Yachtkonstrukteure5 min Lesezeit
Robin oder die ideale Fahrtenyacht
Warum der amerikanische Segler Ted Hood auf schwere Boote schwor
Es ist interessant, was Yachtkonstrukteure für sich selbst entwerfen und segeln. Ihre Boote verraten, wie sie ticken: zum Beispiel die «Robin» von Ted Hood.
Von Erdmann Braschos, veröffentlicht am 26.11.2020, aktualisiert am 11.10.2024
Das erwartet Sie in diesem Artikel
- Einblick in das heute exotisch erscheinende Fahrtenyachtkonzept von Ted Hood
- welche Vorteile der Hoodsche Kielschwerter bietet
- Spantform und Stauraum in Hoods Fahrtenbooten
- weitere Innovationen von Ted Hood
- Ted Hoods Little Harbour Yachten
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Seitdem der Mensch zum Vergnügen und nicht zum Broterwerb ablegt, stellt sich die Frage nach dem idealen Fahrtenboot. Es gibt ganz unterschiedliche Antworten darauf und jedes Jahr kommen neue dazu. Die Weiterentwicklung im Bootsbau und aktuelle Trends machen es möglich. Der amerikanische Segelmacher, Regattasegler, Bootskonstrukteur und Erfinder Frederick Emmart «Ted» Hood (1927 – 2013) hatte eine klare Meinung dazu.
Denn Hood, der mit der Entwicklung der modernen Segelrollanlage das Tourensegeln bequem und sicher machte, etwa 40 Boote für sich entwarf, wusste aus eigener Erfahrung, worauf es ankommt. Sein Revier war die amerikanische Ostküste zwischen Marblehead und Florida. Dort schiebt der Golfstrom den Atlantik zu einer ruppigen Buckelpiste zusammen.
Ein Fahrtenboot gleich welcher Größe musste für Hood Lebensqualität an Bord bieten. Und zwar unterwegs auf See. Was es im Hafen oder hoch und trocken auf dem Messestand bietet, interessierte Hood weniger.
Ganz gleich wie groß es ist: Es darf nur wenig Tiefgang haben, damit die flachen Gewässer der Bahamas und der reizvolle, geschützte Atlantic Intracoastal Waterway zugänglich bleiben. Deshalb zeichnete und segelte Hood Kielschwerter.
Die Hoodsche Fahrtenyacht ist entgegen dem üblichen Trend zum U-spantig flachen Rumpf mit tiefer Kielflosse nicht bloß schwer. Sie ist sehr schwer. Anders als beim modernen Boot hängt der Ballast nicht außenbords, sondern steckt in der Bilge. Hood bezeichnete seine Rümpfe mit deltaförmiger Spantform als „Whale Belly“. Der Vorteil des schweren Rumpfes mit Walfischbauch ist, dass die Bewegungen im Seegang berechenbar sind. Es gibt kaum Vibrationen. Es gibt Platz für Tanks, Vorräte und Batterien mit günstigem Schwerpunkt in der Schiffsmitte unter den Bodenbrettern. Der Nachteil ist, dass der kurze Hebelarm des Ballastes mehr Blei verlangt als bei einem modernen Flossenkieler.
Vor einer Weile besuchte ich Ted Hood mal in Rhode Island, wo der Selfmademan einen rund laufenden 300-Mann-Betrieb mit Konstruktionsbüro, Bootslagerung, Service und Neubau von Motoryachten am Laufen hatte. Wie befürchtet war der legendär wortkarge Hood zunächst ziemlich still. Ich dachte, ich wäre umsonst gekommen. Es besserte sich bei der Führung durch seinen Betrieb. Als wir schließlich an Bord seiner „Blue Robin“ saßen, war Hood geradezu gesprächig.
Auf der Suche nach der universellen Regatta- und Fahrtenyacht, die zwischen New Yorks Long Island Sound, den nordöstlich gelegenen Segelzentren, auf der Regattabahn nach Bermuda und im Winter in Florida erfolgreich ist, fand Hood 1959 sein Konzept. Er entwickelte es seitdem weiter. Der zweckmäßige Betrieb zweier Schiffe, eins in Massachusetts, eins im Süden, ersparte Hood zeitraubende Überführungen. Hood lebte vom und fürs Segeln. Vorher, nachher und zwischendurch arbeitete er.
