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Seemannschaft3 min Lesezeit

Ahoi – der Narrengruß

Über angestrengt maritime Folklore aus dem Binnenland

Ahoi – der Narrengruß
Um Himmels willen nicht «Ahoi» rufen © E. Braschos

Was sie über Herkunft, Geschichte, Haupt- und Nebenwirkungen dieses unsäglichen Grußes wissen müssen

Von Erdmann Braschos, veröffentlicht am 10.03.2017

Das erwartet Sie in diesem Artikel
  • Warum der Ahoi-Gruß Sie und andere sofort als Landratte outet
  • Verschiedene geschichtliche Ahoi-Herleitungen
  • Wie Ahoi beinahe zur Begrüßungsfloskel am Telefon geworden wäre
  • Wie die Berliner und Mannheimer den Begriff salonfähig machten
  • Wie Günter Grass schon 1959 vergeblich den Gruß bekämpfte

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Im 16. und 17. Jahrhundert gab es den Typ eines holländischen Küstenfrachtschiffs. Es verdrängte etwa 20 Lasten (40 t) und war auf der Nordsee und im englischen Kanal unterwegs. Zunächst mit einem Sprietsegel betucht, wie man es von der Optimisten Jolle her kennt, wurde es später als Zweimaster und mit den typischen holländischen Seitenschwertern gesehen. Im 17. Jahrhundert fuhr es auch im Personentransport. Die Passagiere waren in einer Kajüte hinter dem Mast untergebracht. Er wurde Hoy, Heu oder Heude genannt.

Wenn nun der Ausguck eines englischen Schiffes so ein Gefährt entdeckte, rief er «A-Hoy». Aus diesem Hinweis, es sei wieder solch eine Hoy unterwegs, wurde ein üblicher, zunehmend bei Landratten beliebter Schiffergruß.

In den 1870er Jahren wollte Alexander Graham Bell das Wort als Gruß und Auftakt eines Telefonats einführen, wie in unseren Tagen das @ zum Mailen und # zum Twittern gehört. Das Telefon war damals eine unerhört neue Sache. Bell konnte sich aber nicht gegen seinen Kollegen Edison durchsetzen, der Hello favorisierte.

Gegen die maritime Herleitung des Rufs spricht das nautische Wörterbuch des Schotten William Falconer, wonach der Kapitän seinen Matrosen oben in die Rahen zum Segelsetzen «Main Top, hoay» ruft und diese den Empfang des Befehls mit «holloa» quittieren. Auch in späteren englischen Fachwörterbüchern bleibt Ahoy unerwähnt.

Ende des 18. Jahrhunderts war das Wort dagegen in der Komödie «Die Wallonen» auf Londoner Bühnen, also eindeutig an Land, als Anrede zu hören: «Ahoy! you Bumboat, bring yourself this way». «Ahoi ... komm mal her». Dem weitgereisten Wilhelm Heine, er war auf Schiffen mit amerikanischen Besatzungen bis zum fernen China und nach Japan unterwegs, war «Ahoy» als Nautikerjargon jedoch durchaus vertraut.

Im Deutschen Reich fand der Gruß Ende des 19. Jahrhunderts mit einer Zeitschift gleichen Namens Verbreitung. 1892 wurde der «Berliner Segel-Club ahoi» gegründet. In den Zwanziger Jahren soll der Ruf sogar bis zum Bodensee vorgedrungen sein. Die maritime Besessenheit Kaiser Wilhelm II. hatte Wirkung.

Mit der allgemeinen Marinisierung und Beliebtheit des Segelsports, nicht zuletzt den Hans Albers-Liedern brachen dann sämtliche Dämme. Mittlerweile ist ahoi ist wie Helau und Alaaf ein Narrenruf. Gern wird er in der Kurpfalz, etwa in Mannheim, mit «Monnem ahoi» oder «Mannem ahoi» usurpiert, im nordbadischen Altlußheim oder im südthüringischen Wasungen ist ebenfalls «ahoi» zu hören. Die 1908 gegründete Faschingsgesellschaft Milka im oberschwäbischen Ravensburg grüßt mit «Milka ahoi!» Auf dem Backfischfest der Fischerzunft von Worms wird ebenfalls feuchtfröhlich «ahoi» gegrüßt. Die Beispiele zeigen: Ahoi ist angestrengt bis verzweifelt maritime Folklore.

Es hat nichts genutzt, dass sich Günther Grass bereits 1959 über den Gebrauch des Wortes durch unbeirrbare Landratten lustig machte. Schriftsteller ändern am Gang der Dinge und Lauf der Welt bekanntlich wenig.

Vor einer Weile saß ich mal an einem schönen Samstagmorgen mit Barbara und Wolfgang an Bord meines startklaren Bootes, als die beiden die Besatzung eines auslaufenden Schiffes mit einem fröhlichen «Schiff ahoi» begrüßten – in sächsischer Mundart. In diesem Augenblick wünschte ich mir eine Klappe zum Verschwinden in meinem Boot. Nun sind Barbara und Wolfgang ganz liebe Leute. Sie hatte ihm ein Segelwochenende an Bord meiner Swede 55 geschenkt.

Sie hielten es aus, mit mir bei sauwenig Wind zu segeln, wenn meine Windmühle nur zwei Knoten macht. Sie schipperten sogar ohne Kompass mit mir durch diesige Suppe, wenn sich die alle paar Jahre anstehende Überholung des Instruments leider bis weit in die Saison hinein zog. Wir sind dann wie Bernard Moitessier mit gelegentlichem Blick auf den Handpeilkompass nach Dänemark und zurück gesegelt.

So brachte ich es nicht übers Herz, den beiden Sachsen zu erklären, dass Ahoi beim Fasching im all tiefsten Binnenland als Gruß von einem Narrenschiff geht, nicht aber an Bord meines Bootes. Ich werde Barabara und Wolfgang aber einen Link zu diesem Beitrag schicken. Da können sie dann lesen, dass Ahoi ursprünglich ein Viehtreiber-Begriff ist. William Langland notierte ihn bereits 1393 in seinem Gedicht Piers Plowman (Deutsch: Piers der Pflüger) also lange, bevor die Engländer auf der Nordsee oder im englischen Kanal einer Hoy, Heu oder Heude begegneten.

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VG