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Segeln8 min Lesezeit

Neue Segelyachten: ringsum anders

Was sich Bootskonstrukteure und Werften seit einer Weile ausdenken

Neue Segelyachten: ringsum anders
Die Sunbeam 32.1 im maskulinen Look und Cappuccino-Metallic © Sunbeam Yachts

Aktuelle Segelyachtmodelle unterscheiden sich vom Bug bis Heck von allem, was wir auf dem Wasser kennen. Gestalterisch, funktional und auch farblich. Ein Blick auf kühne Würfe, Bestseller und den vorerst letzten Schrei.

Von Erdmann Braschos, veröffentlicht am 31.12.2025

Das erwartet Sie in diesem Artikel
  • rückwärts geneigte und neuerdings gekrümmte Vorsteven
  • die Sunbeam 32.1
  • die Shogun 43 und 50
  • die ClubSwan 50 und ihre Nachfolger
  • die Dehler 30 One Design
  • die XR41 von X-Yachts
  • Einflüsse von Regattabooten

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Senkrechte Vorsteven sind bei Segelbooten lange üblich. Deshalb werden sie als sogenannter „inverted bow“ neuerdings rückwärts geneigt und nun auch noch eine Idee nach hinten gekrümmt. Um den Zugang zum Deck der Sunbeam 32.1, einem Feuerwerk an Innovationen, zu ermöglichen, erfolgte eine Verlängerung des Bootes über den Bug hinaus. Unten hängt der startklare Anker, oben die ein- oder ausgerollte Fock.

Schon die englischen Lotsenversetzer und Rennkutter des 19. Jahrhunderts hatten messerscharfe, senkrechte Vorsteven mit ausfahrbarem Bugspriet. Den rückwärts geneigten Bug mit Rammsteven unter Wasser kannten schon die alten Phönizier. Und weil Rümpfe mit langer Wasserlinie schneller sind, waren die Schlachtschiffe des Ersten Weltkriegs damit unterwegs. Jetzt werden diese Ideen aufgenommen, überarbeitet und mit anderen Designelementen kombiniert, neu vom Stapel gelassen.

Fast wie von einem anderen Planeten. Im November 25 waren 55 Sunbeam 32.1 verkauft
Fast wie von einem anderen Planeten. Im November 25 waren 55 Sunbeam 32.1 verkauft © Sunbeam Yachts

Die schweren Bugspriets sind jetzt aus Karbon, schweben ausfahrbar oder starr vor dem Bug. Sie machen die Boote beeindruckend vielseitig, ermöglichen riesige Leichtwindsegel und auch bei viel Wind beherrschbare Gennaker für rasante Raumschotsritte. Lesen Sie dazu den Beitrag über Segelrollanlagen.

Die Sunbeam 32.1 ist vom verlängerten Deck bis zum achterstagslosen Heck modern
Die Sunbeam 32.1 ist vom verlängerten Deck bis zum achterstagslosen Heck modern © Sunbeam Yachts

Es gibt endlose Gelegenheiten, eine Yacht erfrischend anders zu gestalten

Als sich der Salzburger Markenspezialist Gerald Kiska mit der Sunbeam 32.1 beschäftigte, fragte er Werftleiter Andreas Schöchl, ob er „mutig oder sehr mutig“ sei. Dass sich Schöchl für Letzteres entschied, ist dem 2020 vorgestellten Ergebnis anzusehen. So fasziniert und irritiert bereits der Bug dieses Bootes mit langer Wasserlinie und rückwärts geneigtem Steven unter einem gestreckten und oben ausladend breiten Deck. Dessen Kante weist Spritzwasser ab. Die gewonnene Fläche bietet Platz zum Anbordgehen, Manövrieren und Sonnenbaden. Die Werft nennt es „Flight Deck“. Natürlich hätte man das alles mit einem geraden Vorsteven einfacher haben können, aber das gibt es bekanntlich schon.

Das gestreckte Deck über dem rückwärts geneigten Bug der Sunbeam 32.1
Das gestreckte Deck über dem rückwärts geneigten Bug der Sunbeam 32.1 © Kiska/Sunbeam Yachts

Auch die markant ins Vorschiff eingelassenen Fenster lassen zweimal hingucken. Die gibt es nur bei mittelgrossen Motorbooten und eben der Sunbeam. Von aussen akzentuiert die eigenwillige Form den rückwärts geneigten Bug. Unter Deck bieten die Fenster einen wassernahen Blick nach vorn und seitlich aufs Wasser. Hier ist morgens gleich aus der Koje zu sehen, was draussen los ist und in welcher Richtung das Boot am Ankerplatz liegt. Die pfiffige Machart verwandelt das bislang umschlossene und dunkle Vorschiff in eine freundliche und helle Kajüte, in der man sich wohlfühlt.

