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Ratgeber für den Bootskauf7 min Lesezeit

Ein Drahtseilakt?

Worauf es beim stehenden und laufenden Gut ankommt. Und wie war das mit dem Mast beim Bootskauf?

Ein Drahtseilakt?
Gebrauchtbootkauf: Mast, stehendes und laufendes Gut – alles klar? © aitoff © pixabay

Es dürfte wenig überraschen, wenn wir bei Boot24 ein Thema bearbeiten, das beim Segel-Gebrauchtbootkauf einen fundamentalen Stellenwert einnimmt: Austausch- und Wartungsintervalle von stehendem und laufendem Gut, wie kann der Zustand eines Masts beurteilt werden.

Von Michael Kunst, veröffentlicht am 03.07.2025

Das erwartet Sie in diesem Artikel
  • Mast, stehendes und laufendes Gut spielen beim Gebrauchtbootkauf oft eine untergeordnete Rolle
  • Das kann fatale, zumindest aber teure Folgen haben
  • Gibt es Vorschriften und Regularien? Wer setzt Maßstäbe?
  • Was man beim stehenden Gut nicht übersehen sollte
  • Warum das laufende Gut manchmal nicht richtig "von der Hand läuft"
  • Auch oder insbesondere der Zustand des Masts sollte überprüft werden.

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Was ist DNV ST‑0412?

DNV ST‑0412, offiziell “Design and construction of large modern yacht rigs”, ist ein technischer Standard von DNV (früher DNV GL, nach Fusion mit Germanischer Lloyd 2013; seit 2021 nur noch als DNV firmierend). Er richtet sich an große Yacht-Rigg-Systeme insbesondere ab 24 m Rumpflänge, wird aber auch oft als generelle Richtlinie für kleinere Yachten verwendet .

Anwendungsbereich und Geltungsbereich: Primär für Segelyachten ab 24 m (Monohull und Multihull), CRM- oder Alu-Masten, dessen stehende Takelage, Spieren bis hin zu Verbindungsteilen. Übertragbar als „Best Practice“ für kleinere Yachten; viele Werften und Rigger nutzen die Prinzipien auch bei kleineren Booten.

Szenario: Ein vielversprechendes Boot wurde auf Boot24 gefunden, Eigner und potenzieller Käufer treffen sich vor Ort. Vielleicht (oder hoffentlich) sind Gutachter, Sachverständige oder „allwissende“ Profis aus dem Bootsbusiness dabei. Erfahrungsgemäß wird dann alles von A bis Z gecheckt: Rumpf, Deck, Innenausbau etc. Es wird probegesegelt, der Motor geprüft und und und.
Erfahrungsgemäß – und damit meinen wir auch Feedback von Boat24-Inserenten – wird das Thema „letzte Wartung am stehenden, laufenden Gut“ mit einem vagen „erst vor Kurzem“ oder „keine Ahnung, sieht aber noch gut aus“ angegeben.

Blick entlang "der Palme" – alles richtig getrimmt, keine Dellen, Beulen, Haarrisse? © pixabay/AxelBauer
Blick entlang "der Palme" – alles richtig getrimmt, keine Dellen, Beulen, Haarrisse? © pixabay/AxelBauer

Nicht nur aus Sicherheitsgründen, sondern auch wegen der oft erheblichen Folgekosten ist es für jeden (zukünftigen) Yachtbesitzer sinnvoll, zu wissen, wann was ausgetauscht oder professionell kontrolliert wurde. Das Problem dabei: Es gibt keine offiziellen Vorschriften in welchen Intervallen ein Rigg, stehendes und laufendes Gut zu warten ist. Nicht nur Neulingen in der Wassersport-Szene können somit versteckte Kosten beim Gebrauchtbootkauf entstehen, die den tatsächlichen Kaufpreis deutlich erhöhen können.

