Werftporträt6 min Lesezeit

Nautor Swan - Der gekonnte Spagat

Wie die finnische Werft zwei widersprüchlichen Bedürfnissen entspricht

Nautor Swan - Der gekonnte Spagat
Jollenartiges Seesegeln mit der neuen "Club Swan 36" © Nautor Werft

Mit sportlicheren Modellen und dem modernen Look der neuen "Club Swan"-Range sind der Erzeugnisse der angesehenen finnischen Nautor Werft interessanter denn je.

Von Erdmann Braschos, veröffentlicht am 25.09.2018

Das erwartet Sie in diesem Artikel
  • wie Swan Yachten seit jeher gekonnt zwei Bedürfnisse befriedigen
  • die Geschichte der renommierten Nautor-Werftbauten
  • wie die Werft parallel zu ihren gediegenen Fahrtenyachten eine Flotte agiler Regattaboote aus der Halle schiebt

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Segler brauchen zwei Boote: eines, mit dem man Spaß auf der Regattabahn hat und eins für verbummelte Wochenenden. Mit dem sogenannten Cruiser-Racer versuchen Konstrukteure und Werften beide Wünsche in Einklang zu bringen. Ein anspruchsvoller Spagat, den die Branche seit Jahrzehnten mit immer neuen Modellen versucht. Manchmal gelingt er. Oft aber auch nicht.

Die finnische Nobelwerft Nautor ist mit ihren Booten da schon länger im Thema. Seit der 1968 vorgestellten Swan 36. Deren Baunummer 3 namens «Casse Tete» sorgte damals im Solent, dem Mekka des Segelsports, für Furore. Sage und schreibe 90 Boote entstanden in drei Jahren. Die Swan 36 ist bis heute eines der erfolgreichsten Nautor Modelle. Und das, obwohl sie damals mit £ 8.500, $ 24.000 oder DM 79.500 (ohne MwSt.) teuer bis unerschwinglich war.

Der Kniff des Sparkman & Stephens Design Nr. 1710: es konnte seinerzeit sowohl in der RORC Klasse II, als auch als Eintonner starten. Und man konnte damit auf Törn gehen, weil sich der V-förmige Rumpf fürs Seesegeln eignet.

Die Konstruktionen der angesehenen New Yorker Yachtarchitekten Sparkman & Stephens, die gnadenlosen Inspektionen des S&S Außendienstlers Rod Stephens, der zügig angehobene handwerkliche Standard in Finnland, Dokumentation und Service schufen den besonderen Nimbus. Die Swan 48 oder die Swan 65 mit keilförmig angehobenem Deck - in meinen Augen außerordentlich gelungene Serienyachten - machten die Erzeugnisse dann zur Marke. Als der mexikanische Waschmaschinenfabrikant Ramon Carlin gemeinsam mit einer Crew von Amateuren 1974 das Whitbread Round the World Race (später Volvo Ocean Race genannt) gewann, genoss Nautor’s Swan Weltruf. Beim nächsten Hochsee Maraton 1977/78 waren gleich drei Swan 65 dabei.

Doch gab es mit einem bald eingestellten Motorsegler-Experiment, später behäbigen Deckssalon Booten oder einer Abteilung für Sonderanfertigungen auch Irritationen. Mit allzu konservativen Booten und solchen, die netto auf der Regattabahn funktionierten, brutto (ausgebaut) beim Fahrtensegeln aber kaum, verspielte Nautor (wie andere Werften leider auch) Glaubwürdigkeit. Zwar war die Werft dank der gediegenen Ausstattung und exzellenten Holzausbauten der Swan Yachten stets eine gute Adresse. Doch der Spagat zwischen Segelleistung und Törntauglichkeit gelang nicht mehr. Grand Prix Regatten wurden und werden in kostspieligen und leeren Sonderanfertigungen ausgetragen. Konkurrenten wie Baltic Yachts, eine Gründung ehemaliger Nautor Mitarbeiter, die mit der konservativ schweren Bauweise massiver Laminate schon bei der Swan 65 nicht einverstanden waren, überzeugen seit den Siebzigern mit ihrem Komposit Knowhow. Sie liefern deutlich leichtere Boote für anspruchsvolle Kunden auf der Suche nach der seglerischen High Fidelity. Es gibt eine beeindruckende Flotte von Baltic Yachten deutscher und schweizerischer Eigner. Im Süden griff die monegassische Marke Wally in den Neunzigerjahren mit konzeptionell starken, auf- und abgeräumten Cruiser-Racern an. Seit Jahren starten Wallys vor Portofino, Porto Cervo oder Saint Tropez in ihrer eigenen Klasse.

Ende der Neunzigerjahre brauchte die Nautor Werft Geld und eine unbeirrt verfolgte Strategie. Beides brachte der versierte Segler und Geschäftsmann Leonardo Ferragamo von der florentiner Schuh- und Modemarke Salvatore Ferragamo mit.

