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Yachtkonstrukteure6 min Lesezeit

«Heroina» das Boot zum Mast und Kiel

Das Patchworkboot des Argentiniers Germán Frers

«Heroina» das Boot zum Mast und Kiel
Klassisch positiver Spiegel, aufgeräumt und übersichtlich: «Heroina» in der Karibik © Fraser Yachts

Es ist interessant, was Yachtkonstrukteure für sich selbst entwerfen und segeln. Ihre Boote zeigen, was sie als schön und praktisch empfinden, wie die Architekten ticken: zum Beispiel das 71-Fuß-Familienboot «Heroina» von Germán Frers. Für dieses Schiff gab es zunächst nur den Mast und den Kiel.

Von Erdmann Braschos, veröffentlicht am 13.06.2019, aktualisiert am 09.10.2024

Das erwartet Sie in diesem Artikel
  • wie German Frers «Heroina» entwarf und warum der Bau eine Weile dauerte
  • wie Frers sein Boot zum Kiel einer 12 mR-Yacht und dem 33-m-Mast eines Maxis entwickelte
  • Vor- und Nachteile des Flügelkiels
  • gestalterische Vorlieben und Merkmale von Frers Entwürfen
  • warum darüber lange nicht veröffentlicht werden durfte
  • warum das Boot so heißt

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Vor einer Weile besuchte ich mal den argentinischen Yachtkonstrukteur German Frers in Mailand. Als ich ihn zum Abschluss des Interviews fragte, was er selbst segelt, berichtete er zögernd: «Ich denke schon länger, und zwar seit 1988 darüber nach, wie schön es wäre, mal wieder mit der Familie segeln zu gehen, dieses Mal auf einem etwas größeren und moderneren Boot, als vorher. Es ist eine Art Patchwork Boot und wird irgendwie nicht fertig, weil ich keine Zeit habe, mich darum zu kümmern.

Es begann damit, dass ich mal den 33-m-Mast von Raul Gardinis zweitem 21,80-m-Maxi «Il Moro di Venezia II» von 1983 und den Kiel eines America’s Cup Zwölfers geschenkt bekam. Im Laufe der Zeit kamen noch Winschen einer America’s Cup-Kampagne aus San Diego dazu. Zu diesem Zubehör habe ich mir ein eigenes Boot zum Tourensegeln ausgedacht.»

Das niedrige, kastenförmige Deckshaus rings um den Niedergang
Das niedrige, kastenförmige Deckshaus rings um den Niedergang © Fraser Yachts

Er zeigte die Pläne einer eleganten Slup, deren Deck von einem markant flachen Aufbau überragt wird und wie ihn die Bootswelt von der Wally 77 «Genie of the Lamp», «Magic Carpet», «Askherout», «Slingshot» oder «Yam», der 104 füssigen «Mandrake» und «Rrose Selavy» kennt. Es wollte keinen Bohei um das Schiff und unterwegs in den Häfen seine Ruhe. So versprach ich Frers erst darüber zu schreiben, wenn er es verkauft hat. Es fiel mir schwer, dieses Versprechen zu halten. Doch jetzt ist es so weit und die Geschichte dieser ungewöhnlichen Yacht kann endlich erzählt werden.

Das «Heroina» Deckshaus wurde zur Vorlage der Wally Aufbauten

Wir hatten zuvor über Deckshäuser gesprochen. Frers hatte die sogenannte Tischform, einen niedrigen, kantigen Aufbau mit eingelassenem Fensterband, dessen Dach an den Ecken von Säulen gehalten wird, als sein Ideal beschrieben. Frers hatte diese Form Ende der Achtziger schon für den Aufbau von Giovanni Agnellis viel beachteten 36 m Schlitten «Extra Beat» vorgesehen. Agnelli wollte ihn aber anders haben. Frers mag reduzierte, klare und schlichte Formen. Erstmals verwirklicht wurde der niedrige, kastenförmige Aufbau dann bei «Heroina». Das maronenbraune, glänzend im Lack stehende Mahagoni mit dem gestreckten Fensterbank über dem Teakdeck steht dem Boot gut.