Dieser Artikel gibt Überblick und Orientierungshilfe: Welche Bauteile des stehenden und laufenden Gutes an Bord altern wie schnell, was kostet der Austausch, und wie steht es um Standards wie DNV ST-0412? Die Informationen basieren auf technischen Normen, Werftangaben und Praxiserfahrungen von Riggern und Bootsbauern. Die Angaben sollen helfen, den tatsächlichen Zustand von Rigg, Wanten, Vorstag, Achterstag, Backstagen, Schoten und Fallen zu beurteilen.

Vorneweg: Kollege Erdmann Braschos hat einen höchst lesenswerten, detaillierten Artikel über die Wartung des stehenden Guts geschrieben. Sie erhalten hier wertvolle Tipps für eine realistische Einschätzung der fest verbauten, tragenden Elemente eines Riggs.

Der Zustand des stehenden Gutes ist entscheidend für Segelverhalten und Sicherheit © pixabay
Der Zustand des stehenden Gutes ist entscheidend für Segelverhalten und Sicherheit © pixabay

Stehendes Gut: Lebensdauer, Austausch, Kosten

Das stehende Gut umfasst alle fest verbauten Tragelemente des Riggs: Wanten, Stage, Spanner sowie Mastfuß und -beschläge. Die Lebensdauer variiert je nach Material, Bootsgröße und Einsatzprofil:

Edelstahl-Draht (1x19):

Empfehlung: Austausch nach 10 bis 15 Jahren oder 25.000 bis 30.000 Seemeilen
Sichtbare Warnzeichen: Kinken, Korrosion an Terminals, gebrochene Litzen, Rost oder/und Spliss am Draht, lässt sich auf einer Seite schlechter spannen/trimmen als auf der anderen.
Rod-Rigg:
Empfehlung: Austausch nach 8–10 Jahren (wegen Materialermüdung, auch ohne sichtbaren Schaden)
Prüfung: Ultraschall oder spezielle Rissprüfverfahren. Sehr aufwendig in der Prüfung.
Sichtbare Warnzeichen: Es treten „Knoten“ hervor, Kinken, rissiges Material.

Faserverstärktes Rigg (PBO, Carbon):

Empfehlung: Austausch bereits nach 5–7 Jahren
Risiko: Unsichtbare Alterung durch UV, Knickung und Delaminierung

Dyneema® (UHMWPE = Ultra High Molecular Weight Polyethylene):

Empfehlung: Austausch bereits nach 3–7 Jahren, je nach Ausführung (und Ummantelung), UV-Schutz und Einsatzprofil. Racing: alle 1–2 Jahre. Cruising: alle 5 Jahre.
Risiko: Unsichtbare Alterung durch UV, Dehnung/„Kriechen“
Kritische Bereiche: Kauschen, Blöcke bei Backstag, Achterstag, Vorstag.
Mantelschäden durch Scheuern

Kosten Austausch stehendes Gut (ca.-Beträge – Stand 2024/25):

35-Fuß-Fahrtenyacht Edelstahl, Standardtakelage: ca. 3.500–7.000 Euro
40-Fuß-Yacht mit Rod-Rigg: ca. 8.000–14.000 Euro
35 Fuß-Fahrtenyacht Dyneema: 3.500–7.500 €, je nach Materialklasse, Ummantelung, Verarbeitung

Alle wissen, wie wichtig es ist. Aber …

Zurück zum beispielhaften Gebrauchtbootkauf. Grundsätzlich ist festzuhalten: Können die Noch-Eigner der erträumten Yacht eindeutig nachweisen, dass alles stehende Gut auf ihrer Yacht im o.g. Wartungsrahmen liegt oder bereits ausgewechselt wurde (etwa durch Rechnung) und keine sichtbaren Schäden zu erkennen sind, kann man dem stehenden Gut vertrauen.
Wir empfehlen: Beim leisesten Zweifel (sichtbare Warnzeichen, Risiko siehe oben) Überprüfung durch einen Rigger/Takler. Für diese ersten Checks (Sichtkontrolle) lassen die meisten Rigger den Mast NICHT legen, sie werden vielmehr in den Mast gezogen und kontrollieren im Bootsmannstuhl. Merke: Das stehende Gut hält den Mast – und der ist grundsätzlich teurer als „die paar Meter“ Draht, Rod oder Dyneema.