Zunächst schien es fraglich, wie ein Modekaufmann eine Werft führen kann. In den Sternen stand auch, wie Italiener und Finnen zusammenarbeiten. Ob mediterraner Lifestyle und der berechtigte Stolz der Handwerker in Jakobstad/Pietarsaari, die seit Jahrzehnten die besten Serienyachten der Welt bauen, harmonieren. Es knirschte. Die Finnen stöhnten und für das italienische Management war der Aufenthalt im finsteren und klirrend kalten Norden eine wahre Prüfung.

Die Modelle wurden modernisiert, die Decks entrümpelt. German Frers, schon lange mit dem Entwurf der Swan-Yachten vertraut, brachte als Wally-Konstrukteur Input von seinen Entwürfen für Monaco mit. Die Vorsteven wurden steiler, die Heckpartien breiter. Modisch, wohlfeil, gestalterisch brutal oder experimentell wurden die Nautor Yachten dennoch nie. Die Steven blieben lange geneigt. Gemeinsam mit Hauskonstrukteur Frers kultivierte Nautor die Noblesse unaufgeregten, gediegenen Yachtbaues. Man braucht ein Auge, um die Zurückhaltung zu schätzen und die feinen Retuschen zu erkennen.

Ein Beispiel ist die Swan 601, ein fortschrittlich leicht gebauter Cruiser Racer mit herausnehmbaren Einrichtungs-Modulen. Er wurde 2004 bis 2007 leider nur sechs Mal gebaut. In meinen Augen ein Traumschiff – angesichts geringer Stückzahl aber leider ein Flop. Erfolgreicher waren die Club Swan 45, die 2001 bis 2010 in 51 Exemplaren entstand und die 57 Mal gebaute Club Swan 42. Letztere wurde als Einheitsklasse des New York Yacht Club eingeführt. Mit diesen Booten fasste Nautor wieder auf den Regattabahnen Fuß und wurde für sportliche und jüngere Eigner interessant. Aber es war - typisch Nautor - ein konventionelles Design.

Neulich schlug Nautor mit der verblüffenden bis irritierenden Club Swan 50 ein interessantes Kapitel auf. Der 2016 vorgestellte 50-Füßer ist ein agiles, seglerisch faszinierendes Boot. Die Segeltragzahl von 6, ein von abgefahrenen Regattabooten bekannter Wert, bringt das auf den Punkt. Die Segeltragzahl verrechnet die Verdrängung mit der Segelfläche. Üblich sind Werte von 4 – 5, bestenfalls über 5.

Club Swan 50 - Sexappeal für die Regattabahn
Club Swan 50 - Sexappeal für die Regattabahn © Nautor Werft

Ein maskulines Design mit negativem Deckssprung, Rammsteven und dem Schwertfischlook des Klüverbaums für den 279 qm Gennaker. Die Club Swan 50 gleitet bereits bei 2.500 U/min der Maschine mit 9,5 kn. Mit Teakdeck, einer gediegenen Ausstattung zum Wochenend-Bummelsegeln und der Option für den Sommer-Törn. Ein kühner Wurf des von Volvo Ocean Regattabahnen bekannten Konstrukteurs Juan Kouyoumdjian. Mit den herkömmlichen Nautor Yachten hat er den Swan typischen Zierstreifen mit dem Pfeil am Bug gemeinsam und den gepfefferten, der yachtbaulichen Qualität jedoch angemessenen Preis von gut einer Million Euro. Endlich wieder ein Trendsetter aus Finnland. Sauteuer, sauschnell – ein Must-have für Segler, für die Regattabahn und verbummelte Stunden zwischendurch. Segelspielzeug zum Schwach werden.

Der florentiner Markenfuchs Leonardo Ferragamo macht den heute unmöglichen Spagat Cruiser Racer anders: Er baut Cruiser und Racer. Ferragamo hält mit schnellen, sportlicher wirkenden Touren-Booten vom argentinischen Ästheten German Frers Kurs. Das geht auch ohne unpassend voluminöse Deckshäuser.

Mit der Club Swan Range aus dem Rechner von Juan Kouyoumdjian zieht er die zweite Linie hoch. Die Regattaserie namens Nations Trophy veranstaltet er gleich selbst.

Vorbereitung der Club Swan 125
Vorbereitung der Club Swan 125 © Nautor Werft

Im Sommer wurde ein 36-Füßer vorgestellt. 2019 soll mit der Club Swan 125 allen Ernstes ein 38 Meter Serienboot folgen. Man wird damit Grand Prix Regatten segeln können. Im Sommerurlaub gibt es bestimmt genug Platz für die Familie und Freunde.

Formenbau für die nächste Swan in Finnland
Formenbau für die nächste Swan in Finnland © Nautor Werft

Wer lieber demnächst eine gediegene Swan segelt, statt von einer unerschwinglichen neuen Nautor Yacht zu träumen, dem empfehle ich ein altes Sparkman& Stephens Modell wie die 48er oder 65er. Letztere gibt es selten auch als Slup. Es sind leider schwere, mit unhandlich großem Vorsegeln konzeptionell veraltete Schiffe. Aber sie sind schön, unverwechselbar, gediegen und zum schwach werden.

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VG