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Faszinierende Segelhardware
Secondhand Regattaboote sind das ultimative Segelspielzeug
Hightech-Segelhardware für die Grand Prix Regattabahnen ist das interessanteste Spielzeug überhaupt. Deshalb wird ständig der letzte Schrei aufgetakelt und um die Bojen gescheucht. Für Hochsee-Regatten, den America’s Cup und ähnliche Spektakel. Wenn Ihnen das neu zu teuer ist, kaufen Sie Secondhand.
Von Erdmann Braschos, veröffentlicht am 11.06.2018, aktualisiert am 12.10.2024
Das erwartet Sie in diesem Artikel
- die Faszination gebrauchter Regattaboote
- wie kühle Rechner preiswert zum Traumschiff kommen
- wie man mit einem alten Maxi, America’s Cupper oder Volvo Ocean Racer schießt
- die beeindruckende Haltbarkeit betagter Admiral’s Cupper
- warum Halb- und Eintonner interessant sind
- wie ein Bayer auf einem Turiner Marktplatz sein Traumschiff fand
- Exemplare der IACC America’s Cup Klasse der Neunziger als Traumschiffe
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Leider haben tolle Regattaboote einen entscheidenden Haken: nur wenige können sich solch einen Renner neu leisten. Da trifft es sich gut, dass die Bauvorschriften ständig geändert werden und manches Exemplar bereits nach kurzer Zeit ausgedient hat. Oft sind sogar ganze Bootsklassen nach wenigen Jahren out. So dümpelt eine Armada gebrauchter Regattaboote in den Häfen herum.
Cupper sind als Modeartikel bald out und preiswert
Manches Exemplar wird eine Weile zur Ausbildung des Segelnachwuchses, für Chartertörns oder Events genutzt, wie der Volvo Ocean 60 Füßer «Illbruck». Andere stehen irgendwo in den hinteren Winkeln der Bootslager oder Werfthallen herum. Solche Boote sind zur richtigen Zeit am richtigen Ort für ein vernünftiges Budget zu haben.
Der Hamburger Jurist Dr. Gerhard Clausen beispielsweise hat seit den Siebzigerjahren mit gebrauchten Booten eine Menge Spaß. 1978 kauft er mit Freunden ein schmales 20 m Geschoss namens «Strongbow» und segelt damit bis in den Pazifik. Als Ende der Achtzigerjahre in Norddeutschland das America’s Cup Fieber ausbricht, kauft er den italienischen Zwölfer «Azzurra II», obwohl er bei einer Geschäftsreise seinem Segelfreund Jürgen Röhl bloß ein paar gebrauchte Segel für dessen Zwölfer «Uwa», ex. «Blaupunkt», ex. «Sverige» aus Italien mitbringen will. «Ich musste das einfach machen, es war so preiswert.» Außerdem ist ein Zwölfer mit einem Container voller Ersatzteile und einer 50-teiligen Segelgarderobe eine echte Bescherung.
Zwölfer sind etwa 20 m lange, 26 t schwere Segelschlachtrösser, die Generationen von Seglern die Sicherungen herausdrehen. Nach einer speziellen Formel konstruiert, wurde in dieser Klasse für Jahrzehnte der America’s Cup ausgesegelt. Der Hype um diese Bootsklasse begann in den Dreißigerjahren, als der Wechsel beim America’s Cup von der kostspieligen 40 m langen J-Class bevorstand.
Clausen hatte eine Menge Spaß mit dem Zwölfer «Fratzzz» ex. «Azzurra II» auf der Ostsee. Einmal beobachtete ich, wie er mit dem motorlosen Schlitten unter Segeln durchs Millionärsbecken von Kiel-Schilksee schob. Die Genua rutschte an Deck. Ziemlich zügig glitten die 26 t durch die Pfähle, auf denen die Heckleinen zielsicher landeten. Der Bug kam zentimetergenau vor dem Steg zu stehen. Wow, dachte ich. So macht man das. Mir blieb angesichts dieses coolen Anlegemanövers die Spucke weg.
Clausen pflügt mit dem für küstennahe Segelduelle gedachten, flachbordigen und nassen Schiff bei der Helgoland – Edinburgh Regatta durch die Nordsee. Seine Crew ist so viel mit dem Auspumpen des Daysailers beschäftigt wie mit dem Segeln. Die Doggerbank ist kein Revier für einen offenen Cupper. Zeit für das nächste Boot. «Mit einem Formel 40 Trimaran kannst Du auf See gehen, ohne dass Du Angst haben musst, abzugluckern» fasst Clausen den Unterschied zum Zwölfer Segeln zusammen.
Wie Claußen dann eine Weile bleifrei segelte
Gemeinsam mit Segelfreund Jürgen Röhl kauft er in den Neunzigern den 40 Fuß Trimaran «Spirit of la Trinité», ein Schwesterschiff von «Bagages Superieur». Das Boot ist nach dem Observer Single Handed Transatlantic Race (OSTAR) in der Bretagne zu haben. Damit segelt Clausen eine Weile bleifrei: eine Regatta um die Isel of Wight, Rund Skagen oder Rund Seeland. Ein Tri hat keinen Kiel. Der Dreirümpfer wiegt ein Zehntel eines Zwölfers und läuft einhand oder mit der Familie 18–19 Knoten. Geschlafen an Bord wird in Iglu Zelten auf dem Trampolin zwischen den Schwimmern.
Seit zehn Jahren segelt Clausen den 84-Fuß-Maxi namens «Calypso» ex. «Martingale» ex. «Wild Thing», Baujahr 1988. Das Boot hatte sich bei drei Sydney-Hobart-Regatten gut geschlagen. Statt 25 Mann auf der Kante wird das Boot mit Wasserballast gerade gehalten. Gesegelt wird es von einer kleinen Familiencrew, Freunden und hydraulischen Helfern. Bislang hat Clausen also vier interessante Boote in vier Jahrzehnten gesegelt und auf dem Wasser wenig ausgelassen.
