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Kommandozentralen
Ein Blick auf die Steuerstände moderner Segelyachten

Früher, als vieles schlichter und einfacher war, wurde eine Yacht von einem überschaubar kleinen Steuerrad an einer Steuersäule mit oben eingelassenem Kompass bewegt. Mittlerweile ist die Sache dank moderner Technik einfacher und komplizierter zugleich geworden. Einfach, weil sich alles in Reichweite des Steuermanns befindet. Kompliziert, weil die Technik zur Handhabung auf engstem Raum zusammengefasst ist.
Von Erdmann Braschos, veröffentlicht am 03.11.2020, aktualisiert am 09.10.2024
Das erwartet Sie in diesem Artikel
- wie Steuerstände früher aussahen
- welche Funktionen moderne Steuerstände bieten
- wie elegant und kompakt mittlerweile gebaut wird
- wie die Technik auf mittelgroße Boote übernommen wird
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Es gibt viele Dinge, die in Sicht- und Griffweite des Steuermanns unterzubringen sind. Der Gas- und Getriebehebel der Maschine, der Touch Screen des Plotters, Joystick fürs Bug- und oft auch Heckstrahlruder, Autopilot, weitere Knöpfe oder Joysticks zum Setzen und Trimmen der Segel und natürlich der Kompass. In den Joysticks steckt oft die Finesse einer proportionalen Bedienung: Leicht angetippt werden die Segel langsam und dosiert dicht geholt oder gefiert. Kräftig geneigt, wird der Job schnell erledigt. Bei großen und entsprechend breiten Booten gibt es das alles doppelt, an zwei Steuerständen.
Das macht die Handhabung großer und mit komplexer Technik ausgerüsteter Yachten einfach. Zunächst wurde die übersichtlich schlichte Steuersäule bei großen Yachten in den Achtzigerjahren zum stattlichen Pult. Seitdem hat sich eine Menge getan. Zunehmend raffinierte und kleinere Komponenten mit zusammengefassten Funktionen und Touchscreens mit vielseitigen Darstellungsmöglichkeiten erlauben zunehmend kompakte Einheiten. Der gestalterische Spielraum wird unübersehbar und phantasievoll genutzt.
Ein Meilenstein war die Wally «Tiketitan» mit dem 1998 eingeführten Magic Trim, einem unter Deck versteckten hydraulischen Schubgestänge für den automatischen Segeltrimm. Die wenigen Knöpfe zum Dichtholen oder Fieren dazu waren in Reichweite des Steuermanns. Damit ließ sich dieses 27 m Boot im Prinzip allein segeln.
Bei großen Yacht-Sonderanfertigungen ist der Steuerstand gestalterisches I-Tüpfelchen des gesamten Schiffes. Der Eigner, seine Familie oder Gäste haben ihn ständig vor Augen. Der Steuerstand wird für jede große Yacht individuell entworfen. Er ist markant, seine Säule oft kühn nach außen geneigt oder umgekehrt von der umlaufend angehobenen Bordwand nach innen. Bei dieser Variante schwebt die ganze Einheit dann elegant über dem Deck. Nach Steuerpulten, die mit verwirrend vielen Funktionen und Knöpfen bestückt sind, setzt sich neuerdings die minimalistische Übersichtlichkeit durch. Funktionen, die nicht unbedingt ständig im Blick sein müssen, werden in einem zweiten Panel an der Bordwandinnenseite oder auf einer dritten Konsole untergebracht. Für den Bildschirm des Plotters, dessen Lesbarkeit stark vom Tageslicht und Sonnenstand beeinträchtigt wird, gibt es ebenfalls individuelle Lösungen mit neig- und drehbaren Konsolen.
Auf breiten Decks, wo es wenig Gelegenheit zum Festhalten gibt, bietet die dritte Konsole willkommen umlaufende Griffleisten zur Sicherheit. Auf großen Yachten ist der Abstand zwischen den beiden Steuerständen so groß, dass der zusätzliche Halt auf dem geneigten Deck bei Seegang unverzichtbar ist. So wie beim Auto Außenspiegel in Wagenfarbe längst obligatorisch sind, werden die Steuerstände in der Farbe der Bordwand, Aufbauten und Süllränder lackiert.
Die moderne Technik erlaubt filigran gestaltete Säulen mit überschaubar kleinen Panels und wenigen Knöpfen. Dieses coole Design unterstreicht die sportliche Note des Bootes. Die Naben der Steuerräder werden dabei oft versteckt. Mal bleibt ihre Funktion in einem prominenten Gehäuse sichtbar. Ein Thema für sich sind die Steuerräder. Dank belastbarer Verbundbauweise aus Kohlefaser und Epoxidharz sind feingliedrige und dennoch haltbare Formen möglich.
Sie liegen gut in der Hand und kommen mit wenigen Speichen schick daher. Dank durchdachter Übertragung der Ruderkräfte mit leichtgängigen Seilzügen lassen sie sich verblüffend leichtgängig drehen. Ich hatte mal Gelegenheit, den 44 m langen Trendsetter «Esense» zu steuern. Das Boot machte bereits bei leichter Brise zehn Knoten. Von den Kräften am Scheunentor-großen Ruderblatt war dabei nichts zu spüren. Den 38 m Klassiker «Mariquita» am vergleichsweise kleinen Holzlenkrad mit kruder Technik zur Übertragung der Ruderkräfte durch die Bucht von Palma de Mallorca zu steuern war dagegen eine Fron.
Seit Jahren wird die Technik und das Design von Trendsettern und großen Yachten auf mittelgroße Boote übernommen, beispielsweise bei der Dehler 46 oder den aktuellen X-Yachten. Funktion, Ergonomie und Coolness steht auch kleineren Yachten gut.