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Segeln7 min Lesezeit

Schöner kentern – mit der Jolle!

Scheint die Sonne auf das Schwert … ist noch lange nicht aller Tage Abend!

Schöner kentern – mit der Jolle!
"Wer noch nie mit einer Jolle kenterte, weiß nicht, was Spaß auf dem Wasser ist!" Ben Ainslie © miku

Das Boot krängt und krängt und – klatsch liegen Mast und Großsegel auf der Wasseroberfläche. Und jetzt? Wir beschreiben drei typische Kenter-Situationen. Und wie man dieselben geschmeidig meistert!

Von Michael Kunst, veröffentlicht am 29.11.2024

Das erwartet Sie in diesem Artikel
  • Kentern nach Lee – der Mast bleibt an der Wasseroberfläche
  • Kentern nach Lee – das Boot kentert durch
  • Kentern nach Luv – wann es kritisch wird
  • Und überhaupt: Warum kentern Jollen eigentlich?
  • Schöner kentern auf Mono-Rumpf-Jollen: kurz, knapp, klar erklärt.

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„Scheint die Sonne auf das Schwert, macht der Segler was verkehrt!“ Gibt es unter Jollenseglern einen abgedroscheneren Spruch? Wohl kaum – dabei setzt diese Binsenweisheit genau dort an, wo’s beim Jollensegeln kritisch wird und jeder „hallowach“ sein sollte: Wenn das Schwert aus dem Wasser auftaucht, könnte es problematisch werden.

Schöner kentern auf der Zwei-Personen-Jolle

Je nach Jollenart und Einsatz kann Kentern mit Segeljollen so selbstverständlich sein wie das Klatschen der Wellen unter dem Rumpf. Gerade bei „kippeligen“ Regattajollen gehört etwa in Starkwind-Situationen Kentern zum Spaß dazu – wenn das in einer Regatta auch einige Plätze kosten kann.
Wieder aufgerichtet, erledigt sich bei vielen Jollen eventuell übernommenes Wasser im Nu: Einmal in Fahrt fließt „der Gruß aus dem See“ durch Lenzklappen rasch wieder ab.

Etwas mehr "tricky", aber immer noch gut zu bewältigen: Kentern auf dem 29er

Selbstverständlich können auch Fahrtenjollen kentern; im Prinzip ist kein Schwertboot davor gefeit. Sind diese Boote„beladen“, kann es zu unangenehmen Situationen kommen, etwa wenn die Jollen volllaufen und sie – wie mitunter noch der Fall – keine Lenzklappen haben. Dank Auftriebskörpern werden sie zwar nicht untergehen, aber ein Wiederaufrichten ohne Hilfe von außen wird nur schwer möglich sein.

Ohne "Hängen" klappt es nicht © miku
Ohne "Hängen" klappt es nicht © miku

In den nachfolgenden Zeilen wollen wir uns jedoch ausschließlich mit drei klassischen Versionen des Kenterns auf MONO-RUMPF-JOLLEN mit selbstlenzendem Cockpit beschäftigen:
Kentern nach Lee mit aufliegendem Mast und Segel – Schwert parallel zur Wasseroberfläche.
Durchkentern – Mast zeigt nach unten, Schwert ist himmelwärts ausgerichtet.
Luvkenterung – Segel, Baum und Mast fallen Richtung ausreitender Crew.

Lebenswichtig: Das Wiederaufrichten von Booten nach deren Kenterung (welcher Art auch immer) kann sehr kräfteraubend sein. Im Extremfall besteht sogar Verletzungsgefahr, etwa durch den „überkommenden“ Baum. DESHALB NIE OHNE RETTUNGSWESTE SEGELN.

Die Gründe für eine Kenterung

Machen wir es nicht komplizierter, als es ist: Mit Wind und somit Druck im (dicht geholten) Segel neigt sich die Jolle zur Seite. Bis zu einem gewissen Grad wirkt dieser Krängung das Ausreitgewicht der Crew und das Schwert der Jolle entgegen.

Von den Kleinen lernen: Angstfrei kentern, bei jedem Wetter © miku
Von den Kleinen lernen: Angstfrei kentern, bei jedem Wetter © miku

Reichen Ausreitgewicht und der Hebelarm des Schwertes nicht mehr aus und wird der Druck im Segel nicht reduziert, krängt das Boot unweigerlich so weit zur Seite, bis der Mast und die Segel auf dem Wasser liegen. Kurz zuvor gibt es zwar noch einen schwachen Widerstand, wenn das untere Ende des Schwertes durch die Wasseroberfläche stößt, doch meistens reicht der Schwung der Krängung bis zur Kenterung.

