Klassiker6 min Lesezeit
Das Blaue vom Himmel
Seglerglück mit dem Schärenkreuzer «Everglow» im Indischen Ozean
![Das Blaue vom Himmel](https://www.boot24.ch/img/blog/uploads/das-blaue-vom-himmel-198-1609594709-xlarge.jpg)
Glaubt man den bunten Blättern und Websites der Bootsbranche, ist der Wassersport die reine Warenwelt. Es geht ums Kaufen und Verkaufen, das nächstgrößere Boot mit mehr Platz, Extrakomfort und dem vorerst letzten Schnickschnack. Wie wär’s mal mit Segeln?
Von Erdmann Braschos, veröffentlicht am 09.01.2018, aktualisiert am 08.12.2024
Das erwartet Sie in diesem Artikel
- die Geschichte eines kühnen Törns mitten im Indischen Ozean
- wie die Ansteuerung des Korallen umsäumten Atolls gelang
- was der frühere Klassiker-Bootsmakler Peter König heute macht
- wie der Törn vorbereitet wurde
- spezielle Sicherheitsvorkehrungen
- Informationen zum Bootstyp, der 30 qm Mälar Schärenkreuzerklasse
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Schären- als Seychellenkreuzer
Von Messesaison zu Weltneuheit wird uns immer mehr und dazu noch das Blaue vom Himmel versprochen. Wir müssen bloß viel Geld dafür ausgeben. Dabei besteht das Seglerglück vielleicht einfach mal darin, etwas aus dem zu machen, was man bereits hat. Ganz gleich, ob es eine olle Jolle, ein kleiner Kabinenkreuzer oder ein rattenscharfes Tropenholztorpedo ist. Wenn Sie damit am richtigen Tag im richtigen Gewässer ablegen, gibt’s das Blaue vom Himmel gratis dazu. Das Revier spielt fast keine Rolle, wobei es rings um die Seychellen zwischen dem 4. und 10 Grad südlicher Breite besonders schön ist.
Das hat der langjährige Hamburger Klassikerspezialist und Bootsmakler Peter König neulich mit seinem 30 Quadratmeter Mälarboot gemacht. Dieser Schärenkreuzer ist 11,50 m lang, ganze 2 Meter breit, federleicht und achtzig Jahre alt. Man kann damit am Wochenende wunderbar auf Binnengewässern wie dem Mälarsee westlich von Stockholm und anderen Seen ein paar stilvoll schöne Schläge machen. Oder von Mahé zu einem Ausflug zu den Atollen der afrikanischen Bank ablegen. Mahé ist die Hauptinsel der Seychellen.
Falls Sie mal bei der Suche nach einem exotischen Urlaubsziel in Reiseprospekten geblättert haben: Die Seychellen liegen zwischen Madagaskar und Indien, also ziemlich weit draußen im Meer. Es ist nicht gerade das übliche Segelrevier für einen Schärenkreuzer, dessen 57 Zentimeter Bordwand bei Krängung flott bis zur Deckskante wegtauchen. Aber es gibt ja noch den Süllrand, dieses knöchelhohe Mahagonibrett hinter dem Kajütaufbau. Es hält das meiste vom Meer draußen. Und es gibt eine Pumpe. Die schafft 100 Liter die Minute.
Weil die gefährliche Ansteuerung eines Atolls nur bei Tageslicht gut geht, legen König und sein Segelfreund Juan Bareso erst am frühen Nachmittag in Mahé ab. So bleibt den beiden die Nacht für die Reise und der nächste Tag zur Suche der Durchfahrt und sicheren Passage des Korallensaums. Für Landgänge zieht «Everglow», so heißt das lindgrüne Boot (englisch für immer leuchtend) ein unsinkbares GfK-Dinghy hinter sich her.
Es weht mit 5 Windstärken aus Süd. Die Wogen gehen hoch. Es braucht etwas Mut, mit 260 Grad durch die Finsternis des Indischen Ozeans Richtung Afrika zu pflügen. König ist ein versierter Segler. Er hat Blick für die Natur, schwärmt von weiß schäumenden Wogen im Mondlicht. Nennenswerten Platz bietet der Unterschlupf des Schärenkreuzers nicht. Da die beiden sich mit Steuern und Schlafen ohnehin abwechseln, langt eine halbwegs trockene Koje in Lee zum Ausruhen.
120 Seemeilen (ca. 193 km) sind es von Mahé bis zur afrikanischen Bank. Die putzt «Everglow» in 18 Stunden weg. Morgens gegen acht, wenn der normale Landlebens-Pendler zur schlimmsten Stunde der Rushhour im Stop-and-Go-Modus zur Arbeit rollt, schweben die beiden über leuchtend grünes Wasser im Schutz des Korallenriffs zum Ankerplatz. Die Insel ist eine von Gestrüpp und fünf Kokosnusspalmen begrünte Sandbank mitten im Meer. Das Grollen der Brandung im Korallensaum, der im Rigg summende Wind und das Geschrei unzähliger Seeschwalben und Lummen füllt die Luft. Kein WLAN, keine einzige, das Hirn verkleisternde «Nachricht», Zero «Social Media», kein Bullshit. Tja, so kann die Welt auch sein.