Ordentlich aufgeschossen – Schoten und Fallen gehören zum laufenden Gut © Kraro/pixabay
Ordentlich aufgeschossen – Schoten und Fallen gehören zum laufenden Gut © Kraro/pixabay

Laufendes Gut: Austausch nach Nutzung

Zum laufenden Gut gehören alle beweglichen Leinen: Fallen, Strecker, Schoten, Baumniederholer, Reffleinen etc.
Austauschintervalle:
Fallen (Polyester oder ummanteltes Dyneema): 5–10 Jahre oder ca. 6.000–15.000 sm, je nach UV-Exposition und Belastung
Schoten (Genua, Groß): 4–6 Jahre bei Regattaeinsatz, 7–10 Jahre auf Fahrtenyachten
Reffleinen: Je nach Revier stark belastet, sollten nach Sichtkontrolle ggf. bereits nach 4 Jahren ersetzt werden.
Der Alterungsprozess des laufenden Gutes ist auch von der Pflege abhängig. Beispiel: Salzwasserskipper, die ihre Schoten grundsätzlich nach dem Einsatz/Törn mit Süßwasser ausspülen, haben mit Sicherheit länger „Spaß“ mit ihren Schoten.
Kosten:
Kompletter Satz laufendes Gut für 34-Fuß-Yacht: ca. 1.000–2.000 Euro (bei Standard-Polyester); High-Tech-Dyneema: 2-5fach teurer (je nach Qualität und Ummantelung).
Tipp: Auch durch Umlenkrollen, Blöcke und Klemmen entstehen Reibung und Abnutzung – mit in die Sichtkontrolle einbeziehen!

Manchmal ist es mit den Schoten etwas unübersichtlich © miku
Manchmal ist es mit den Schoten etwas unübersichtlich © miku

Der Mast

Prinzipiell zählt der Mast nicht zum „stehenden Gut“, sondern gehört zum Riggsystem einer Yacht. Das stehende Gut umfasst ausschließlich die tragenden Elemente wie Wanten, Stage, Spanner und Terminals, also alles, was den Mast in Position hält.
In der praktischen Anwendung, etwa im Gebrauchtbootmarkt, wird der Begriff oft weiter gefasst: Der Mast wird häufig in den Check und die Beurteilung einbezogen, da ein Austausch des stehenden Guts eine Demontage, Inspektion oder Instandsetzung des Masts erfordert respektive erfordern würde. Zudem altern Mastbeschläge und Mastfuß ebenfalls und sind Teil einer ganzheitlichen Riggbeurteilung.

Finger weg oder verhandeln

Erfahrungsgemäß wird dem Mast beim Gebrauchtbootkauf zwar mehr Aufmerksamkeit zuteil, als dem stehenden und laufenden Gut. Doch von einem eingehenden Check kann nur selten die Rede sein.
Es folgen eindeutige Warnzeichen aus dem Repertoire von erfahrenen Riggern – Finger weg oder neue Preisverhandlung:

Alu-Mast: Dellen oder Knicke im Alu-Mastprofil (meist im Bereich bis zur ersten Saling – also gut mit einem Fernglas kontrollierbar).
Dellen knapp oberhalb Mastfuß – häufig durch Unachtsamkeiten beim Stellen oder Legen des Masts entstanden.
Längsrisse im Aluminium-Mast
Korrosion:Oxidbildung an Nieten etc.
Karbonmast: Feine Risse, abgeplatzte Karbonschicht (auch kleine Flächen). Matte Flecken können auf UV-Schäden hinweisen.
Holzmast: Faulstellen, weiches Holz, dunkle Flecken an Bohrungen, dunkle Flächen am Mastfuß, Pilzbildung.