Im Unterschied zu den Aufbauten der Wally-Yachten flankiert der Aufbau das vordere Plichtende bis zum Niedergang. Die Fenster beleuchten die Pantry an der Backbordseite und die Naviecke an Steuerbord.

Man kann ihn vielen seiner Boote sehen. Neulich gab er der 2021 aufgetakelten Ketsch Recluta nach Plänen seines Vaters ebenfalls einen kastenförmigen Aufbau, dieses Mal mit kleinen Fenstern, mit auf die Reise.

Flügelkiel eines Zwölfers und gestrecktes, frei stehendes Ruderblatt
Flügelkiel eines Zwölfers und gestrecktes, frei stehendes Ruderblatt © Fraser Yachts

Bei der letzten Generation der Amerika Pokal Zwölfer wurde zusätzliche Steifigkeit und damit Segeltragevermögen durch tiefe Anordnung des Bleiballasts in einem sogenannten Upside Down Kiel gewonnen. Die Abdrift bei der Kreuz verringerten seitlich aus der Kielsohle ragende Bleiflügel, die das gekrängte Boot gewissermaßen nach Luv zogen. Mit dieser Finessen gewannen die Australier 1983 den America’s Cup vor Newport. Der Flügelkiel galt damals als letzter Schrei. Er wurde bei den Pokalregatten vor Fremantle für Starkwindbedingungen modifiziert und sogar für den Bau von Fahrtenyachten übernommen.

Er kam auch bei Megayachten wie der 1994 fertig gestellten Ron Holland Ketsch «Thalia» zum Einsatz. Die Yacht ist 48,50 m lang und mit sehr langen Flügeln unterwegs. Damals lag der Flügelkiel derart in der Luft, dass Frers ihn auch für sein Schiff vorsah. «Der 150 Meilen lange und bis zu 119 Meilen breite Río de la Plata ist ein Flachwasserrevier, da gehen drei Meter Tiefgang gerade noch» berichtete Frers. Er hatte es in Feierabend-Arbeit, gewissermaßen heimlich zu Hause entworfen, weil er keine Kommentare seiner Mitarbeiter dazu wollte. Gebaut wurde es in Argentinien bei der Werft Astilleros Sarmiento aus einer Form-verleimten Holz-Epoxid-Schale mit Glasfaser-beschichteter Außenhaut. Nach der Fertigstellung des Kasko übernahm der befreundete Bootsbauer

Ansicht des «Heroina» Flügelkiels von achtern
Ansicht des «Heroina» Flügelkiels von achtern © Fraser Yachts

«Am schwierigsten war der Ausbau des Bootes, den meine Frau und ich ständig änderten». Irgendwann, als klar war, dass das Boot auch mal fertig werden muss, fragte Frers die italienische Architektin Gae Aulenti. Das Ergebnis ist ein von achtern bis zum Vorschiff offenes Interieur. Es ist in glänzend lackierter Kirsche mit weißen Deckenpaneelen und matt weiß gehaltener Wegerung ausgebaut. So praktisch und stilvoll richten Südländer ein Schiff fürs Bordleben bei hochsommerlichen Bedingungen ein.

Blick aus dem Vorschiff. In der Mitte die Mastverkleidung
Blick aus dem Vorschiff. In der Mitte die Mastverkleidung © Fraser Yachts

Als Patriot nannte Frers sein Boot «Heroina» – nach der privaten Fregatte eines Landsmannes, der Anfang des 19. Jahrhunderts mit kühnen Kaperfahrten die Falklandinseln für Argentinien beanspruchte. «Heroina» wurde von Buenos Aires zu den Balearen überführt. Dort legte Familie Frers dann für einige schöne Segelsommer rings um Korsika, Sardinien, zum thyrrenischen Meer und zur Ägäis ab. «Ich habe mir Zeit gelassen mit «Heroina» und ich glaube, sie ist ganz schön geworden. Sie ist gewissermaßen von selbst gereift» meinte Frers später bei einem zweiten Treffen in aller Bescheidenheit mit dem für ihn typisch scheuen Lächeln.