Die Sunbeam 32.1, ein Boot mit Durchblick
Die Sunbeam 32.1, ein Boot mit Durchblick © Sunbeam Yachts

So sind die aktuellen Trendsetter von aussen nach innen entwickelt und zugleich von innen nach aussen, was dem Bordleben zugutekommt. In zwei Richtungen gleichzeitig denken oder rasch nacheinander, ist bekanntlich keine leichte Aufgabe. Ausserdem sind Kellerschiffe mit dunklem Tropenholzausbau Siebziger.

Bei der 2024 vorgestellten Shogun 43 der noch jungen schwedischen Bootsmarke sind die abgetönten Scheiben mittschiffs in die Bordwand eingelassen. Hier hat man im Salon sitzend Blick aufs Wasser. Von aussen korrespondiert die Fensterform mit der Verglasung des Kajütaufbaues. Eine Kreation des Stockholmer Produktdesigners Oscar Södergren, der gemeinsam mit seinem Vater, dem namhaften Bootskonstrukteur Håkan Södergren schon manche bemerkenswerte Segel- und Motoryacht entwickelt hat.

Das Rumpffenster der Shogun 43 bietet sitzend Ausblick
Das Rumpffenster der Shogun 43 bietet sitzend Ausblick © Shogun Yachts

Auch sonst lässt der markante Look der neuen Segelyachten mit Kimmkanten in der Bordwand Konventionen achteraus. Er ist die Domäne der Nischenanbieter. Sie ist mit komplexen Formen anspruchsvoll zu laminieren. Allein für die Sunbeam 32.1 sind es sage und schreibe 20 verschiedene. Wer heute im Nischenmarkt Boote von gestern anbietet, geht im Einerlei unserer Häfen optisch unter. Versuchen Sie mal, aktuelle Volumenmodelle wie die Bavaria C38, die Beneteau Oceanis 37.1, die Jeanneau Sun Odyssey 380 von der Hanse 360 zu unterscheiden.

Alles, ausser das nächste Average White Boat

Mit dem nächstbreiteren und hochbordigeren Volumenmodell, wie es schon allerorten schwimmt und beim Bootshändler oder auf dem Messestand steht, locken kleine Anbieter und Newcomer niemand hinter dem Ofen hervor. Das nächstbreitere und hochbordiger Wide-Body-Modell aus weissem Gelcoat kennen wir schon. Die Amerikaner nennen es schon länger AWB, „average white boat“.

Zwar wird mit Metalliclackierungen, und Flipflop-Effekten, wo sich die Farbe je nach Blickwinkel ändert, ein wenig nachgeholfen. Der Effekt nutzt sich allerdings rasch ab. Deshalb sind viele Neubauten mit gedeckten Farbtönen unterwegs, wie sie bei aktuellen Automodellen von Audi bis Porsche gefragt sind. Eigner, die heute Geld für Segelspielzeug ausgeben, möchten etwas Anderes, ein gestalterisches Statement. Bei der besagten Sunbeam wurden gleich alle Register gezogen.

Spagat zwischen Markenzugehörigkeit und frischem Design

„Dinge, die von Anfang an als schön empfunden werden, sind nach einem halben Jahr fad“, meint der Sunbeam-Gestalter Kiska. Es ist ein anspruchsvoller Spagat, den Gestalter und Werften da versuchen. Es braucht Fingerspitzengefühl zwischen Vertrautem und Wagnis. Für die österreichische Werft hat sich das Wagnis mit mittlerweile (Stand November 25) 55 verkauften Booten offenbar gelohnt.

Einen ähnlichen Spagat machte die finnische Nobeladresse Nautor’s Swan bereits 2016, als sie anlässlich ihres 50-jährigen Werftjubiläums mit der ClubSwan 50 gestalterisch neue Ufer ansteuerte. Mit negativem Deckssprung, Rammsteven und dem Schwertfischlook des Bugspriets. Ein kühner Wurf des argentinischen Konstrukteurs Juan Kouyoumdjian. Abgesehen von gestalterischen Gesichtspunkten ist die ClubSwan 50 dank leichter Bauweise und stattlicher Segelfläche eine Rakete. Folgende Zahlen belegen es: Gesamtlänge mit Bugspriet 16,74 m, Leergewicht ganze 8 1/4 t, am Wind-Besegelung 158 qm, Gennaker 235 qm.