„Als junger Segelmacher bekam ich reichlich Gelegenheit, auf allen möglichen Schiffen zu segeln. Nach dem Zieldurchgang der SORC in Nassau war es üblich, einen Törn durch die Bahamas zu machen. Mit 1,80 bis zwei Metern Tiefgang kommst Du da unten so eben noch klar. Deshalb setzte ich von Anfang an auf den breiten, flachen, formstabilen Kielschwerter.“
Ein Beispiel für die Finesse, die in Hoods Konstruktionen steckt, ist «Blue Robin», sein 48-Füßer, in dem wir damals saßen. Randvoll mit Sprit, Wasser und Vorräten für den großen Bahamas-Törn beladen, geht «Blue Robin» mit geborgenem Schwert ganze 1,42 m tief. Auf vier Meter Tiefgang ausgeklappt greift das Schwert über eine Strecke von 2,60 Metern unter dem Walfischbauch ins Meer. Vom reinen Regattaboot abgesehen geht keine Yacht dieser Größe mit einem derart wirksamen, schlanken Profil an den Wind. Dazu dachte sich Hood eine Vorrichtung aus, die das Schwert nach der Wende automatisch im Schwertkasten um zwei Grad passend dreht. Niemand außer Hood macht so etwas bei einem Tourenboot. So brachte Hood interessante Segeleigenschaften und das Bedürfnis nach reduziertem Tiefgang in Einklang.
Was muss eine Fahrtenyacht können?
Die Taschenspielerei der Präsentation eines leeren Regattaboots, das netto zur Premiere auf den Regattabahnen mit der gesamten Crew auf der Kante überzeugt, beim Fahrtensegeln dann ausgebaut und beladen, brutto, nicht mehr funktioniert, diese Flunkerei hat Hood nicht mitgemacht. Stattdessen konzipierte er seine Boote von vornherein ehrlich als mittelschwere bis schwere Verdränger, bei denen die Zuladung für den mehrwöchigen Törn nicht so stört, zweitens das Konzept des Schiffes nicht zerstört.
„Ein schwer beladener, fürs reale Brutto gezeichneter Verdränger segelt genauso schnell wie der zu tief im Wasser liegende Leichtbau, bewahrt allerdings seine weichen Rauhwasser-Eigenschaften, die ein Bordleben zulassen“, sagte Hood. „Die Güte eines Cruiser-Racers ist nicht allein seine Geschwindigkeit unter Segeln. Sie setzt sich zusammen aus Komfort, Zulademöglichkeit, Reichweite, Sicherheitsreserven, einer verlässlichen, wartungsarmen Bauweise und Geschwindigkeit.“
Wir saßen in der Mittelplicht seines Bootes, in dem weitere Ideen von Ted Hood steckten. Die längst weltweit kopierte Mittelplicht hatte Hood sich mal zum sicheren Tourensegeln mit der Familie ausgedacht. Ebenso das von seitlichen Durchstiegen unterbrochene Süll, damit man bequem von der Plicht an Deck kommt. Die formverleimten Schwalbennester hatte er von den Stauräumen für das Handgepäck aus dem Flugzeug übernommen.
Wenigstens das vordere Zehntel Decksfläche hinter dem Vorsteven sollte vom Rudergänger gut zu überblicken sein. Nur so kann beobachtet werden, ob der Mitsegler bei einem Manöver auf dem Vorschiff oder dem Entsichern des Ankers zurechtkommt. Damit der Weg über das geneigte Deck zum Bug nicht zur Rutschpartie wird, gab Hood der Kleinserie seiner Little Harbour Blauwasseryachten einen weit nach vorn gestreckten Kajütaufbau. Auf dessen Seitenwand findet man den nötigen Halt.
Hood sprach leise, kam mit wenigen Worten aus. Was für eine Begegnung! Wenn Sie noch kein gescheites Geburtstags- oder Weihnachtsgeschenk haben oder sich selbst mit einem tollen Buch beglücken möchten, besorgen Sie sich im Internet: „Ted Hood Through Hand and Eye, An Autobiography“, 2006, Mystic Seaport, 200 Seiten, ISBN 9780939511143. Ich nehme so etwas zur Hand, wenn ich schlechte Laune habe, oder von den ganzen Blauwasser-Schwätzern angepestet bin, was meist das Gleiche ist.
Ted Hoods «Robin» wird seit einigen Jahren von einer amerikanischen Familie auf Martha’s Vineyard an der amerikanischen Ostküste gesegelt. Das Boot heißt heute «Robin Hood». Ein Törn führte bis nach Kuba.
Yachten werden heute als Konsumgüter und Modeartikel mit immer neuen Gadgets präsentiert. Wenn Sie mit Ihrem Boot also lange Törns planen, lohnt es sich, Ted Hoods Erfahrung zu nutzen oder sich eine seiner Little Harbour-Yachten anzuschauen. Die gibt es gebraucht. Oder lassen Sie sich von seinem langjährigen und heute selbstständigen Mitarbeiter Ted Fontaine ein neues Boot zeichnen.
Robin Hood
Länge über alles 16,17 m
Breite 4,52 m
Verdrängung halb volle Tanks: 18,5 t
Segeltragezahl (halb volle Tanks): 4,8
Ballast 5 t
Wasserballast 1,2/1,8 t
Tiefgang (Klappschwert 1,42 – 4 m
Kutter getakelt 155 qm
Maschine Nanni 65 PS/48 kW
Interieur Mahagoni, weißgraue Vertäfelung
Zentralheizung und Kamin