Frers mag senkrechte Vorsteven so wenig, dass es ihn seinen Entwürfen für Hallberg-Rassy, Nautor’s Swan, Sirena oder Hylas erst neuerdings gibt, weil es unumgänglich ist. Auch sonst geht er verhalten mit der Zeit. Moden und Gadgets sind nicht seine Welt. «Heroinas» Vorsteven ist 44 Grad vorwärts geneigt. So war es damals üblich. Heute erscheint diese Stevenneigung altmodisch.

Das Deck seines Bootes ist abgesehen vom Aufbau flach und bietet Sicht nach vorn. Es endet über der Rundung eines klassisch positiv geneigten Yachthecks. Das ist bei Fahrtenbooten praktisch, weil es ein Maximum an Decksfläche bietet. Ein schlichtes, ansehnliches Tourenboot für sportliches Segeln, mit Platz zum Segellegen oder Faulenzen an Deck.

«Heroina» erhielt zugunsten der Formstabilität des Rumpfes und des Platzes an und unter Deck eine stattliche Breite von annähernd 6 Metern. Die 14 t Blei standen in Gestalt des vorhandenen Kiels bereits fest. Wie der Kiel greift das säbelartige Ruderblatt 3 Meter tief ins Wasser. Es ist ein sehr modernes, vor balanciertes, leicht drehendes, säbelartiges Vollschweberuder. Natürlich ist mit diesem Kiel, seinen sensiblen Flügeln und dem tiefgehenden Ruderblatt besonders aufzupassen. Eine Grundberührung wäre problematisch. Auch beim Abstellen des Schiffes an Land ist mit diesem Kiel Vorsicht geboten. Wie die Fotos zeigen ist die Spannweite der Flügel beachtlich.

So wurde «Heroina» zum ansehnlichen Mix aus traditionellem Look und modernem Yachtbau. Ein Patchworkboot, zusammengefügt mit der unaufgeregten stilistischen Finesse des argentinischen Ästheten. Das Boot segelt heute an der amerikanischen Ostküste. Man findet die gestalterische Gelassenheit des Argentiniers bei den gediegenen Swan Yachten der Nautor Werft, die gebraucht ebenso eine ausgezeichnete Wahl sind.

Das Interieur von Gae Aulenti wurde mittlerweile ein wenig amerikanisiert
Das Interieur von Gae Aulenti wurde mittlerweile ein wenig amerikanisiert © Fraser Yacht

Die Familie Frers unternahm schöne Törns mit dem Schiff im Mittelmeer. Nach einer Weile wurde «Heroina» verkauft und Frers vergnügte sich eine Weile mit anderen, klassischen Booten. Bis er sich ab 2016 mit der Überarbeitung der Pläne einer nicht verwirklichten Konstruktion seines Vaters beschäftigte und das fertige Boot 2021 von Buenos Aires zum Mittelmeer überführte. Dieses Mal dauerte die Reise 51 statt 40 Tage. «Heroina» ist heute an der amerikanischen Ostküste zwischen Newport und der Karibik unterwegs. Sie wird neuerdings vom Makler Fraser Yachts zum Verkauf angeboten.

Pläne des formstabil breiten Bootes
Pläne des formstabil breiten Bootes © Germán Frers

«Heroina»

Entwurf Germán Frers (Buenos Aires/Mailand)
Werft Astilleros Sarmiento (Buenos Aires/Argentinien)
Bau 1989 bis 1994
Überholungen 2009 – 2016
Länge 22,50 m
Wasserlinie 17,76 m
Breite 5,68 m
Tiefgang 3 m
Verdrängung leer 36 t
Verdrängung beladen 38 t
Ballast 14 t
Segelfläche 223 qm
Maschine 163 PS/120 kW Steyr
Reisegeschwindigkeit unter Maschine 8 kn
Vollgas 9,4 kn
750 l Diesel
850 l Wasser

Lesenswert

  • Barry Picktall: Germán Frers. A Passion for Design. South Atlantic Publishing 2006. 31 × 24 × 3 cm, 198 Seiten. ISBN: 13 978 095 310 440 6. Mit Glück antiquarisch zu bekommen.

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