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Klassiker6 min Lesezeit

Das Blaue vom Himmel

Seglerglück mit dem Schärenkreuzer «Everglow» im Indischen Ozean

Das Blaue vom Himmel
Hier passt der Lack zum Gewässer: Desroches im Südwesten der Seychellen © Peter Koenig

Glaubt man den bunten Blättern und Websites der Bootsbranche, ist der Wassersport die reine Warenwelt. Es geht ums Kaufen und Verkaufen, das nächstgrössere Boot mit mehr Platz, Extrakomfort und dem vorerst letzten Schnickschnack. Weil Sie das alles schon kennen, erzählt diese Geschichte vom Segeln.

Von Erdmann Braschos, veröffentlicht am 01.12.2025

Das erwartet Sie in diesem Artikel
  • die Geschichte eines kühnen Törns mitten im Indischen Ozean
  • wie die Ansteuerung des Korallen umsäumten Atolls gelang
  • was der frühere Klassiker-Bootsmakler Peter König heute macht
  • wie der Törn vorbereitet wurde
  • spezielle Sicherheitsvorkehrungen
  • Informationen zum Bootstyp, der 30 qm Mälar Schärenkreuzerklasse

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Segelboote mit Tradition: Schärenkreuzer in unserer Bootsbörse

Schären- als Seychellenkreuzer

Von Messesaison zu Weltneuheit wird uns immer mehr und dazu noch das Blaue vom Himmel versprochen. Wir müssen bloss viel Geld dafür ausgeben. Dabei besteht das Seglerglück vielleicht einfach mal darin, etwas aus dem zu machen, was man bereits hat. Ganz gleich, ob es eine olle Jolle, ein kleiner Kabinenkreuzer oder ein rattenscharfes Tropenholztorpedo ist. Wenn Sie damit am richtigen Tag im richtigen Gewässer ablegen, gibt’s das Blaue vom Himmel gratis dazu. Das Revier spielt fast keine Rolle, wobei es rings um die Seychellen zwischen dem 4. und 10 Grad südlicher Breite besonders schön ist.

Los gings von Port Launay im Westen von Mahé
Los gings von Port Launay im Westen von Mahé © Peter Koenig

Das hat der langjährige Hamburger Klassikerspezialist und Bootsmakler Peter König vor einer Weile mit seinem 30 Quadratmeter Mälarboot gemacht. Diese Schärenkreuzer-Variante ist 11,50 m lang, ganze 2 Meter breit, federleicht und Baujahr 1938. Man kann damit am Wochenende wunderbar auf ringsum geschützten Binnengewässern wie dem Mälarsee westlich von Stockholm und anderen Seen ein paar stilvoll schöne Schläge machen. Oder von Mahé zu einem Ausflug zu den Atollen der afrikanischen Bank ablegen. Mahé ist die Hauptinsel der Seychellen.

Falls Sie mal bei der Suche nach einem exotischen Urlaubsziel in Reiseprospekten geblättert haben: Die Seychellen liegen zwischen Madagaskar und Indien. Das ist ziemlich weit draussen im Meer. Es ist nicht gerade das übliche Segelrevier für einen Schärenkreuzer, dessen 57 Zentimeter Bordwand bei Krängung flott bis zur Deckskante wegtauchen. Doch gibt es ja noch den Süllrand, dieses knöchelhohe Mahagonibrett hinter dem Kajütaufbau. Es hält das meiste vom Meer draussen. Und es gibt eine Pumpe. Die schafft 100 Liter die Minute.

«Everglow» unterwegs im Indischen Ozean
«Everglow» unterwegs im Indischen Ozean © Peter Koenig

Weil die Ansteuerung eines Atolls nur bei Tageslicht klappt, legen König und sein Segelfreund Juan Bareso erst am frühen Nachmittag in Mahé ab. So bleibt den beiden die Nacht für die Reise und der nächste Tag zur Suche der Durchfahrt und sicheren Passage des Korallensaums. Für Landgänge zieht «Everglow», so heisst das lindgrüne Boot (englisch für immer leuchtend) ein unsinkbares GfK-Dinghy hinter sich her.

