Boote im Porträt7 min Lesezeit
Hanse 315 - junge Gebrauchte
Hanse 315 - junge Gebrauchte

Warum die Hanse 315 nicht nur Einsteiger begeistern dürfte. Ein entspanntes Wochenende auf einem coolen Boot.
Von Michael Kunst, veröffentlicht am 19.03.2018, aktualisiert am 28.03.2023
Das erwartet Sie in diesem Artikel
- Warum „junge Gebrauchte“ auch im Wassersport Begeisterung hervorrufen
- Die Hanse 315 ist erst seit 2015 auf dem Markt, zählt aber schon zu den besonders begehrten Gebrauchtbooten.
- Die Hanse 315 kann guten Gewissens Einsteigern und jungen Familien empfohlen werden.
- Bei zwei Motorvarianten rät das Bauchgefühl zur größeren Version.
- Unterschiedliche Ausstattungspakete sorgen für gewisse Preisdifferenzen – auch gebraucht!
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Hanse 315: Der ideale Partner für Ihren Segeltrip
Es müssen ja nicht immer «alte» sein – auch auf dem Bootsmarkt gibt es «junge Gebrauchte», die, ähnlich wie bei den Automobilen, viele Vorteile mit sich bringen. Neben einem meist hochinteressanten Preis-Leistungs-Verhältnis (wie viele andere Produkte, verlieren auch neue Yachten oft überproportional an Wert während der ersten «Lebens»jahre) sind es vorwiegend technische und demografische Aspekte, die wenig gebrauchte, noch relativ frische Yachten interessant machen.
Typische Kinderkrankheiten sind überwiegend schon «ausgeheilt» und auf potenzielle, vorwiegend im Alter anfällige Problembereiche wie Rigg, Motor, Kiel oder Segel kann man sich noch gut verlassen. Beim Kauf von älteren Gebrauchtbooten benötigt man für diese Schlüsselpositionen oft einige Erfahrung, reichlich Know-how und nicht selten das berühmte Händchen zum Basteln. Was wiederum die besondere Eignung von «jungen Gebrauchten» für Segel-Einsteiger nach sich zieht.
Sehr begehrt
Die Hanse 315, im Jahr 2015 auf den Markt gekommen und u. a. European Yacht of the Year 2016/Family Cruiser, vereint die o.g. Aspekte. Das junge Judel/Vrolijk-Design wird bereits vereinzelt auf dem Gebrauchtmarkt angeboten oder mit interessanten Rabatten in raren Einzelfällen direkt von der Werft in Sonderausstattungen (oder vormalige Testboote?) veräußert. Gemeinsamer Nenner: Die Boote sind nie lange im Angebot, gehen weg «wie geschnitten Brot».
Im letzten Herbst hatte der Autor die Gelegenheit, eine Hanse 315 auf einem Zwei-Tage-und-eine-Nacht-vor-Anker-Törn zu segeln. Sein vorweg genommenes Fazit: Selten ein so entspanntes Wochenende erlebt!
Es mag paradox erscheinen, dass ausgerechnet die sogenannten Einsteiger-Boote einer Fahrtenyacht-Serie häufig im Vergleich zu den größeren Yachten der Palette den meisten «Segelspaß» bieten. Kunststück: Je kleiner die Yachten, desto näher am Wasser und desto größer die Befriedigung, unter Segeln im Einklang mit den Elementen von A nach B zu gelangen. Eigentlich ist es unverständlich, dass sich Eigner, die sich mit ihrer Yacht «verbessern» wollen, fast immer ein größeres Schiff kaufen. Auch beim Segelsport könnte gelten: In der Kürze liegt die Würze.
Apropos, eigentlich ist die «kleinste Hanse» gar nicht mal so klein. 9,62 m ü. a. und 9,10 m Rumpflänge waren vor 20 Jahren in den meisten Großserienwerften mittlere Größe. Doch heutzutage fangen die Fahrtenyacht-Modellreihen der großen Serienwerften eben erst bei ca. 30 Fuß an.
