Verschiedenes4 min Lesezeit

Stehend übers Wasser gleiten

Die frühe Geschichte des Wasserskis

Stehend übers Wasser gleiten
Ganz so riesig wie bei diesem Elefanten waren die ersten Wasserski nicht © Archiv Stadtmuseum Lake City

Eigentlich hat alles mit einer Klotür angefangen. So will es zumindest die Legende. Um die vorletzte Jahrhundertwende hob angeblich ein angetrunkener Gentleman die Türe mit Herzchen aus ihren Angeln, schmiss sie in einen See, band sie an eines dieser gerade in Mode gekommenen Motorboote. Seiner Angebeteten schwor er, dass er sich auf dem Brett rund um den See ziehen lassen werde. Aufrecht stehend, versteht sich!

Von Michael Kunst, veröffentlicht am 28.05.2015

Das erwartet Sie in diesem Artikel
  • Die ersten Wasserski-Fahrten fanden (wahrscheinlich) auf einer Klotür statt
  • Ein Jugendlicher aus Lake City fand den richtigen Dreh, um aufrecht stehend über die Wasser zu gleiten.
  • Er und sein Bruder wurden zur Attraktion.
  • Doch die finanziellen Erfolge feierten andere.

Artikel vorlesen lassen

Er scheiterte – angeblich bereits, bevor überhaupt der Motor am Zugboot angelassen wurde.
So oder ähnlich kamen wohl „Aquaplaning“-Bretter in Mode, die allgemein als Vorläufer der heutigen Wasserski gelten: Meist roh gezimmerte Bohlenbretter, auf denen man sich stehend an Seilen festhielten, während sie über und durch die Wasser gezogen wurden.

Schnee und Wasser

Doch genau, weil diese Untersätze eindeutig zu wuchtig waren, um schneller als mit 15-20 km/h über die Seen zu tuckern, machte sich ein vom Gleiten fast schon besessener, gerade der Pubertät entflohener Jüngling so seine Gedanken:
Ralf Wilford Samuelson wuchs am Lake Pepin bei Lake City in Minnesota/USA auf und war genau das, was man sich als amerikanischen Sunnyboy so vorstellt. Der schwedischstämmige, blauäugige Modellathlet war passionierter Sportler, begnadeter Skifahrer und hatte an allem Spaß, was irgendwie mit Speed und Bewegung zu tun hatte. Schon als Kind nervte er mit Fragen wie „Wenn ich auf dem Schnee mit meinen Skiern gleite, dann muss das doch auch auf dem Wasser klappen!“

Als 17-Jähriger machte er schließlich Nägel mit Köpfen… aus Fässern. Kaum waren die Wasser seines Heimatreviers Lake Pepin direkt neben seiner Heimatstadt Lake City Ende April 1922 wieder flüssig, begann Samuelson auf gebogenen Fassbrettern zu experimentieren. Sein älterer Bruder Ben war stolzer Besitzer eines 20 PS starken Motorbootes – beide waren vor allem bei der Damenwelt ausgesprochen beliebt, weil für jeden Blödsinn auf dem Wasser „zu haben“.
So kam es, dass sich Ralf Wilford Samuelson auf zwei Fassbrettern von seinem Bruder über den See ziehen lassen wollte. Doch noch bevor Ben richtig Gas geben konnte, versank sein jüngerer Bruder. Aufrecht stehend, versteht sich.

«Aquaplaning» auf einer Klotüre? Aufnahme aus den Zwanzigerjahren des letzten Jahrhunderts
«Aquaplaning» auf einer Klotüre? Aufnahme aus den Zwanzigerjahren des letzten Jahrhunderts © Archiv Stadtmuseum Lake City

Mit Dampf aus Mutters Waschzuber

Dann doch ein Versuch mit Schneeskiern? Wieder nasse Fehlanzeige, weil eindeutig zu wenig Auflagefläche. Also ins andere Extrem: Samuelson Junior besorgte sich riesige, 2,40 Meter lange und 23 Zentimeter breite Kiefernholzplanken, bog deren Enden stundenlang im Dampf von Mutters Waschzuber nach oben… und fuhr schließlich ein paar Meter über die Wasser. Aufrecht, versteht sich.
Das war am 28. Juni 1922, und die Dorfjugend, die zuvor aus dem Feixen nicht mehr herauskam, hielt nun Maulaffen feil: Das wollen wir auch!