Es weht mit 5 Windstärken aus Süd. Die Wogen gehen hoch. Es braucht etwas Mut, mit 260 Grad durch die Finsternis des Indischen Ozeans Richtung Afrika zu pflügen. König ist ein versierter Segler. Er hat Blick für die Natur, schwärmt von weiss schäumenden Wogen im Mondlicht. Nennenswerten Platz bietet der Unterschlupf des Schärenkreuzers nicht. Da die beiden sich mit Steuern und Schlafen abwechseln, langt die halbwegs trockene Leekoje zum Ausruhen.

Vogelkolonie auf einem Eiland der African Bank
Vogelkolonie auf einem Eiland der African Bank © Peter Koenig

120 Seemeilen (ca. 193 km) sind es von Mahé bis zur afrikanischen Bank. Die putzt «Everglow» in 18 Stunden weg. Morgens gegen acht, wenn Landlebens-Pendler zur schlimmsten Stunde der Rushhour im Stop-and-Go-Modus zur Arbeit rollen, schweben die beiden über leuchtend grünes Wasser im Schutz des Korallenriffs zum Ankerplatz. Die Insel ist eine von Gestrüpp und fünf Kokosnusspalmen begrünte Sandbank mitten im Meer. Das Grollen der Brandung im Korallensaum, der im Rigg summende Wind und das Geschrei unzähliger Seeschwalben und Lummen füllt die Luft. Kein WLAN, keine einzige, das Hirn verkleisternde «Nachricht», kleine Talkshow über irgendeinen irrsinnigen Krieg, Zero «Social Media», kein Bullshit. Tja, so kann die Welt auch sein.

Bis in jüngster Vergangenheit war die Ansteuerung der westlichen Seychellen wegen Piraterie noch verboten. Jetzt scheint es ein Paradies zu sein - bis plötzlich ein abgerockter Kahn mit einigen unrasierten Gesellen in der Lagune auftaucht. Der Törn scheint für Bareso, König, «Everglow» und ihr Beiboot ein richtig blödes Ende zu nehmen. Doch die Besucher erweisen sich als Fischer und gewöhnliche Eierdiebe, die nur kurz zum Einsammeln der gefragten Delikatesse vorbeischauen.

Leider unruhiger Schaukelplatz in einer durchströmten Lagune der African Bank
Leider unruhiger Schaukelplatz in einer durchströmten Lagune der African Bank © Peter Koenig

Vier Tage bleiben König und Bareso in der Wildnis zwischen Sonne und Meer. Nicht ganz freiwillig, weil sechs Windstärken in der offenen See von vorn für das flachbordige Boot zu viel sind. Nach den sonnendurchglühten Stunden am Strand lassen die beiden es sich mit Serrano-Schinken, Oliven, einer Penne mit einer Kapern-Tomatensosse und Corned Beef gut gehen. Sie holen tief Luft und feixen über die Begegnung mit den Eierdieben. «Die sahen aus, wie frisch für einen Piratenfilm gecastet». Tja, so sind kleine Jungs und richtige Männer. Kaum ist das Schlimmste überstanden, werden Witze gemacht.

Leider hat das Paradies noch einen weiteren Preis: Die Nächte am unruhigen Ankerplatz, in der vom ständigen Wind durchfauchten und von Strömung durchspülten Lagune sind strapaziös. Und es gibt einen variablen Wasserstand. So geht es bei der ersten Gelegenheit weiter zum 35 Meilen entfernten D’Arros, wo an einem geschützten Liegeplatz sogar an Bord mal gekocht werden kann. Hier bleibt die Bialetti für den Espresso auf dem Gaskocher stehen. Beim nächsten Schlag nach Desroches sinkt der Meeresgrund auf über 3.000 m. Die Wogen werden lang und berechenbarer als auf dem flachen, von Strömungen überspülten Amirantes Plateau.

