Umwelt- und Meeresschutz4 min Lesezeit
Auf Kurs gegen die Plastikflut
Teil 1 einer zweiteiligen Serie über den Plastikmüll in den Ozeanen
Plastikmüll in den Ozeanen zählt zu den gravierendsten Umweltproblemen unserer Zeit. Schätzungen zufolge landen jedes Jahr zwischen 8 und 12 Millionen Tonnen Plastik im Meer – das entspricht etwa einer Lkw-Ladung pro Minute. Mit katastrophalen Auswirkungen auf Meereslebewesen, Ökosysteme und die menschliche Gesundheit ist dieses Problem längst zur globalen Krise geworden.
Von Michael Kunst, veröffentlicht am 24.12.2024
Das erwartet Sie in diesem Artikel
- Wie viel Plastikmüll weltweit jährlich anfällt
- Warum und wie dieser Plastikmüll in die Ozeane und Meere gelangt
- Die Auswirkungen des Mülls auf Meereslebewesen, Ökosysteme und den Menschen
- Warum nach der fünften UN-Konferenz immer noch kein Abkommen erzielt wurde
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Weltweit fallen jährlich zwischen 350 und 430 Millionen Tonnen Plastikmüll an. Eine Zahl, die sich seit den 1950er-Jahren verhundertfacht hat. Mehr als die Hälfte dieses weltweiten Plastikmülls landet auf Müllkippen, ein Drittel der Gesamtmenge wird (meist zur Energiegewinnung) mit hohem Emissionsausstoß verbrannt.
Schon die Produktion von Plastikprodukten wird umweltspezifisch als höchst problematisch eingestuft: 3,6 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen sind der Plastikproduktion zuzuschreiben – mehr, als etwa der weltweite Flugzeugbetrieb verursacht.
1.000 Flüsse transportieren 80 % des Plastikmülls in die Ozeane
Schätzungsweise 8 bis 12 Millionen Tonnen Plastikmüll gelangen jährlich in die Ozeane. Dies entspricht ungefähr einem Lkw voller Plastikabfälle pro Minute. Der größte Teil des Plastiks, das in die Ozeane gelangt, stammt von Landquellen. Rund 80 % dieses Mülls werden durch Flüsse in die Meere transportiert, wobei etwa 1.000 Flüsse – vorwiegend in Asien und Afrika – für den Großteil verantwortlich sind. Die restlichen 20 % kommen von Aktivitäten auf See, wie der Fischerei oder dem Schiffsverkehr.
Obwohl diese Zahlen und Fakten bereits seit Jahrzehnten bekannt sind, reagierte die weltweite Politik bislang nur träge. Umwelt- und Meeresschutzverbände machen seit Jahren auf die mit dem maritimen Plastikmüll verbundenen Gefahren aufmerksam.
Was Plastik im Ozean verursacht
Plastikmüll in den Ozeanen hat weitreichende Folgen für die Natur und die menschliche Gesellschaft:
1. Auswirkungen auf die Meereslebewesen
Tiere wie Meeresschildkröten, Seevögel, Fische und Meeressäuger verwechseln Plastik mit Nahrung. Dies führt zu inneren Verletzungen, Erstickung oder einem vollen Magen ohne Nährstoffe, was oft tödlich endet. Jährlich werden verendete Wale an den Stränden angespült, deren Mägen und Därme mit kilo- und zentnerweise Plastik gefüllt sind.
Netzreste und andere Plastikabfälle können Tiere einfangen; das führt zu Verletzungen, Behinderung und Tod.
Mikroplastik, das durch den Zerfall größerer Plastikteile entsteht, wird von kleinen Meeresorganismen aufgenommen und gelangt so in die Nahrungskette, mit potenziell schädlichen Effekten auch für Menschen.
2. Ökosysteme und Biodiversität
Plastikabfälle können Riffe ersticken oder schädigen, was die Biodiversität und das Überleben von Rifforganismen gefährdet.
Mikroorganismen und invasive Arten können Plastik nutzen, um sich in neuen Gebieten anzusiedeln, was die natürliche Balance stören kann.
