Kaufberatung7 min Lesezeit
13 Tipps zum Jollenkauf
Das erste Boot prägt Ihr Seglerleben
Die Jolle ist der beste Einstieg in den Wassersport. Wichtig dabei ist, dass Sie als Einsteiger wesentliche Dinge richtig machen. Fangen Sie holzfrei an, bleiben beim KIS-Prinzip und steigen zu gegebener Zeit um.
Von Erdmann Braschos, veröffentlicht am 08.12.2016, aktualisiert am 15.04.2024
Das erwartet Sie in diesem Artikel
- Gesichtspunkte zur Ein- oder Zweimannjolle
- worauf bei der Auswahl des ersten eigenen Boots zu achten ist
- welches Material und welche Ausstattung praktisch ist
- Kunststoff statt Holz
- Keep it simple
- Tipps zur Besichtigung einer gebrauchten Jolle
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Allein oder zu zweit ablegen?
Der Schritt an Bord einer Jolle, die allein oder zu zweit gesegelt wird, ist eine prägende Entscheidung. Kinder und Jugendliche, die früh mit der Handhabung von Schot und Pinne vertraut gemacht werden, beginnen meist solo mit einer Optimistenjolle und steigen später auf größere Ein- oder Zweimannjollen um.
Vorteile des Alleinsegelns
Der Vorteil des Alleinsegelns ist, das man konzentrierter ist, sich besser auf Wind und Wellen einlässt, als wenn man zu zweit ablegt. Da wird schon mal gequatscht, man ist abgelenkt und kann dem Mitsegler bei einem Missgeschick die Schuld in die Schuhe schieben.
Für den Solisten ist es sehr interessant bei Wind mit dem Hintern wenige Zentimeter über dem Wasser außenbords zu hängen, mit beharrlichem Bauchmuskel-Einsatz das Gefährt annähernd aufrecht zu halten, Böen mit einem leichten Luvschlenker anzuschneiden, zu beobachten und ständig zu verfeinern, wie es am besten läuft. Am besten klappt es mit gleichgesinnten bei der Regatta oder sich zufällig auf dem Wasser ergebenden Privatscharmützeln.
Elementarer, konzentrierter und naturnaher kann man nicht segeln als mit einem Opti, einer Europe Jolle, einem Laser, der O, der OK-Jolle oder Finn Dinghi. Ab vier Windstärken sind Sie nach zwei Stunden alle und kehren zufrieden zurück. Versuchen Sie mal, einen generös besegelten Laser, eine Ok-Jolle, ein Finn oder eine O-Jolle bei frischen Wind ungekentert über die Bahn zu bringen. Wenn Sie das eine Weile gemacht haben, können Sie segeln!
Vorteile der Zweimannjolle
Erwachsene, die später mit dem Segeln beginnen, lernen es mit einem der gängigen Segelschulboote, die meist zu zweit oder vielleicht sogar zu dritt gesegelt werden. Das ist geselliger und auch sicherer, weil man eben nicht alleine kentert, Patenthalsen oder sonstigen Blödsinn macht, der zum Segeln lernen nun mal dazu gehört.
Segeln Sie als Paar Jolle!
Als Paar gemeinsam Jolle segeln
Sehr schön ist es, wenn Sie als Paar gemeinsam segeln lernen und - ganz wichtig - sich an der Pinne/Großschot und der Vorschot abwechseln und sich das neue Metier gemeinsam erschließen. Es ist mit Abstand der beste und auch sicherste Weg aufs Wasser. Gerade dann, wenn Sie später größere Boote segeln oder Yachten chartern. An Bord der Jolle lernen Sie sehr schnell, was auf dem Wasser zählt, entwickeln ein Gefühl und auch den entscheidenden 7. Sinn. Denn allein wenn Sie den Wind lesen können und wissen, was Strömung mit dem Boot und Ihnen macht, kommen Sie mit dem Boot bei Manövern klar.