Bis in jüngster Vergangenheit war die Ansteuerung der westlichen Seychellen wegen Piraterie noch verboten. Jetzt scheint es ein Paradies zu sein - bis plötzlich ein abgerockter Kahn mit einigen unrasierten Gesellen in der Lagune auftaucht. Der Törn scheint für Bareso, König, «Everglow» und ihr Beiboot ein richtig blödes Ende zu nehmen. Doch die Besucher erweisen sich als Fischer und Eierdiebe, die nur kurz zum Einsammeln der gefragten Delikatesse vorbeischauen.
Vier Tage bleiben König und Bareso in der Wildnis zwischen Sonne und Meer. Nicht ganz freiwillig, weil sechs Windstärken in der offenen See von vorn für das flachbordige Boot zu viel sind. Nach den sonnendurchglühten Stunden am Strand lassen die beiden es sich mit Serrano-Schinken, Oliven, einer Penne mit einer Kapern-Tomatensoße und Corned Beef gut gehen. Sie holen tief Luft und feixen über die Begegnung mit den Eierdieben. «Die sahen aus, wie frisch für einen Piratenfilm gecastet». Tja, so sind kleine Jungs und richtige Männer. Kaum ist das Schlimmste überstanden, werden Witze gemacht.
Leider hat das Paradies außer dem ersten Schrecken einen weiteren Preis: Die Nächte am unruhigen Ankerplatz, in der vom Wind durchfauchten und von Strömung durchspülten Lagune sind strapaziös. Und es gibt einen variablen Wasserstand. So geht es bei der ersten Gelegenheit weiter zum 35 Meilen entfernten D’Arros, wo an einem geschützten Liegeplatz sogar an Bord mal gekocht werden kann. Hier bleibt die Bialetti für den Espresso endlich auf dem Gaskocher stehen. Beim nächsten Schlag nach Desroches sinkt der Meeresgrund auf über 3.000 m. Da werden die Wogen lang und berechenbarer als auf dem flachen, von Strömungen überspülten Amirantes Plateau.
Knapp 400 Meilen segeln die beiden mit ihrem Seychellenkreuzer im Lauf ihrer zehntägigen Robinsonade, das unsinkbare GfK-Beiboot an langer Leine im Schlepp. Die Rückreise von Desroches nach Mahé wird angesichts drohender Flaute zur Zitterpartie. Ohne Wind wären die 123 Meilen (ca. 198 km) eine Durststrecke geworden.
Das Spektrum passender Bedingungen, wo Wind und Seegang solch einen Törn im Indischen Ozean mit einem flachbordig-filigranen Mälarboot zulassen, ist klein. Der 6,5-Knoten-Schnitt mit Beiboot im Schlepp und die verschwindend geringe Nutzung des Außenborders zeigen, dass sich das betagte Boot für die Robinsonade zur afrikanischen Bank eignete. Solch eine Vintage-Windmühle macht auch in ihrem achten Jahrzehnt allerhand aus dem Wind.
DAS MÄLaRBOOT
Der ursprünglich schwedische Schärenkreuzer ist eine Konstruktionsklasse, wo jeder Eigner innerhalb gewisser Vorschriften eine Sonderanfertigung nach seinen Vorstellungen entwerfen und bauen lassen kann. Beim sogenannten Mälarboot handelt es sich um eine Schärenkreuzervariante und Einheitsklasse mit 15 qm, 22 qm, 25 m qm und 30 qm Segelfläche.
MÄLAR 30
- 132 Exemplare, gebaut in verschiedenen Werften. «Everglow» entstand bei der angesehenen, für ihre Qualität geschätzten Plym Werft südöstlich von Stockholm.
- Konstrukteur: Lage Eklund
- Bei Nr. 64 handelt es sich um den letzten der zwei von der angesehenen Plymwerft gebauten Mälar 30
- Länge: 11,50 m
- Breite: 2,06 m
- Tiefgang: 1,40 m
- Verdrängung (leer): 2,35 t
- Vermessene Segelfläche: 30 qm
Ausrüstung
- Notfalltasche mit Signalraketen, Fackeln, Wasser, Keksen, Tabak, mobilem Satellitentelefon
- zwei mobile GPS-Empfänger (einer in Notfalltasche)
- UKW-Sprechfunk in Notfalltasche
- kleine Motorradbatterie für Positionslaternen
- Solarpanel zum Laden der Batterie
- 16 kg CQR Anker mit 15 m Kettenvorlauf (8 mm) und 30 m Leine
- Rettungsinsel
- unsinkbares Beiboot, im Schlepp mit Persenning abgedeckt
- 2 PS Außenborder für Everglow und Beiboot, zwei Ruder, zwei Paddel, 15 l Sprit
- fest installierte Bilgenpumpe Typ Whale Titan
- Wantenschneider, Werkzeug, übliche Ersatzteile, Leinen
- zwei Kompasse
- Ferngläser, Fackeln, Stirnlampen
- alle verfügbaren Papierseekarten der britischen Admiralität
- 25 Jahre alte Cruising Guides
- zwei Focks, Genua, Großsegel mit einer Reffreihe, Spinnakerbäume
- Sonnensegel und Windbeutel zur Ventilation der Kajüte
- 120 l Wasser und Lebensmittel, etwas Gin und Whiskey
- zwei kleine Campinggasflaschen, Geschirr, Töpfe, Bialetti
- vier Kühlboxen