Der Münchener Hotelier Markus Daniel entdeckte sein Traumschiff 2007 auf einem Marktplatz in Turin. Dort stand die Last Edition der Flügelkiel-Zwölfer hoch und trocken mitten in der Stadt wie eine Skulptur. Der Anblick haute Daniel von den Socken. Seit der Begegnung mit den deutschen Zwölfern «Uwa» und «Fritzzz» im Millionärsbecken von Kiel-Schilksee hatte der segelbegeisterte Bayer von so einem Boliden geträumt. Jetzt war dieser Traum greifbar nah. Daniel zögerte nicht. Er griff zu.
Ich lernte Daniel, seine sympathischen Helfer und die «French Kiss» vor einigen Jahren beim Basteln in Cannes kennen. Der Werkstattwagen zum Boot stand am Kai gleich hinter dem Boot. Denn an so einer Vintage-America’s Cup Segelmaschine war immer was zu flicken, auch wenn sie aus unkaputtbarem Aluminiumblech geschweißt wurde.
Wie haltbar Secondhand-Cupper sind, beweist auch der IOR-Eintonner «Heatwave» ex «Rubin IX», ex. Saudade, ex «Jo» Baujahr 1986. Das Boot entstand bei den Schütz-Werken in Selters aus einer Art Pappe, Aramidwaben. Ein eingeklebtes Strongback als «Fahrgestell» aus Aluminium steift das Boot zusätzlich aus. Die 12 m lange und 3,80 m breite Hochseejolle wiegt ganze 5,6 t. Das Boot hat eine Menge hinter sich. Gleich in der ersten Saison die Kieler Woche, Rund Fehmarn, den Sardinia Cup, Porto Cervo - Hyères - Porto Cervo.
Dann wurde es eine Weile von Albert Büll als «Saudade» gesegelt und weiter gereicht. Seit 1993 segelt der Bad Segeberger Notar Ulrich von Coler das Boot als vierter Eigner. Es ist sein Traumschiff. «Sie war günstig und kam mit 22 Segeln, alles Kevlar. Da konnte ich nicht nein sagen. Ich hatte schon immer ein Faible für Eintonner» schwärmt von Coler, der Anfang der Achtzigerjahre mal einen neuseeländisches second hand Regattaboot hatte. «Das sind agile, tolle Schiffe.»
Das weiße Boot mit dem markanten roten Streifen über der Wasserlinie und dem grauen Deck unterscheidet sich deutlich vom Serieneinerlei auf dem Wasser. Der filigrane Dreisalingsmast kündet von weitem bereits von einem interessanten Schiff. Die ehemalige «Rubin IX» hat Patina, wobei alles wie damals funktioniert. Von Coler schwärmt von den mittelgroßen Dreigangs-Harkenwinschen fürs Vorsegel, den 46er Lewmars für die essenziellen Backstagen, die Holepunkt- und Travellerschienen dieser mit fünfeinhalb Tonnen angesichts 80 Quadratmetern am Wind federleichten Bootes.
Ich hatte mal Gelegenheit, die «Heatwave» bei reichlich Wind zu segeln. Ich erinnere diese Hochseejolle als großes Segelkino. Der Mast bietet mit Achter-, Back- und Checkstagen interessante Trimm-Möglichkeiten. Mangels 750 Kilo Crewgewicht auf der hohen Kante musste das 50 qm Groß in den heftigsten Böen gelegentlich gefiert werden. Unter Deck gibt es mit einer nachträglich eingebauten Pantry, Schränken und Stauboxen das Nötigste.
Da von Coler während seines Arbeitslebens nicht so viel Urlaub nehmen konnte, teilte er sich den Sommertörn mit seinen Söhnen, die das Boot meist aus Schweden zurücksegelten. Mit so einer seglerisch faszinierenden Rennziege wird der Segelbazillus weitergereicht. Das klappt nicht mit jedem Boot. Nennenswerte Reparaturen hatten von Coler bisher nicht. Dafür endlos Segelspaß mit einem der heißesten Boote der Ostsee.
Wie wärs mit einem IACC-America’s Cupper?
Vor einer Weile hatte ich mal Gelegenheit an Bord des IACC America’s Cuppers „Kanza“, bei ultrawenig Wind auf dem ligurischen Meer vor Genua zu segeln. Der 24 m Schlitten war 1992 für das „America 3“ Syndikat entstanden. Eine leichte thermische Brise schuppte das Wasser und es ging dennoch schon ordentlich was. Der Schlitten zog seine 21 t Bleibombe beeindruckend flott durch das ligurische Meer.
Ich durfte das Boot eine Weile steuern und erinnere das leider kurze Gastspiel als seglerisches Nirwana. Das wär’s, mit so einem Schiff mit ein paar Freunden gelegentlich ablegen. Heute, Jahrzehnte seit der Inbetriebnahme des Schiffes dürfe es „preiswert“ zu bekommen sein. Nur die Themen Liegeplatz und Tiefgang, auch der nötige in der Geldbörse, müssten für den Betrieb noch gelöst werden.
Wenn Ihnen das alles zu teuer ist, machen Sie es wie German Frers. Der bekam mal einen Cuppermast und einen Zwölferkiel und hat sich dann das passende Boot gewissermaßen dazwischen dazu ausgedacht. Eine kniffelige Aufgabe und als solche nicht ohne weiteres lösbar, schon klar. Diese verrückte Geschichte lesen Sie hier.