1. Das preiswerte hässliche Entlein ist okay
Für den Segeleinsteiger sind die stabile Schwimmlage, eine größtmögliche Kentersicherheit und gutmütig-berechenbare Eigenschaften wichtiger als Geschwindigkeit, Regattatauglichkeit und Agilität auf dem Wasser. Erste Orientierung hierzu bieten Tests, beim Gebrauchtbootkauf Vergleiche verschiedener Jollen. Nehmen Sie ruhig mit dem hässlichen, aber preiswerten Entlein vorlieb, wenn Sie für Ihre Familie und sich klären möchten, ob es ihr Metier ist oder eines Tages noch wird. Da versenken Sie gegebenenfalls weniger Geld.
2. Es gibt unkaputtbare Typen
Es gibt unkaputtbare Typen wie beispielsweise die wahrlich robuste Conger-Jolle mit beeindruckenden Wandstärken. Deren Rumpf lässt sich schwerlich weich segeln und der Falz am Übergang vom Rumpf zum Deck verzeiht die unvermeidbaren Rempler beim Anlegen.
3. Kentern gehört zur Lernkurve
Unverzichtbar sind fest eingebaute Auftriebskörper. Kentern gehört zur Lernkurve, ist aber nur halb so schlimm, wenn das Boot nicht absäuft und man es selbst wieder über die Wasseroberfläche und dann trocken kriegt. Wichtig sind Inspektionsluken für die einlaminierten Auftriebskörper eines Kunststoffbootes. Die Deckel dazu lassen sich zwar beim Bootsausrüster nachkaufen, sollten beim ersten Schlag montiert sein.
4. Der Nutzwert ist wichtiger als das Boot
Für den Einsteiger geht es ums Ausprobieren, Kennenlernen des Segelsports. Daher steht die Nutzung des Bootes, weniger das Boot selbst, im Vordergrund. So sollte die Jolle unbedingt pflegeleicht sein. Sie sollte zweitens nur mit den Dingen ausgestattet sein, die man für die ersten Schritte auf dem Wasser überhaupt braucht (siehe auch: Das KIS-Prinzip: Keep it simple).
5. Keine Exoten
Entscheiden Sie sich für ein beliebtes, weit verbreitetes Fabrikat. Damit finden Sie am besten Kontakt zu Gleichgesinnten auf dem Wasser. Es ergeben sich mehr Möglichkeiten zum Erfahrungsaustausch. Die Beschaffung von Ersatzteilen (second hand, über die Klassenvereinigung oder Foren) ist einfacher und vor allem günstiger. Am besten ist es, wenn der Bootstyp noch gebaut wird. Entscheiden Sie sich für die mehrere hundert bis tausend Mal gebaute Jolle, keinen Exoten.
6. Fangen Sie holzfrei an
Auch die Ausrüstung sollte bewährt und robust sein. Das lohnt sich gerade bei Jollen, die Jahrzehnte alt sind. Lieber einen einfachen und weniger bequemen Ausreitgurt, als eine Ausführung, die wiederholt zu reparieren ist. Entscheiden Sie sich für ein Boot, keine Baustelle.
7. Achten Sie auf die Ausstattung des Bootes
Schauen Sie sich die Ausstattung des Bootes genau an. Ist die Jolle komplett, mit allem sinnvollen Zubehör zu bekommen? Gibt es eine Persenning, einen Slipwagen und/oder Trailer? Sind die Abdeckplane und der Hänger benutzbar? In welchem Zustand sind die Segel? Wie viel Garderobe gibt es dazu? Was ist sonst dabei: Festmacher, Fender, Paddel, Ösfass/Pütz? In welchem Zustand sind Mast, Baum, Vorstag und Wanten? Ist alles – einschließlich der Lochbleche oder Spannern - für den Masttrimm vorhanden und auch komplett? Sind die Fallen zum Setzen und Bergen der Segel brauchbar oder am Ende? Erste Hinweise bieten die sogenannten Fleischerhaken (lose Drahtlitzen). Weitere Informationen zur Ausrüstung: Checkliste Bootskauf
8. Segeln Sie das Boot
Takeln Sie es gemeinsam mit dem Verkäufer auf und auch wieder ab. Segeln Sie es (siehe: Probefahrt). So lernen Sie das Boot, seinen Zustand und die spätere Handhabung am besten kennen.