Doch Samuelson war noch nicht am Ende seiner Experimentierphase angelangt. Denn seine Haltung auf den Brettern ließ noch zu Wünschen übrig, das wusste der Sportler. Also übte der passionierte Skifahrer noch ein paar Tage, bis er die Gewichtsverlagerung nach hinten verinnerlicht hatte – Weg frei für Hunderte Meter Gleitfahrt auf den ersten „Wasserskis“.

Auf Schweineschmalz und hinterm Flugboot

Schon ein paar Wochen später war Samuelson eine echte Touristenattraktion. Erste Zeitungsberichte erschienen über den „waghalsigen Athleten auf den Wassern“, Samuelson verbesserte seine Technik, Bruder Ben entwickelte Gespür für die richtigen Geschwindigkeiten des Zugbootes und für lang geschwungene Kurven. Und das vor Hunderten, mitunter sogar Tausenden Zuschauern, die zudem während der Wassersport-Darbietungen musikalisch unterhalten wurden.
Irgendwann sprang der Tollkühne über eine mit Schweineschmalz eingefettete Holzrampe und 1925 hing er schließlich an einem Flugboot und bretterte buchstäblich mit sagenhaften 130 km/h über den Lake Pepin. Aufrecht stehend, versteht sich.

Zwei Jahre später war alles vorbei. Im Alter von 23 Jahren verletzte sich Samuelson bei einem Unfall während des Baus eines Bootsverleihgebäudes so schwer am Rücken, dass er nie wieder auf Skiern stehen konnte. Schon ein Jahr später erinnert sich kaum noch jemand an ihn.
Im gleichen Jahr ließ sich ein gewisser Fred Waller das Prinzip der Wasserski patentieren. Es wurde zwar nie bewiesen, aber Zeitzeugen behaupteten, dass Waller häufig bei den Shows am Lake Pepin zuschaute.

Aus der Versenkung aufgetaucht

Knapp vierzig Jahre später entdeckte eine Lokalreporterin die längst wurmstichigen Ski von Samuelson in einer Hütte, ließ sich die Geschichte von den Alten aus Lake City erzählen und suchte per Artikel in einem Wassersportmagazin nach dem Protagonisten dieser für Amerika so typischen Geschichte.

Sie spürte Samuelson 1962, zurückgezogen als Truthahnfarmer, in den Weiten Minnesotas auf, und brachte ihn zurück ins Rampenlicht. Der mittlerweile „ältere Herr Samuelson“ posierte wieder mit seinen Ur-2,40-Meter-Wasserski, erzählte allen seine Geschichte und ließ sich von mittlerweile weltweit Millionen Fans der von ihm erfundenen Sportart feiern. Er hatte zwar keinen Cent mit seiner Idee verdient, aber zuletzt doch die Genugtuung erlebt, zumindest als Erfinder einer bis heute in allen Facetten faszinierenden Sportart gefeiert zu werden. Fast aufrecht, mit nur leicht gebeugtem Rücken, versteht sich! Samuelson starb 1977. Auf seinem Grabstein steht: „Vater des Wasserskis“. Nicht mehr und nicht weniger.

Ralf Wilford Samuelson wuchs am Lake Pepin bei Lake City in Minnesota/USA auf und war genau das, was man sich als amerikanischen Sunnyboy so vorstellte.
Ralf Wilford Samuelson wuchs am Lake Pepin bei Lake City in Minnesota/USA auf und war genau das, was man sich als amerikanischen Sunnyboy so vorstellte. © Archiv Stadtmuseum Lake City

Aktuellste Wasserskiboote in unserer Bootsbörse!

zurück
weiter

Alle Inserate in der Übersicht

Weiterführende Links