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Segeln7 min Lesezeit

Schöner kentern – mit der Kielyacht!

Auch Kielyachten können kentern. Warum das kein Bein – pardon: Mastbruch sein muss.

Schöner kentern – mit der Kielyacht!
Hier legt sich eine kleine Yacht bei einfallender Böe "klassisch" aufs Ohr © adobe stock von IrkIng

" … und dann kam die eine, viel zu starke Böe und meine Yacht legte sich aufs Ohr, Mast und Segel auf der Wasseroberfläche!" Solche Sätze kann man nicht nur bei Langfahrtseglern lesen, sondern auch bei Wochenend-Skippern, die von widrigen Umständen auf dem Heimatrevier in die Horizontale gezwungen werden. Was tun?

Von Michael Kunst, veröffentlicht am 27.03.2025

Das erwartet Sie in diesem Artikel
  • Kentern mit der Kielyacht am Wind – wie kann das passieren?
  • Die Yacht legt sich vor dem Wind "auf's Ohr" – das passiert nur Regattaseglern, oder?
  • Warum hoher Seegang richtig gefährlich werden kann
  • Warum sich beim Kentern oft meterhohe Abgründe vor einem auftun

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Beim sportlichen Segeln auf der Jolle gehört eine gelegentliche Kenterung bei suboptimalen Wetterverhältnissen oder Steuerfehlern dazu. Und kann sogar Spaß machen, wie wir in Folge 1 unserer zweiteiligen Serie übers Kentern beschrieben haben. Es gilt lediglich, die eine oder andere Verhaltensregel zu beachten … und schon ist „der Kahn“ wieder aufgerichtet und es kann problemlos weiter gesegelt werden.

Die schönsten Kenterfotos gibt es logischerweise bei Regatten – da sind Fotografen immer zugegen. Hier Kielyacht mit Foils beim America's Cup © America's Cup
Die schönsten Kenterfotos gibt es logischerweise bei Regatten – da sind Fotografen immer zugegen. Hier Kielyacht mit Foils beim America's Cup © America's Cup

Kentert eine Kielyacht, kann es jedoch unter Umständen, die wir in den folgenden Zeilen beschreiben werden, zu problematischen, wenn nicht sogar gefährlichen Situationen kommen. Wie beim Jollensegeln gilt aber auch hier: Wer sich auf derartige Situationen gut vorbereitet, wird sie auch meistern.

Zunächst die gute Nachricht – Boote mit einem Kiel kentern unter einer Standard-Besegelung auch bei problematischen Bedingungen fast nie wie beim Jollensegeln steigt die Kentergefahr mit Kielyachten jedoch bei sich verschlechternden Wetter- und Seebedingungen und erhöhter Risikobereitschaft im sportlichen Regattaeinsatz.

Autsch, hier ist die Patenthalse nahezu unvermeidlich – eine Welle drückt einen Kleinkreuzer querab, gleich schlägt das Segel über, eine Kenterung droht. Und es dürfte einige Zeit dauern, bis die Yacht bei dem Wellengang sich wieder aufrichtet. Gefahr, dass das Boot vollläuft! © youtube Screenshot
Autsch, hier ist die Patenthalse nahezu unvermeidlich – eine Welle drückt einen Kleinkreuzer querab, gleich schlägt das Segel über, eine Kenterung droht. Und es dürfte einige Zeit dauern, bis die Yacht bei dem Wellengang sich wieder aufrichtet. Gefahr, dass das Boot vollläuft! © youtube Screenshot

Kielboote profitieren von einem hohen, wieder aufrichtenden Moment. Fällt etwa eine starke Böe in die Segel und bringt die Yacht zum Krängen, bewirkt das Gegengewicht im Kiel oder der Kielbombe, dass sich das Boot selbstständig wieder aufrichtet. Krängen Kielyachten sehr stark, laufen sie meist „aus dem Ruder“ und das Boot dreht von selbst in den Wind – eine Position, in der sich das Boot ohne den zuvor entscheidenden Winddruck im Segel spätestens wieder vollständig aufrichtet. Auch hierbei spielt das wieder aufrichtende Moment des Kiels eine tragende Rolle, da der Wind das Boot um die eigene Achse, mit dem Bug in die Windrichtung dreht.

Moderne Yachten profitieren zudem von einer konstruktionsbedingten Formstabilität, die ein Kentern zumindest erschwert, wenn auch nicht verhindert.

Immer wieder ein wunderbares Spektakel, wenn Rennkatamarane kentern. Aber ohne Begleitcrew sind sie kaum aufzurichten © sail GP
Immer wieder ein wunderbares Spektakel, wenn Rennkatamarane kentern. Aber ohne Begleitcrew sind sie kaum aufzurichten © sail GP

Soweit zur Theorie. In der Praxis ist es dennoch möglich, dass Kielyachten unter bestimmten Umständen kentern. Im Folgenden beschränken wir uns auf Kenter-Situationen von Einrumpf-Yachten. Wir gehen dabei von einer optimalen Sicherheitsausrüstung bei der Crew aus (automatische Schwimmweste, Lifelines, auf See auch PLB).