9. Gibt es Macken von Grundberührungen?
Wie sehen das Schwert und das Ruderblatt aus: Gibt es Macken von Grundberührungen? In welchem Zustand befindet sich der Bolzen für das Schwert und auch der Schwertkasten selbst? Gibt es da an den chronisch belasteten Stellen Risse? Wie sieht die Ruderanlage, bestehend aus der Aufhängung mit den Scharnieren, der Hoch- und Niederholer für das Ruderblatt aus?
10. Schauen Sie sich den Rumpf an
Wie sieht der Rumpf aus? Gibt es Risse, Dellen, Beulen oder Riefen? Ist er an den üblichen Druckstellen durch die Lagerung an Land und vom Transport auf dem Anhänger weich?
11. Ist das Boot ein Schnäppchen?
Ist das Boot ein Schnäppchen mit eine, Wartungsstau und entsprechender Reparatur Agenda, so prüfen Sie mit handwerklichem Sachverstand, ob sich das mit Bordmitteln zuhause im Carport oder Garten selbst reparieren lässt. Weiche Stellen im Rumpf lassen sich von innen mit einigen Lagen Glasfaser reparieren, soweit sie zugänglich sind. Handwerkliches Geschick oder ein Kumpel, der das schon mal gemacht hat, vorausgesetzt.
12. Ein paar gescheite Ruder. Die «springen» immer an!
In den meisten Gewässern, außer auf Flüssen oder in Tidenrevieren ist ein Außenborder entbehrlich. Er stört mit seinem Gewicht am Heck des Bootes und bei einer Kenterung ist sein Innenleben mindestens nass wenn nicht futsch. Interessanter sind bei der Wanderjolle ein paar gescheite Ruder und Dollen. Damit kommen Sie durch jede Flaute. Das beste: Die «springen» immer an.
13. Der Trailer
Zu guter Letzt schauen Sie sich den Trailer an. Ist er komplett? Dürfen Sie damit überhaupt noch auf die Straße und das Boot abholen? Wie alt ist die Bereifung? Lässt sich das Spornrad verstellen? Wie sieht der Stecker aus? Geht die Beleuchtung? An Spanngurten oder Leinen für die Mitnahme des Bootes nach der Besichtigung soll es nicht scheitern. Die bringen Sie zur Not selbst mit.
Wie es weitergehen kann
Wenn Sie gemeinsam mit der Partnerin oder einem Freund Spaß am Segeln gefunden haben, steigen Sie vom robusten, gutmütigen und unkaputtbaren Allrounder auf ein interessanteres, spritzigeres und entsprechend kippeligeres Boot um. Wie wärs mit einer Trapezjolle mit großer Genua und Spinnaker für den Tiefflug? Ein 470er, Korsar oder gar ein Flying Dutchman, ein Geschob, dass Könner auf dem am Wind Kurs bereits zum Gleiten bringen, bietet unvergeßliche Stunden - spektakuläre Kenterungen inklusive.
Wenn Sie mehr der Solist sind, bleiben Sie bei Einmann/frau Jollen wie dem Laser, Europa, OK oder Finn. Das sind endlos interessante, bei Wind fordernde und tolle Boote. Die halten Sie halbwegs aufrecht am Wind, solange Ihre Oberschenkel und Bauchmuskeln das hergeben. Nach einer Regatta mit Gleichgesinnten bleiben die Mundwinkel bis Mittwoch oben. In etwa bis dahin spüren Sie auch den Muskelkater. Kann sein, dass der Neuprenanzug abends stinkt wie Hulle. Dafür gibt es zuhause den Balkon.