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Werftporträt6 min Lesezeit

Der amerikanische Traum

Chris Craft – die Geschichte einer Legende unter den Motorboot-Labels

Der amerikanische Traum
Miami Vice

Chris Craft in den USA war jahrzehntelang die größte Motorboot-Werft der Welt und gilt seit ihren Anfängen gegen Ende des 19. Jahrhunderts als Inbegriff amerikanischen Bootsbaus. Ihre Gründer waren begnadete Konstrukteure und beeinflussten auch italienische Superstars der Szene.

Von Michael Kunst, veröffentlicht am 23.02.2016, aktualisiert am 02.12.2022

Das erwartet Sie in diesem Artikel
  • Die Geschichte der Familie Smith, Gründer von Chris Craft.
  • Historische Bilder von den ersten Motorboot-„Fließbändern“.
  • Der „American Dream auf dem Wasser“.
  • Der weite Weg vom genialen Tüftler zum Unternehmens-Vorstand mit zweitweise mehr als 4.000 Mitarbeitern.

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Die Amerikaner und ihr Patriotismus! Nirgendwo sonst (außer vielleicht bei Präsidentenwahlen) kann man diese teils abstruse Form der Vaterlandsliebe besser nachvollziehen, als bei ihrer Liebe zu „Made-in-the-USA“-Produkten. Vor allem im letzten Jahrhundert entstanden so Markenlegenden, deren Strahlkraft bis heute reicht.

Als Kind träumten sie von einem Schwinn-Fahrrad, als Jugendlicher von der Harley-Davidson, in der Midlife-Crisis musste es ein Ford Mustang (oder wieder eine Harley) sein. Und wer seine Liebe zum Wasser und dem darauf absolvierten Motorsport entdeckt hatte, der brauchte, übrigens in jeder Altersklasse, ein Boot von Chris Craft. Nothing else!

Als 13-Jähriger das erste Boot gebaut

Nun ist es so mit den großen Marken, deren Image bereits seit Jahrzehnten, wenn nicht sogar länger als ein Jahrhundert gestrickt wurde, dass sie mitunter in ihrem langen Dasein qualitativ etwas schwächeln. Oft liegt das an häufig wechselnden Eigentümern, verkannten Trends oder unterlassenen Investitionen. Und auch die Motorboot-Werft Chris Craft hat in den nunmehr 142 Jahren, seitdem ihr Gründer seine ersten Boote von Hand fertigte, das eine oder andere sehr tiefe Wellental erlebt.

Aber Chris Craft hat sich wie kaum eine andere Werft immer wieder aufgerappelt, um nach wirtschaftlich suboptimalen Phasen erneut herausragende Boote in bestechender Qualität zu bauen. Die entsprachen nicht nur dem jeweiligen Zeitgeist, sondern setzten weiterhin richtungweisende Standards. Immer unter der Prämisse: Die Legende lebt!

Christopher Columbus Smith war erst 13 Jahre alt, als er sein erstes Boot baute. Es war relativ klein, offen, mehr ein Nachen, aber eben das, was man in Point du Chene am St. Clair River im US-amerikanischen Bundesstaat Michigan so als Boot bezeichnete.

Werftgründer Chris Columbus Smith
Werftgründer Chris Columbus Smith © chriscraft.com

1874 war das und in der Gegend nutzte man Boote dieser Art hauptsächlich zur Entenjagd und zum Fischen. Doch was der „Kleine“ da für mehr und mehr Freunde und Verwandte im Laufe der nächsten Monate weiter fabrizierte, zeugte von einem faszinierenden Talent im Umgang mit Holz, und von einer Ahnung, wie man Boote effizient und somit schnell über die Wasser schicken konnte.

Smith sah sein Geschick als Bestimmung, machte eine Ausbildung als Bootsbauer und war als 18-Jähriger schon so gut, dass die Mehrzahl der Jäger und Fischer in seiner Heimat auf seinen Booten schippern wollte.

Fließband im Bootsbau

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war Bootsbau, vor allem der Bau von Motorbooten, einer relativ kleinen, finanziell privilegierten Schicht vorbehalten. Massenproduktionen waren noch unbekannt, und die Betuchten orderten Einzelanfertigungen, mit denen sie sich später auf imaginären oder tatsächlichen Rennstrecken auf dem Wasser brüsten konnten.

So war das Interesse von Chris Smith an schnellen Booten nicht nur Leidenschaft für sein Metier, sondern auch wirtschaftlich inspiriert. Er ahnte: Wer den schnellsten Renner baute, verdiente am meisten Geld. Und so präsentierte der aufstrebende Bootsbauer 1906 sein erstes „richtiges“ Motorboot mit 7,90 Metern Länge und 30 km/h Höchstgeschwindigkeit. Das fand schnell einen Abnehmer und dank hervorragender Leistung für Nachfolgeaufträge sorgte.

Chris Smith experimentierte damals viel mit unterschiedlichen Bootsrümpfen, die mit jeweils variablen Motortypen angetrieben wurden. Der talentierte Bootsbauer erkannte schnell, dass ein wirklich effizientes Rumpfdesign enorme Leistungsunterschiede im Vergleich zu anderen Powerboat-Typen „herausfahren“ konnte. Für ihn war logisch, dass Bootsrümpfe, die jahrhundertelang ihre Form nicht geändert hatten, waren den Antriebsleistungen der neuen Motoren einfach nicht gewachsen.