Ohne Wenn und Aber
Die gesegelte Yacht war mit zwei Steuerrädern ausgestattet. Das verleiht dem Boot auf den ersten Blick einen rassigen, schnellen Eindruck und wirkt selbst auf überzeugte Pinnensegler irgendwie «cool», zumindest aber modern. Allerdings gibt es die beiden Steuerstände nur als Option: Die Basis-Version der neuen Hanse 315 wird per Pinne gesegelt. Man fragt sich jedoch, wie das bei dem vollständig auf die Steuerräder ausgerichteten Plicht-Layout überhaupt funktionieren soll – wahrscheinlich gingen die Hanse-Macher davon aus, dass ohnehin jeder auf die coole Rad-Optik abfahren wird.
Einmal draußen auf See segelt sich die «kleine Hanse» locker-flockig mit dem «kleinen Finger», dass es eine wahre Freude ist. Womit wir bereits beim wichtigsten und wohl überzeugendsten Kaufargument für eine gebrauchte oder fast neue Hanse 315 angelangt wären: Das Boot segelt sich klasse. Ohne Wenn und Aber!
Wir sind eine erstaunliche Höhe in allerdings gemäßigter Welle gefahren, waren auch mit einem Reff noch gut an der Windkante unterwegs und konnten mit dem Gennaker auf raumem Kurs so richtig in Fahrt kommen. Dabei gab es bei (jetzt wieder schwächerem) Wind von drei bis vier Beaufort logischerweise keine Glitscherlebnisse, sondern «nur» den Spaß, ein Maximum bei gegebenen Windstärken aus dem Schiff zu holen. Aber für Rasereien ist die «Hanse 315» auch gar nicht konzipiert.
Vielmehr machen ihre Erbauer keinen Hehl daraus, was diese Yacht tatsächlich ist und eben bleiben soll: eine Fahrtenyacht. Punktum.
Einhand- und (somit) familientauglich
Die Hanse 315 liegt so gut auf dem Ruder, dass sie auch in manchmal als «haarig» empfundenen Situationen noch beherrschbar bleibt. Selbst wenn man sie absichtlich in eine extreme Lage respektive Krängung «drückt», läuft sie keineswegs aus dem Ruder. Und bei Manövern im Stile von «Abfallen bei ordentlichem Druck in der Luft und etwas spät gefiertem Groß» macht sie brav und ohne große Kraftanstrengungen am Steuer mit.
Familienfreundlich und gleichzeitig was fürs Abenteuerliche: Die Hanse 315 ist schon in der Basisversion aufs Einhandsegeln ausgerichtet. Alle Fallen werden vom Mast Richtung Plicht geführt und die Winschen sind für Steuerfrau und Steuermann gut erreich- und bedienbar, ohne dass sie den Steuerstand verlassen müssen. Eine Travellerschiene sorgt für gute Trimmmöglichkeiten auch bei anspruchsvolleren Windstärken. Und die Selbstwendefock
«steht» wie eine Eins und versieht in jedem Manöver gewissenhaft ihren Dienst. Für die Crew oder selbst für EinhandseglerInnen besteht mit der Selbstwendefock jedoch die Gefahr einer gewissen «Manöverlangeweile». Es sei denn, man/frau empfinden schon den Seitenwechsel als sportliche Betätigung. Merke: Selbst auf den entspanntesten Booten will die Crew gerne etwas «zu tun» haben.
Innere Werte
Wie es sich für einen Cruiser gehört, zeigt die Hanse 315 auch dann wahre Stärken, wenn sie ruhig vor Anker oder am Steg in der Marina liegt. Denn ihre «inneren Werte» stehen ihrer seglerischen Qualität in nichts nach.
Früher wurde ja bei Fahrtenbooten gerne das Wort «Raumwunder» genutzt. Bis man eines Tages feststellte, dass bei einem sichtlich riesigen Platzangebot analog die Segeleigenschaften litten, weil bestimmte «Wunder» innen von außen betrachtet schon rein optisch ein Alptraum waren. Denn dem Innenraum wurde über Jahrzehnte hinweg im Cruising-Segment oft genug zu viel kompromisslose Beachtung geschenkt.