Ob das Boot bereits kurz darauf durchkentert und wie lange es „nur“ mit dem Mast und den Segeln auf der Wasseroberfläche „liegen“ bleibt, hängt von der Bootskonstruktion, von der Windstärke, dem Seegang und dem Verhalten der Crew ab. Einige Ausbildungsboote haben Auftriebskörper an der Mastspitze, die verhindern, dass man durchkentert.

Wie kann eine Kenterung vermieden werden?

Grundsätzlich wird der Krängung einer Jolle mit Ausreiten oder Trapez entgegengewirkt. Reicht dies nicht mehr aus – etwa in einer stärkeren Böe – können das Großsegel, in wenigen Fällen auch die Genua gefiert werden, um den Druck aus dem Segel zu nehmen. Achtung: möglichst Fahrt im Boot behalten!

Nach der Wende: Das kann nicht gut gehen! © miku
Nach der Wende: Das kann nicht gut gehen! © miku

Manche Jollenskipper luven bei einer einfallenden Böe zusätzlich an, teilweise bis sie im Wind stehen. So wird zwar ebenfalls Druck aus den Segeln genommen, die Gefahr, dass das Boot beim anluven noch mehr krängt und dann kentert, ist jedoch relativ groß. Fieren und +- auf Kurs bleiben ist in den meisten Fällen die kentersicherste Lösung

Übrigens: Häufig geschehen Kenterungen auch durch falsches Steuern. Wer zum Beispiel in der Böe abfällt, erhöht den Druck im (nicht gefierten) Großsegel. Dann ist schnell „Schluss mit lustig“…

Das Boot kentert nach Lee – was tun?

Jetzt passiert es doch! Stellen Sie sich vor, Sie segeln am Wind und sitzen auf der Luvseite einer Zwei-Personen-Jolle. Beide Segler reiten aus. Das Boot krängt stark, das Großsegel wird nicht ausreichend oder zu spät gefiert und in gefühltem Nullkommanix liegen Mast und Segel auf dem Wasser.

Situation 1: Beide Segler haben angemessen Zeit, um ein Bein über die (nun nach oben ragende) Luvseite des Bootsrumpfes zu schwingen. Im Idealfall robbt die schwerere Person der beiden zum Schwert und stellt sich darauf, greift an den Süllrand oder an die Wante. (Bei einigen Bootstypen ist das Schwert sogar breit genug für zwei Personen).

Gleich wird es nass! © miku
Gleich wird es nass! © miku

Wichtig: lösen Sie Groß- und Vorschot aus der Klemme, damit beim und nach dem Aufrichten des Bootes das Segel keinen Vortrieb oder erneute Krängung erzeugt. Zudem löst sich das Boot bei gefierten Schoten besser aus der Kenterung.

Auf dem Schwert stehend, gehen Sie in die Hocke und ziehen das Boot wieder zurück in die Wasserlage. Das kann etwas Geduld erfordern, je größer die Segelfläche, desto länger wird der Vorgang dauern. In nahezu allen Fällen dreht sich das Boot dabei in den Wind.

Mit etwas Glück können beide Segler beim Aufrichten mit einem beherzten Schwung weg vom Schwert ins Boot trockenen Fußes in die Jolle zurückgelangen.

Gemeinsam oder lieber einsam aufrichten? © miku
Gemeinsam oder lieber einsam aufrichten? © miku

Wer beim Aufrichten ins Wasser fällt, sollte sich auf der Luvseite wieder ins Boot stemmen respektive hineinklettern (sieht mitunter doof und unbeholfen aus, ist aber die einzige Lösung!)

Weitere Möglichkeit: Schot seitlich über Süllbord ziehen, an Schot festhalten, stehend aufs Ende des Schwertes, nach außen lehnen (Schot immer noch festhalten – Hebelarm!) und das Boot langsam aufrichten.

Situation 2: Eine der beiden Personen fällt ins Segel des kenternden Bootes. Dies kann u.a. dann passieren, wenn der Vorschoter im Trapez segelt. Häufig kentert dann das Boot aufgrund des Personengewichtes im Segel durch (siehe weiter unten „Durchkentern“).

Bei manchen Bootstypen fällt der Segler zwischen Großbaum und Süllrand ins Wasser.

Trapezsegler: In Ruhe aushaken, auch wenn sie bereits im Wasser sind! Achten Sie darauf, dass Sie sich nicht in Schoten verheddern. Immer besonnen agieren!