Spassboot für die Regattabahn: ClubSwan50
Spassboot für die Regattabahn: ClubSwan50 © Nautor's Swan

Die Verbindung zur Marke wurde neben der geschätzten Qualität mit dem Swan-typischen Zierstreifen und dem Pfeil am Bug gewahrt. Ebenso mit dem gediegenen Ausbau in durchdachter Dual-Purpose-Einrichtung des Bootes, die sich zum Fahrtensegeln eignet und für Regatten ausräumen lässt. Der Spagat gelang auch dank traditionell yachttypischer Farben wie Weiss, Blau oder Grün. Mit diesem mutigen Schritt unterstrich der Florentiner Modekaufmann und Markenfuchs Leonardo Ferragamo die sportliche Note von Nautor’s Swan. Der 50-Füsser wurde zum Auftakt weiterer ClubSwan‑Modellen. Leider wurde die Fertigung dieses tollen Bootes neulich bereits nach 28 Exemplaren schon eingestellt. Die ClubSwan50 war neu richtig teuer. Heute ist sie gebraucht zu haben.

Mit Rippen am Bug fängt die Shogun 50 schon mal ziemlich anders an
Mit Rippen am Bug fängt die Shogun 50 schon mal ziemlich anders an © Shogun Yachts

Die ClubSwan50 inspirierte Mats Bergryd zur 2020 vorgestellten Shogun 50. Der Stockholmer Segler wollte im Prinzip das gleiche Boot noch einmal, jedoch mit variablem Tiefgang für die Schären und auch sonst nach ringsum eigenem Gusto. Die Södergrens entwarfen es und trieben mit dem neulich vorgestellten 43-Fuss-Modell die Andersartigkeit noch ein wenig weiter. Es gibt bislang eine Shogun 50 (Bergryds eigenes Boot) und zwei Shogun 43, eine in Weiss und eine in Schwarzmetallic.

Der Nachteil des rückwärts geneigten Bugs ist überkommendes Spritzwasser. Die waagerechten Rippen am Shogun 50 Bug weisen es ab und bieten zugleich eine gestalterische Alleinstellung. Der rückwärts geneigte Bug ist bei Regattabooten interessant, wo der oben zum Deck hin abgewinkelte Rumpf Gewicht spart, Wind und Wasser wenig Widerstand bietet. Das nötige Volumen bietet die bullige Vorschiffspartie unten. Sie leitet früher als bei herkömmlich schlanker Bugpartie die Gleitfahrt ein, sofern das Boot leicht ist. Bei Regattabooten und zahlreichen Sonderanfertigungen wird diese Form von Boot zu Boot immer weiter optimiert. Der aggressive Look signalisiert den Ehrgeiz, mit dem die Boote um die Bojen gescheucht werden. Und in den Häfen der Côte d’Azur oder Costa Smeralda geht man damit nicht unter.

Die Dehler 30 One Design mit abgewinkeltem Übergang vom Rumpf zum Deck
Die Dehler 30 One Design mit abgewinkeltem Übergang vom Rumpf zum Deck © Dehler/Hanse Yachts

Diesen Look übertrug die 2019 bis 24 gefertigte Dehler 30 One Design ins Erschwingliche zehn Meter Format. Der Entwurf von Judel/Vrolijk ist ein innovatives Segelspassboot, in dem bis zur komplett einziehbaren Propellerwelle für widerstandsarme Fahrt interessante Ideen stecken.
Allein dieses Detail zeigt, wie viel Begeisterung in die Entwicklung in die Dehler 30 One Design ging.

Der eine Idee weiter achtern stehende Karbonmast ermöglicht grosse Vorsegel. Wasserballast macht das Boot steifer. Das leeseitige Ruderblatt der Doppelruderanlage gewährleistet Kontrolle bei grenzwertigen Bedingungen. Ein Segelspassboot mit Übernachtungsoption, dessen drei Tonnen raumschots von bis zu 133 qm Segelfläche teils über, teils durch das Wasser gezerrt werden. Eine Versuchung für junge und junggebliebene Segler. Nachdem Hanse die Fertigung dieses betrüblicherweise eingestellt hat, bleibt der Kauf als Gebrauchtboot. Wie bei der ClubSwan steht hinter der Dehler eine engagierte Klassenvereinigung. Das macht beide Modelle auch Secondhand zu einer guten Wahl.