Kentern mit der Kielyacht – am Wind

Auf Binnenseen und in küstennahen Gewässern.
Was kann passieren? Trotz des erwähnten, wieder aufrichtenden Moments ist es möglich, dass eine Yacht, etwa unter dem Druck einer starken Böe bei nicht adäquater Segelfläche, kentert. Das Boot krängt so stark, bis Mast und Segel auf dem Wasser liegen (das Boot liegt "auf dem Ohr"). Bei „normalem“ Seegang wird sich das Boot – je nach Modell – ruckzuck wieder aufrichten (30 Sekunden bis 2-3 Minuten). Schäden am Boot oder am Segel sind nur selten zu fürchten.

Das aufrichtende Moment kann von der Crew unterstützt werden, indem Groß- und Vorsegel etwas oder nahezu vollständig gefiert werden.

Verhalten der Crew. Kielyachten reagieren auch unter starken Böen nur selten so schnell wie Jollen. Normalerweise bleibt der Crew ausreichend Zeit, um in der Krängung das Großsegel zu fieren. So wird der Druck aus dem Segel genommen, bevor das Boot aus dem Ruder läuft. Rudergänger kann (leicht!) anluven – hektisches Anluven verstärkt die Kränkung.

Steht das Boot wieder aufrecht im Wind, Großsegel dicht holen und nicht zu lange im Wind „schlagen“ lassen (Segellattenbruch, Segelriss, Salinge)

Nimmt das aufgerichtete Boot nicht sofort Fahrt auf, Vorsegel back stellen, um den Windeinfallswinkel zu erhöhen. Das Boot fällt ab, mit etwas Fahrt reagiert es wieder auf das Ruder und … weiter geht’s.

Sicherheit der Crew. Wer jemals eine Kenterung auf einer Kielyacht erlebt hat, weiß, warum eine Lifeline nicht nur Leben retten kann (weil man damit nicht ins Wasser fällt und hinter der nächsten Welle für immer verschwinden kann). Sondern auch vor Knochenbrüchen schützt.

Moderne Kielyachten sind nicht selten zwischen 2,5 und 5,0 m breit. Sitzen Sie im Cockpit im Moment der Lee-Kenterung auf der Luvseite, tut sich nicht selten ein „Abgrund“ vor ihnen auf. Wohl dem, der sich vor dem Sturz noch festhalten kann. Noch besser: Die (kurz angelaschte) Lifeline bewahrt sie vor dem Knutschen des gegenüberliegenden Süllrands oder vor einem meist schmerzhaften, rutschenden Seitenwechsel.

Für Mitsegler, die sich im Moment der Kenterung in Lee befinden (etwa nach einem Manöver), besteht die Gefahr, dass sie über Bord gespült werden. Festhalten, besser: Lifeline!

Hochseeregatta-Boote wie dieser IMOCA älteren Baujahrs müssen grundsätzlich einen Kentertest bzw den beweis des aufrichtenden Momentes durchführen. In diesem Video ganz interessant: es wurde auch innen gefilmt

Achtung: Wird nach dem Kentern das Großsegel gefiert, während Mast und Segel auf dem Wasser liegen, besteht Gefahr für die in Lee sitzende Crew durch Großbaum oder Großschot.

Falls sich Crewmitglieder bei drohender Kenterung unter Deck befinden, müssen diese unbedingt durch Zuruf gewarnt werden. Verletzungsgefahr!

Wichtig bei größeren Crews: Unbedingt nach dem Aufrichten Crew-Appell; um sicherzustellen, dass niemand unbemerkt über Bord gegangen ist.

Kentern mit der Kielyacht – am Wind

Auf hoher See
Was kann passieren? Im Vergleich zur oben beschriebenen Kenterung spielt auf hoher See, etwa bei Langfahrt, der Seegang eine entscheidende Rolle. Bei hoher Welle ab ca 3-5 m kann die gekenterte Yacht quer zur Welle schlagen und von einem „Brecher“ entweder „nur“ überrollt werden – wahrscheinlicher ist jedoch ein Durchkentern des Bootes oder der Yacht. Worst case – der Verlust des Mastes droht.

Verhalten der Crew
In dieser Situation wäre es fatal, nicht per Lifeline mit dem Boot verbunden zu sein. Auch unter Deck besteht größte Verletzungsgefahr beim „Roll over“.

In diesem Fall, also ohne Mast, wird sich das Boot relativ rasch wieder aufrichten. Noch schlimmer kann es werden, wenn der nächste Brecher das Boot erneut in den Vollwaschgang schickt.

Sicherheit
Wichtig bei größeren Crews: Unbedingt nach dem Aufrichten Crew-Appell, um sicherzustellen, dass niemand unbemerkt über Bord gegangen ist.

