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Magie des Anfangs
Was Segeleinsteiger dem Routinier zeigen
Wer das erste Mal an Bord geht, ist hingerissen von Dingen, die der routinierte Segler nicht mehr spürt, weil sie ihm selbstverständlich erscheinen: Ablegen, Segel setzen, allein vom Wind angetrieben durch die Bucht, über den See oder Sund gondeln.
Von Erdmann Braschos, veröffentlicht am 26.02.2018, aktualisiert am 12.10.2024
Das erwartet Sie in diesem Artikel
- was Neulinge bei ihrem ersten Tag an Bord erleben und beschäftigt
- die wunderbar elementare Begegnung mit Wind und Wasser
- was Anfänger dem erfahrenen Segler zeigen
- das faszinierende Handwerk des Segelns
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Seit Jahrzehnten bin ich mit Anfängern oder Mitseglern unterwegs, die noch nie an Bord waren oder nur ausnahmsweise auf dem Wasser sind. Dabei bin ich immer wieder verblüfft, was Segeleinsteigern unterwegs so auffällt.
Vor einigen Jahren blieb ein Mitsegler bei einem Am-Wind-Kurs von Kühlungsborn nach Travemünde mit seiner Kamera eine Weile vor dem Mast. Was gibt’s da wohl zu knipsen, dachte ich. Das ist banal, x-mal gesehen.
Er hatte am Mast lehnend gesehen und gefilmt, was das Boot aus ganzen zwei Windstärken macht. Wie der schlanke Bug durch die Ostsee prescht und das Schiff mit federndem Vorstag über das Meer jagt. Christian Drewing aus Berlin hat es in seinem einminütigen Clip festgehalten.
Es war ein Tag mit wenigen lichten Stellen im grauen Himmel, einem schiefergrauen, leicht blaustichigen Meer und bremsender Altsee von vorn. Ich hatte mich damit beschäftigt, ob es wohl aufbrist und wann wir die Genua durch die Fock ersetzen müssen. Ob es heute regnet. Ob der Wind auf Süd dreht. Ob wir unser Ziel überhaupt direkt anliegen können. Und ob wir es ohne Schlag bis Travemünde schaffen. Ob, ob, ob. Um später das Besondere dieser Segelstunden zu sehen, benötigte ich den Blick durch die Kamera meines Begleiters, der selten auf dem Wasser ist.
Neulich ging ich mit einer Familie segeln, die ihren Sommerurlaub seit Jahren auf einem Campingplatz am Südstrand von Fehmarn verbringt. Die drei waren neugierig auf alles: vom Ablegen im engen Hafenbecken übers Segel setzen bis zum Einstellen der Schoten. Sie waren fasziniert von der Ruhe an Bord und was das Boot aus dem bisschen Wind macht.
Es war der erste neblige Tag des Spätsommers. Die Sonne brauchte Kraft, um den Dunst wegzudrücken und eine thermische Brise aufzubauen. Nachmittags setzten wir weit draußen auf der Ostsee dann den 130 qm Spinnaker. So was kannten sie nur von Fotos oder von Ballon-Veranstaltungen im allertiefsten Binnenland. Der Blick vom Deck nach oben unter den Spinnaker ist ziemlich banal. Aber schön ist er auch.
Sie beobachteten staunend, wie einfach, wie elementar Segeln ist. Gegen Abend bewegten die «blutigen Anfänger» das Schiff dann allein. Sie wussten, wie das mit dem Wenden geht, wozu Backstagen nötig sind und wie die bedient werden. Sie waren unvoreingenommen gekommen und neugierig auf diese ihnen fremde Welt. Vor allem hatten Sie einen Riesenspaß daran, die acht Tonnen Windmühle nur mit der leichten Brise Wind lautlos zu bewegen und alles allein zu machen.
Ich saß zehn Meter weiter vorn im Bugkorb, ließ die Beine vom Deck baumeln und sah mein Boot, das mir vertraute Pläsier, mit anderen Augen. Der Fehmarnsund plätscherte am Bug vorbei. Auf der Landzunge des Krumm Steert, einem Naturschutzgebiet im Westen Fehmarns gackerten, gurrten und quakten die Seevögel.
Ich erinnerte die fast vergessenen Tage des Jollensegelns. Damals, als ich selbst mit Schot und Pinne, Wind und Wasser spielte und endlos unter Segeln herumvagabundierte. Da war sie wieder, die Magie des Anfangs.