbst heute noch grosso modo 60 Boote in der Jahresrangliste aufgeführt.

Allen sportlichen Ambitionen zum Trotz: Zur Legende wurde die Varianta eindeutig aufgrund ihrer bedingungslosen Familientauglichkeit, wegen ihres ausgesprochen sicheren Segelverhaltens und ihres – viele werden jetzt lächeln – zeitlosen Designs.

Über viele Jahre hinweg galten die van de Stadt’schen Varianta-Formen als State of the Art im Fahrtenboot-Bau. Und wer sich die nachfolgenden, teils deutlich größeren Modelle der Dehler Werft anschaut, wird gewisse Ähnlichkeiten über viele Baureihen hinweg erkennen.

Auch heute noch sind erstaunlich viele junge Segler, meist mit ihren Familien, auf der Varianta unterwegs. Der Autor kennt ziemlich «hippe» Grafikdesigner, die mit ihren Kleinkindern an Bord ihrer Varianta den Bodensee unsicher machen. Auch, weil es so ein «formschönes Boot ist».

Oder gestandene Hochseesegler, die zwischendurch auf der Elbe mit ihrer Varianta 65 das gewisse Etwas des Segelns wiederfinden. Das Image des «langweiligen Rentnerschlittens» ist jedenfalls ungerecht und keineswegs zutreffend. Alle, die auf diesem «VW Bulli des Fahrtensegeln» jemals unter Spi in einer Sechser-Böe übers Revier geheizt sind, werden das bestätigen.

Nur echt mit dem …

Mittlerweile ist die Varianta längst in den Fünfzigern. Und wird gerne auch mal mit anderen Bootsklassen verwechselt, weil man sich an ihre Blütenzeiten nicht mehr so richtig erinnert. Denn nicht überall, wo Varianta draufsteht, ist auch Varianta «drin».

Die modernere «Varianta 18», ein mittlerweile wieder aufgelegter Riss, der es allerdings auch bereits in einigen Kreisen zum Kultstatus gebracht hat, sei ein «völlig anderes Schiff, welches nicht auf Basis der Varianta konstruiert wurde, sondern eher dem «Rotkäppchen» ähnelt» schreibt die Varianta-Klassenvereinigung auf ihrer Website.

Merke: Auch bei den Variantas gilt: Es kann nur eine(n) geben!

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