Der IMOCA von Jean Le Cam nach seiner spektakulären Kenterung während der Vendée Globe im Jahr 2009. Das Boot richtete sich nicht wieder auf, nachdem es die Kielbombe verloren hatte. © Vendée Globe Marine Chile
Der IMOCA von Jean Le Cam nach seiner spektakulären Kenterung während der Vendée Globe im Jahr 2009. Das Boot richtete sich nicht wieder auf, nachdem es die Kielbombe verloren hatte. © Vendée Globe Marine Chile

Schäden überprüfen, gegebenenfalls Notruf absetzen, Notrigg errichten, sobald sich die Lage an Bord etwas entschärft hat. Nur mit einem Notrigg oder dem Einsatz eines Motors (der aber meist auch vom Rollover in Mitleidenschaft gezogen wurde) ist es möglich, das Boot manövrierfähig zu halten.
Der Ablauf bzw. das Verhalten nach einem Mastbruch muss bei jeder Hochsee-Crew auf jedem Boot theoretisch „sitzen“.

Kentern mit der Kielyacht – vor dem Wind

Auf Binnenseen und in küstennahen Gewässern.
Was kann passieren? Bei starkem Wind können auch Yachten (ähnlich wie Jollen) auf Vorwind-Kursen kentern. In den meisten Fällen kentern Yachten vor dem Wind aufgrund zu großer gesetzter Segelfläche. Ist der Winddruck etwa in einen symmetrischen Spinnaker bei achterlichem Wind zu stark und ist ein „Spielraum zum Abfallen“ wegen drohender Halse nicht mehr vorhanden, werden die meisten Yachten mit dem „Geigen“ beginnen. Die Boote rollen respektive pendeln dann stark krängend von einer Seite zur anderen, also von Luv nach Lee und zurück.

Am kritischen Punkt dieses Aufschaukelns kann die Yacht aus dem Ruder laufen.

Szenario A: Das Boot läuft aus dem Ruder, wenn die Yacht nach Lee krängt (also zur Seite des Großsegels). In diesem Fall wird die Bredouille mit allerhöchster Wahrscheinlichkeit in einem Sonnenschuss enden (siehe oben).

Durch das große Vorsegel (egal ob symmetrischer oder asymmetrischer Spinnaker) besteht eine höhere Kentergefahr im Sonnenschuss.

Verhalten der Crew: Wie beim Kentern im Sonnenschuss am Wind (siehe oben). Ausnahme: Häufig muss der Spinnaker eingeholt werden, um ein Wiederaufrichten des gekenterten Bootes zu erleichtern: Spi-Fall lösen, Spinnaker bleibt im Wasser, während sich das Boot aufrichtet. Spinnaker aus dem Wasser an Bord nehmen.

Szenario B: Das Boot läuft aus dem Ruder, wenn die Yacht nach Luv krängt. Eine „Patenthalse“, also eine unkontrollierte, ungewollte Halse ist die Folge. Darauf folgt in den meisten Fällen ein Sonnenschuss, der wiederum mit Kenterung enden kann.

Verhalten der Crew: siehe oben.

Sicherheit: Neben dem Sturz von Luv nach Lee stellt die Patenthalse ein weiteres Risiko für die Crew dar. Der Baum schlägt mit hoher Wucht von der „alten“ zur „neuen“ Leeseite. Besondere Vorsicht also bei Yachten mit relativ niedriger Baumhöhe. Ebenso fegen Großschot und Großschotblöcke bei Patenthalsen häufig regelrecht durch das Cockpit. Auch hierbei hohe Verletzungsgefahr!


!Kentern mit der Kielyacht – vor dem Wind
Auf hoher See.
Hoher Wellengang kann das Geigen respektive Rollen der Yacht vor dem Wind verstärken. Die Yacht kann so vor dem Wind ebenfalls querschlagen, von der nachfolgenden Welle buchstäblich überrollt werden und durchkentern.

Das Resultat ist das gleiche wie beim Kentern in hoher See auf Kreuzkursen, also am Wind – Desaster. Ein Mastbruch ist die wahrscheinliche Folge, ganz zu schweigen von möglichen Verletzungen bei der Crew.

Fazit

Ähnlich wie beim Jollensegeln ist beim Kentern mit einer Yacht, wenn also „die Sonne auf den Kiel scheint“, noch lange nicht aller Tage Abend. Allerdings sind die Risiken für Bruch an Boot und Segel oder Verletzungen bei der Crew deutlich höher einzustufen, als beim Kentern mit einer Jolle.

Dennoch: Keine Panik, wenn sich ihr Kielboot einmal „aufs Ohr legen“ sollte. Vertrauen Sie auf das konstruktionsbedingte, wieder aufrichtende Moment Ihrer Yacht.

Übrigens sollten Ihnen die Konstrukteure oder Werft Ihrer Yacht genaue Auskünfte über die Formstabilität und das aufrichtende Moment Ihrer Segelyacht geben können.

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