Die neue XR41 wirkt wie von einem anderen Stern
Die neue XR41 wirkt wie von einem anderen Stern © X Yachts

Neuerdings knüpft die bekannte dänische Werft X Yachts mit der XR41 an den sportlichen Ursprung der Marke im ebenfalls modernen Design an. Sie versucht es wie Dehler, im etwas grösseren, fahrtentauglicheren Format und natürlich ein wenig anders. Der Rumpf ist 4,18 m breit und 12,75 m lang. Mit permanentem Bugspriet sind es 14,58 m (47 Fuss).

Dank der schlanken Wasserlinie des Hecks segelt die XR41 mit einem anstelle der heute üblichen zwei Ruderblätter
Dank der schlanken Wasserlinie des Hecks segelt die XR41 mit einem anstelle der heute üblichen zwei Ruderblätter © Mick Friis

XR41 im heute üblichen Schwertfischlook mit langem Rüssel für den Gennaker
XR41 im heute üblichen Schwertfischlook mit langem Rüssel für den Gennaker © X-Yachts

Die XR41 ist in zwei Konfigurationen entweder zum Regatta- oder Tourensegeln mit 2,40 und 2,70 m Tiefgang und unterschiedlichen Grosssegelformen zu haben. Sie wiegt knapp über 7 Tonnen. Das Boot wurde auf der Boot 25 in Düsseldorf vorgestellt und zügig verkauft. Das Debüt auf den Regattabahnen der Saison 2025 war vielversprechend. Bei der XR41 kommt die Andersartigkeit ein wenig selbstverständlicher daher. Die Dänen haben das Thema bis zur wassernah schlanken Heckpartie, die eine Doppelruderanlage entbehrlich macht, anders angepackt. Das ist praktisch, weil das Boot rückwärts im Hafen dahin motort, wo es hin soll.

Shogun 43 in karbonschwarz und mit waagerecht gefalztem Spiegel
Shogun 43 in karbonschwarz und mit waagerecht gefalztem Spiegel © Shogun Yachts

Bekanntlich gibt es hinten offene Achterschiffe mit gerade abgesägtem Spiegel schon. Von der Seite sieht die Shogun 43 aus, als hätte sie ein traditionelles, positiv geneigtes Heck. Der Blick von oben zeigt, dass es abgerundet ist. Der Blick von hinten verrät, dass es offen, gefalzt und unten herum bullig gewölbt ist. Selbst ein bislang eher unbeachtetes Detail wie ein Spiegel lässt sich also anders gestalten. So locken lifestylige Designer und experimentierfreudige Bootsbauer die nächsten Käufer.

Da passt sogar die Funktionskleidung zum karbonschwarzen Rumpf und den Segeln, deren Grün der Trimmstreifen der Wasserpass farklich wiederholt. Sie sieht sie gerade aus, die Welt der irritierend andersartigen, vom schrägen Bug bis zum gefalzten Heck neu gedachten Boote. Oscar Södergren zufolge ging es bei den Shogun-Yachten um gute Performance bei Double Handed Regatten, gutes Abschneiden nach der aktuellen ORC-Vermessung und Fahtentauglichkeit zugleich.

Die Shogun 43 ist vom rückwärts geneigtem Bug bis zum Heck anders
Die Shogun 43 ist vom rückwärts geneigtem Bug bis zum Heck anders © Shogun Yachts

Ich habe die Södergrens mal gefragt, was Sie sich bei den Shogun-Yachten jenseits der gestalterischen Andersartigkeit gedacht haben. „Im Vergleich zum heutigen Trend zu sehr breiten Booten sind sie etwas schlanker. Auch das Unterdeckslayout ist bewährt. Einerseits skandinavisch, zugleich mediterran offen“ meint Oscar Södergren.

Was vom aktuellen Bling-Bling bleibt, werden die nächsten Jahren zeigen. Letztlich zählen Eckdaten wie Gewicht im Verhältnis zur Besegelung, die Wasserlinienlänge, Segeltragevermögen und Tiefgang. Auch zentrale Gesichtspunkte wie vorwärts anlegen, der bequeme Zugang zum Boot, Rauhwassertauglichkeit, Kielaufhängung, die Bauweise und Qualität massgeblicher Komponenten wie des Kiels sind wichtig. Lesen Sie dazu diesen Beitrag.

VG