Langer Ritt: Müde steuert Peter König seine «Everglow» zurück nach Mahé
Langer Ritt: Müde steuert Peter König seine «Everglow» zurück nach Mahé © Juan Bareso

Knapp 400 Meilen segeln die beiden mit ihrem Seychellenkreuzer im Lauf ihrer zehntägigen Robinsonade, das unsinkbare GfK-Beiboot an langer Leine im Schlepp. Die Rückreise von Desroches nach Mahé wird angesichts drohender Flaute zur Zitterpartie. Ohne Wind wären die 123 Meilen (ca. 198 km) zur Durststrecke geworden.

Das Spektrum passender Bedingungen, wo Wind und Seegang solch einen Törn im Indischen Ozean mit einem flachbordig-filigranen Mälarboot zulassen, ist klein. Der 6,5-Knoten-Schnitt mit Beiboot im Schlepp und die verschwindend geringe Nutzung des Aussenborders zeigen, dass sich das betagte Boot für die Robinsonade zur afrikanischen Bank eignete. Solch eine Vintage-Windmühle macht auch in ihrem neunten Jahrzehnt allerhand aus dem Wind.

Land in Sicht: die Seychelleninsel Mahé
Land in Sicht: die Seychelleninsel Mahé © Peter Koenig

DAS MÄLARBOOT

Der ursprünglich schwedische Schärenkreuzer ist eine 1908 entwickelte Konstruktionsklasse, wo jeder Eigner innerhalb gewisser Vorschriften eine Sonderanfertigung nach seinen Vorstellungen entwerfen und bauen lassen kann. Beim sogenannten Mälarboot handelt es sich um eine Schärenkreuzer-Einheitsklasse, die es mit 15 qm, 22 qm, 25 m qm und 30 qm Segelfläche gibt. Hier erfahren Sie mehr über Schärenkreuzer.

MÄLAR 30

  • 132 Exemplare, gebaut in verschiedenen Werften. «Everglow» entstand 1938 bei der angesehenen, für ihre Qualität geschätzten Plym Werft südöstlich von Stockholm.
  • Konstrukteur: Lage Eklund
  • Bei Nr. 64 handelt es sich um den letzten der zwei von der angesehenen Plymwerft gebauten Mälar 30
  • Länge: 11,50 m
  • Breite: 2,06 m
  • Tiefgang: 1,40 m
  • Verdrängung (leer): 2,35 t
  • Vermessene Segelfläche: 30 qm

Ausrüstung

  • Notfalltasche mit Signalraketen, Fackeln, Wasser, Keksen, Tabak, mobilem Satellitentelefon
  • zwei mobile GPS-Empfänger (einer in Notfalltasche)
  • UKW-Sprechfunk in Notfalltasche
  • kleine Motorradbatterie für Positionslaternen
  • Solarpanel zum Laden der Batterie
  • 16 kg CQR Anker mit 15 m Kettenvorlauf (8 mm) und 30 m Leine
  • Rettungsinsel
  • unsinkbares Beiboot, im Schlepp mit Persenning abgedeckt
  • 2 PS Aussenborder für Everglow und Beiboot, zwei Ruder, zwei Paddel, 15 l Sprit
  • fest installierte Bilgenpumpe Typ Whale Titan
  • Wantenschneider, Werkzeug, übliche Ersatzteile, Leinen
  • zwei Kompasse
  • Ferngläser, Fackeln, Stirnlampen
  • alle verfügbaren Papierseekarten der britischen Admiralität
  • 25 Jahre alte Cruising Guides
  • zwei Focks, Genua, Grosssegel mit einer Reffreihe, Spinnakerbäume
  • Sonnensegel und Windbeutel zur Ventilation der Kajüte
  • 120 l Wasser und Lebensmittel, etwas Gin und Whiskey
  • zwei kleine Campinggasflaschen, Geschirr, Töpfe, Bialetti
  • vier Kühlboxen
VG