Etwa zu dieser Zeit, als Henry Ford seine ersten Automobile am Fließband bauen ließ, begann auch Chris Smith, der sich in der Zwischenzeit mit seinem Bruder Hank zusammengetan hatte, Powerboote am vergleichsweise deutlich kürzeren Fließband zu produzieren. Die hohe Leistungsfähigkeit der Smith’schen Boote hatte sich schnell rumgesprochen, die Auftragslage florierte.

Erste Bilder vom «Fließband»
Erste Bilder vom «Fließband» © chriscraft.com

Doch Chris’ Herz hing weiterhin an seinen „Spezialanfertigungen“. Mit unterschiedlichen Rumpfformen und für die damalige Zeit enorm leistungsstarken Motoren gewannen seine Designs sechsmal hintereinander den prestigeträchtigen Powerboat GoldCup. Aber dann entschloss man sich angesichts einer solchen „Übermacht“, die Regeln des Rennens so zu ändern, sodass die Smith-Boote mit einer Art Handicap versehen wurden. 1916 gelang es dann dem talentierten Bootsbauer, als Erster mit einem Motorboot schneller als 100 km/h zu fahren.

Landungsboote und „Runabouts“

Zwischen den beiden Weltkriegen baute Chris Columbus Smith mehr und mehr luxuriös ausgestattete Boote, die – dem Zeitgeist entsprechend –dennoch rasant auf den Seen und entlang der Küsten unterwegs waren.
Die Boote waren meist aus edlem, philippinischem Mahagoniholz gebaut und wurden schnell zu einem Synonym für Wertigkeit und Zuverlässigkeit, ohne dabei die Eleganz zu vernachlässigen.

Mit dem Boot heizte Elvis Presley durch die Gegend
Mit dem Boot heizte Elvis Presley durch die Gegend © chriscraft.com

Sie erhielten den eher liebevoll gemeinten Spitznamen „Chris Craft“ (craft = Boot, aber auch Kunsthandwerk), der später zu einem teuren Markennamen werden sollte. 1927 hatte sich die Smith’sche Bootswerft zur weltweit größten Manufaktur gemausert.

Während des Zweiten Weltkriegs produzierte Chris Craft (wie die Werft mittlerweile „umgetauft“ wurde) mehr als 10.000 Landungsboote für die US-Marine, mit denen die Alliierten u.a. am D-Day an den Küsten der Normandie landete.

Landungsboote für den D-Day
Landungsboote für den D-Day © chriscraft.com

Werftgründer Chris Smith starb 1939 als erfolgreichster Bootsbauer für Freizeitboote seiner Zeit. Einige Jahre zuvor hatte er die Geschicke der Werft guten Gewissens in die Hände seines Sohnes Jay gelegt, der schon mehrfach bewiesen hatte, dass auch er ein begnadeter Bootskonstrukteur war.

Inspiration für Carlo

Mitte der Fünfziger-Jahre verließen die heute wie damals berühmten „Runabouts“ die Werfthallen, deren Form einen gewissen Carlo Riva so sehr inspirierte, dass er sie schlicht kopierte (wie böse Zungen behaupten), mit einem gewissen italienischen Chic versah und so gewissermaßen mit dem „American Spirit“ die wohl berühmteste europäische Motorboot-Werft ankurbelte.

1959 baute Chris Craft luxuriöse, oft gediegene Motoryachten und hochgezüchtete Powerboats in zehn Produktionsstätten mit mehr als 4.000 Mitarbeitern. 1962 wurde das Unternehmen für die damals enorme Summe von 40 Millionen Dollar an NAFI verkauft.

Gebaut wurden Motorboote in verschiedenen Preiskategorien und Ausführungen: „Runabouts“ als Edelversionen mit geschlossenen Decks, später Gebrauchtboote als abgespeckte, einfache, offene Versionen. „Cruiser“ für die eher Finanzstarken, „Cavaliere“ für die nicht ganz so gut Situierten. 1969 endete die Ära der Holzboote bei Chris Craft und die Boote wurden fortan größtenteils aus Kunststoff gebaut.

American Dream auf dem Wasser

In den folgenden Jahrzehnten wechselte die Chris Craft Bootswerft mehrmals den Besitzer. Kurios: Der Firmenname Chris Craft schaffte es als Produktionsgesellschaft in einer Holding bis nach Hollywood. In dieser Zeit musste die Bootswerft an den Halter des Markennamens jahrelang ca. eine Million Dollar per anno für Markenrechte bezahlen.

Mitte der Achtziger-Jahre mischte Chris Craft nochmals die Offshoreboot-Szene mit teils spektakulären Katamaran-Konstruktionen auf. Und die Helden von Miami Vice fuhren im „Stinger“ zum Einsatz.

Heute ist Chris Craft nach mehreren Pleiten und Stehaufmännchen-Aktionen wieder gut im Geschäft. Paradoxerweise auch durch die Hilfe eines ehemaligen Riva-Boot-Managers. Chris Craft ist der pure „American Dream“ auf dem Wasser.

Was nicht zuletzt der Gebrauchtbootmarkt bestätigt: Chris Craft Motorboote sind eine wahre „Bank“ und zeigen hohe Wertsteigerungen bzw. Werte-Erhalt.

Angebot zum 140-jährigen Jubiläum im Jahr 2014
Angebot zum 140-jährigen Jubiläum im Jahr 2014 © chriscraft.com

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