3. Auswirkungen auf den Menschen
Plastik gelangt über die Nahrungskette auf unsere Teller. Studien zeigen, dass Mikroplastik in menschlichem Blut, Organen und sogar Plazenten nachgewiesen wurde. Die langfristigen gesundheitlichen Folgen sind bisher nicht vollständig erforscht, könnten jedoch Entzündungen oder toxische Reaktionen umfassen.
Plastikmüll belastet den Tourismus (verschmutzte Strände), die Fischerei (schadhafte Netze und geringere Fangquoten) und verursacht hohe Reinigungskosten.
Plastikmüll enthält oft Chemikalien wie Weichmacher oder Pestizide, die in die Umwelt gelangen und sich in der Nahrungskette anreichern können.
4. Klimatische und globale Auswirkungen
Plastik wird aus fossilen Brennstoffen hergestellt, was erheblich zur CO₂-Belastung beiträgt. In der Umwelt freigesetztes Plastik setzt bei seinem Zerfall Treibhausgase wie Methan frei, insbesondere unter UV-Licht.
Plastik benötigt Hunderte, mitunter Tausende Jahre, um vollständig abzubauen. Es bleibt als Schadstoff in der Umwelt und beeinträchtigt langfristig die Regeneration der Meeresökosysteme.
Die Folgen von Plastikmüll in den Ozeanen sind also gravierend und betreffen alles Leben auf unserem Planeten – von winzigen Mikroorganismen bis zum Menschen. Und was tut letztgenannte Spezies? Sie produziert munter weiter: Die OECD rechnet bis 2040 mit einer Steigerung der Plastik-Produktionsmenge um mehr als 70 Prozent im Vergleich zum heutigen Stand. Das wären 736 Millionen Tonnen jährliche Plastikproduktion – nach heutigen Maßstäben, würden die Müllberge und die Belastung der Ozeane adäquat mitwachsen.
Plastik-Abkommen (vorerst) gescheitert
Seit 2022 beschäftigen sich nun auch die UN mit dem weltweiten Plastikmüll. In bislang fünf Konferenzen wird auf internationaler Ebene versucht, globale Lösungen für das Plastikmüllproblem zu finden. Diese Prozesse konzentrieren sich nicht nur auf die Reduzierung der Plastikmüllproduktion, sondern auch auf Prävention, nachhaltige Produktionsweisen und die Einführung von Kreislaufwirtschaftskonzepten. Die kürzlich abgehaltene INC-Serie Nr. 5 in Südkorea war jedoch die erste Initiative, die ein rechtsverbindliches Abkommen in den Mittelpunkt stellte – mit dessen Verabschiedung man aufgrund eines Vetos weniger Erdöl fördernder und Plastik produzierender Länder (vorerst) scheiterte. Eine weitere Konferenz ist im Frühjahr 2025 geplant.
Und was ist mit dem aktuellen Müll?
In der Folge gab es massive Kritik an den UN-Konferenzen. Auch wenn man ahnt, dass es ausgesprochen schwierig sein dürfte, einen Konsens unter den Vertretern von 175 Staaten zu finden, sei seit 2022 bis heute zu wenig geschehen respektive vereinbart worden.
Weiterhin auffallend: Die Beiträge und Diskussionsrunden drehten sich in erster Linie um die Zukunft und zielten dabei auf eine Reduktion der Plastikproduktion, effizienteres Recycling und eine Verbesserung der Abfallwirtschaft in besonders betroffenen Ländern. Dagegen stand nur selten auf der Agenda, wie man aktuell – etwa in den Weltmeeren – die buchstäbliche Plastikflut eindämmen oder die endlosen Ströme an Plastikmüll, die aus dem Landesinneren über die Flüsse in die Ozeane gelangen, aufgehalten werden können.
Lesen Sie in Teil 2 zum Thema „Plastikmüll in den Ozeanen“, wie man die treibende Plastikflut eindämmen könnte. Und warum dabei eine Organisation, die von einem 18-jährigen Niederländer gegründet wurde, zwar kleine, aber notwendige Erfolge einfährt – und dennoch polarisiert.