Wirrwarr stehendes Gut am Mast: Außenwanten, Innenwanten … © pixabay
Wirrwarr stehendes Gut am Mast: Außenwanten, Innenwanten … © pixabay

Was im Mast vorgeht, kann etwa bei durch den Mast nach unten laufenden Fallen geprüft werden. Zieht man die Fallen ein wenig aus dem Mast heraus, sind mitunter schwarze Flecken auf der Leine sichtbar. Und es kann davon ausgegangen werden, dass im Mast Korrosion stattfindet.
Wie sind die Salinge ausgerichtet? Tendenz nach unten = kann schlechter Trimm, aber auch ein Zeichen für Strukturprobleme im Mast auf Höhe der Salinge sein.
Last not least: Ein Blick auf die Mastbiegung des getrimmten Riggs ist unerlässlich. Hängt der Mast an einer oder mehreren Stellen durch? Lässt sich diese Unregelmäßigkeit durch Nachtrimmen verändern oder nicht?

Tipp: Wer bei der Inspektion des Masts Zweifel bekommt oder sich bei der Bewertung unsicher fühlt, dennoch vorerst am Bootskauf „festhalten“ möchte, dem sei ein Legen des Masts für eine gründliche Inspektion empfohlen. Ziehen Sie einen Rigger für diese Inspektion hinzu! Gängiger Deal zwischen potenziellen Käufern und Verkäufern: Der Käufer übernimmt die Kosten fürs Mastlegen und den Rigger, wenn der Mast okay ist (wie vom Verkäufer angegeben). Stellt sich der Mast als beschädigt heraus, zahlt der Verkäufer.
Merke: Manche Schäden an Masten können repariert werden. Oder aber Sie reduzieren „im Fall der Fälle“ den Preis für einen neuen Mast oder die entsprechende Mastreparatur. Auch hier gilt: Masten sind nicht „ewig“ haltbar. Vor allem die „über 20 Jahre junge Palme“ auf Yachten und Booten, die häufig in Schwerwetter gesegelt wurden, sollte eingehend geprüft werden. Tipp: Mastbiegung und -profil auch beim Testsegeln prüfen.

Nachweise sind besser als Versprechungen

Fassen wir zusammen: Was auf den ersten Blick solide aussieht, kann auf den zweiten teuer werden: Das Rigg – mit stehendem und laufendem Gut sowie dem Mast – ist ein zentrales Sicherheitssystem an Bord. Es gibt keine gesetzlich verbindlichen Wartungsvorgaben, doch die Erfahrungswerte sind eindeutig: Nach spätestens 10–15 Jahren (oder 25.000 Seemeilen) ist auch bei unauffälligem Zustand eine Prüfung fällig. Und wer mit Hightech-Materialien wie Dyneema oder Rod unterwegs ist, muss oft noch früher handeln.

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Wirrwarr stehendes Gut am Mast: Außenwanten, Innenwanten … © pixabay

Beim Gebrauchtbootkauf zählt nicht nur der äußere Eindruck. Viel wichtiger sind Wartungsnachweise, Belege über Austauschmaßnahmen und eine sachkundige Inspektion – idealerweise durch einen unabhängigen Rigger. Was dabei zutage tritt, entscheidet nicht selten über die tatsächlichen Folgekosten. In vielen Fällen lässt sich der Zustand des Riggs preislich kompensieren – vorausgesetzt, man erkennt die jeweiligen Schwachstellen.

Der Kauf eines guten Gebrauchtbootes sollte also niemals ohne den Check von stehendem und laufendem Gut sowie dem Mast stattfinden – und das beginnt mit Fragen wie: Wann war der letzte Austausch? Welchen Eindruck macht der Mast? Und: will ich cool und sicher meine Törns oder Regatten segeln? Oder mit permanent ängstlichem Blick nach oben meinen Spaßfaktor deutlich nach unten schrauben?

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