Bei der Hanse 315 halten sich seglerische Kapazitäten, visuelle Wohlgefälligkeit und Wohnkomfort im wahrsten Sinne der Worte die Waage. Denn nur mit einem ausgefeilten Innenraumkonzept lassen sich auch gute seglerische Leistungen abrufen. Und nur wer an den richtigen Stellen Kompromisse eingeht, kann letztlich eine erfolgreiche Yacht abliefern.
Bei der angeblich «kleinen» Hanse 315 ist das jedenfalls bravourös gelungen. Man hat tatsächlich den Eindruck, auf einem größeren Schiff zu sein. Wenn man das als «Wunder» bezeichnen will – also gut!
Der Autor durfte in der Eigner-Kabine vor Anker schwojen respektive schnarchen und lag also quer in der Heckpartie des Bootes. Natürlich hat man dort kein Loft-Gefühl, doch war der Platz mehr als ausreichend. Und einmal muss man ja schließlich auch merken, dass man auf einem Boot unterwegs ist, oder?
Die Nasszelle (backbord, direkt neben Niedergang) ist vergleichsweise voluminös und kann für Cruiser in dieser Größenklasse als «state of the art» bezeichnet werden. Wer sich jemals bei bockigen fünf Windstärken zwecks Notdurft rückwärts in eine Toilette in Jugendkleiderschrankgröße zwängte, weiß, was gemeint ist.
Wie bei fast allen Yachten unter zehn Metern Länge sind vernünftigerweise «nur» zwei Kabinenbereiche vorgesehen: hier im Vorschiff und im Heck. Der «Salon» besticht dank langer Seitenfenster und einer transparenten Luke durch außerordentliche Helligkeit, selbst bei geschlossenem Niedergang. Der Smutje-Bereich ist dagegen eher zurückhaltend und auf echte Fahrtensegler-Tauglichkeit ausgerichtet. Denn wer glaubt schon diesen Werbevideos, in denen Fünf-Gänge-Menüs mal eben schnell abends vor Anker in der Bordkombüse gezaubert werden?
Bauch rät zu größerem Motor
Unter Motor (Diesel 18 PS, Saildrive, 2-Blatt-Festpropeller) ließ sich die Hanse 315 ebenso entspannt schippern. Allerdings herrschten bei uns keine schwierigen Bedingungen. Wer jedoch häufig auf Revieren unterwegs ist, wo längere Strecken gegen Wind und Welle und vielleicht sogar Strom gefahren werden müssen, dem sei dringend zum größeren Motor (21 PS) geraten. Zumindest empfiehlt das des Autors Bauchgefühl…
In der Marina ließ sich die Hanse 315 unter Motor korrekt bewegen, fuhr sauber relativ enge Wendekreise und parkte für ein Boot ihrer Größenklasse normal ein. Deutlich besser soll das übrigens mit der «Hanse 315-E Motion Rudder Drive» funktionieren, von der wir allerdings noch kein gebrauchtes Exemplar auf dem Markt gefunden haben. Bei der vollständig von einem Torqeedo-E-Motor angetriebenen Yacht agiert der Propeller im Ruder. So wird der Schub in die jeweilige Richtung der Ruderstellung gelenkt – drehen auf dem Teller oder eine punktgenaue Ansteuerung der Box ist somit ohne Weiteres möglich.
Summa summarum ist die Hanse 315 eine Yacht, die man guten Gewissens «Einsteigern» und etwa jungen Familien empfehlen kann, auf der man aber auch als alter Salzbuckel richtig viel Segelspaß haben wird. Knackige Optik, coole Ausstattung und die immer wieder zu erwähnenden sehr guten Segeleigenschaften machen die Yacht, insbesondere als «junge Gebrauchte» höchst begehrenswert.
Ein Tipp: Hanse handelt wie einige andere Werften auch mit unterschiedlichen Ausstattungspaketen (z. B. Navigations-, Cruising-, Performance-, Gennakerpaket, synthetisches Teak und vieles mehr). Sie sollen den Serienyachten eine Art individuellen Charakter verleihen. Gebrauchtbootkäufer müssen also sorgfältig die jeweils gegebenen Ausstattungen vergleichen und hochrechnen. So kann es nämlich leicht passieren, dass die «junge Gebrauchte» deutlich über dem Neu-Basispreis von ca. 73.000 Euro liegt.