Kurz vor der Kenterung – oder finden sie noch die Balance? © Cathy Giacomini
Kurz vor der Kenterung – oder finden sie noch die Balance? © Cathy Giacomini

Schwimmen Sie frei um das Boot herum auf die Luvseite zum Schwert. Hängen Sie sich an das Schwert (falls dort bei Mehr-Personen-Crews nicht schon ein Kollege hängt). Das Boot wird sich langsam aufrichten und in den Wind drehen. Achtung: Das Boot scheint auf Sie zuzufallen – stemmen Sie sich gegen den Rumpf, so werden Sie seitlich vom Boot weggeschoben!
Sobald das Boot im Wind steht und die Schoten nicht schon vorher gefiert wurden: Schoten aus der Klemme ziehen.

Das Boot kentert durch

Situation 3: Nach einer Kenterung wie oben beschrieben sinkt der Mast tiefer, das Boot kentert durch, das Schwert ist vertikal himmelwärts ausgerichtet.
Mit hoher Wahrscheinlichkeit schwimmen Sie jetzt neben Ihrem Boot. Sollten sich Schoten in den Beinen verheddert haben – in Ruhe klarieren! Falls bisher nicht geschehen: Schoten aus den Klemmen ziehen.
Klettern Sie auf den Bootsrumpf und stellen Sie sich das Schwert. Oder hängen Sie sich wie oben beschrieben ans Schwert.

ACHTUNG: Drehen Sie Ihren Rücken der Windrichtung zu, in den Wind!

So vermeiden Sie, dass Ihr Boot nach dem Aufrichten auf der anderen Seite erneut kentert und das Segel auf die Crew fällt oder dieselbe unters Boot gerät.
Ansonsten: Verhalten wie oben!

Das Boot kentert nach Luv

Situation 4:

Sie segeln mit viel Gewicht auf der Kante ausreitend in ein Windloch und Ihnen „kommt der ganze Schlamassel entgegen“.
Vor dem Wind segelnd passiert eine Patenthalse, die zur Kenterung nach Luv führt.

Zwei Szenarien, die beide das gleiche Resultat nach sich ziehen: Sie fallen nach Luv ins Wasser.

Gefahr: Mit hoher Wahrscheinlichkeit fällt Ihnen der Großbaum samt Großsegel entgegen!

Hier wird die gesamte Bandbreite des Kenterns auf einem Vorwind-Kurs demonstriert

Schützen Sie Ihren Kopf mit den Händen; in den meisten Fällen können Sie den Großbaum sogar abfangen (die Wucht ist weniger stark, als man zunächst annimmt). Oder ducken Sie sich unter dem Großbaum weg.
In beiden Fällen werden Sie gleichzeitig rückwärts ins Wasser fallen. Trapezsegler: In Ruhe aushaken, auch wenn einige Augenblicke getaucht werden muss.

Es können unangenehme Situationen folgen. Sie landen unter dem Großsegel, das auf der Wasseroberfläche liegt. Ruhe bewahren – nahezu alle Jollengroßsegel können mit einer Hand so weit angehoben werden, dass Sie Luft holen können. Danach tauchen Sie seitlich weg – auch dazu sollte die Luft allemal reichen.

Weiteres Worst-Case-Szenario: Sie landen unter dem (umgedrehten) Rumpf. Das ist weniger schlimm, als man sich zunächst vorstellt. Denn dort können Sie in der Luftblase des Cockpits Luft holen. Bevor sie seitlich abtauchen. Achtung: Schoten!

Grundsätzlich gilt:

Üben Sie Kentern genauso, wie sie Manöver trainieren. In jeder anständigen Segelschule gehört Kenter-Training zum Basis-Programm. Warum also nicht auch bei Ihnen im Frühjahrs-Aufwärmtraining?

Wichtig ist, dass die Handgriffe und Bewegungsabläufe genauso „sitzen“, wie das Belegen einer Schot oder das Setzen eines Spinnaker-Baums.

Übrigens, auf den ersten Meter nach dem Wiederaufrichten des Bootes: Keine Hektik aufkommen lassen. Das Boot steht im Wind, der Steuermann fällt mit der Pinne in wenigen Stößen ruckartig ab, die Segel „füllen“ sich, die Großschot und das Vorsegel werden entsprechend dichtgeholt, die Crew kommt in Ausreitposition und ab geht die Lucy!
Will das Boot doch nicht abfallen, hilft ein „beherzter“, ruckartiger Zug am Großsegel Richtung Luv. Die meisten Boote drehen sich so leichter aus dem Wind in Kursrichtung.

Merke: Scheint die Sonne auf das Schwert, ist noch lange nicht aller Tage Abend!

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