Yachtkonstrukteure7 min Lesezeit

Bestevaer 2

Was sich von Gerard Dykstras eigenem Boot lernen lässt

Bestevaer 2
Bootsurlaub mit Eisklasse. Bestevaer 2 vor Grönland © Gerard Dykstra

Es ist interessant, was Yachtkonstrukteure für sich selbst entwerfen und segeln. Ihre Boote verraten, wie sie ticken: Zum Beispiel die weit gereiste 16 m Blauwasseryacht «Bestevaer 2» von Gerard Dykstra.

Von Erdmann Braschos, veröffentlicht am 04.04.2019

Das erwartet Sie in diesem Artikel
  • Einblicke in das Arbeits- und Seglerleben von Gerard Dykstra
  • wie Dykstra seine Bestevaer 2 ankündigte, verwirkliche und segelt
  • Beispiele für die Zweckmäßigkeit des Bootes
  • was hinter der großzügigen Besegelung des Bootes steckt
  • welche Erkenntnisse seines Bestevaer 2 Prototypen in die Kleinserie übernommen wurden

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Gerard Dykstra ist ein vielseitiger Mann. Er begann als Segelmacher in New York und navigierte die siegreiche «Flyer» beim Whitbread Race um die Welt. 1969 machte er sich in Amsterdam als Yachtkonstrukteur selbstständig und segelte mit seiner ersten «Bestevaer» einhand bei der OSTAR-Regatta über den Atlantik. Er entwarf Kanus, Fischerboote und kleine Frachter für ein Entwicklungshilfeprojekt in Indonesien und steht maßgeblich hinter der Wiederinbetriebnahme der J-Class. Er zeichnete große Yachten wie «Athena», «Adix», «Borkumriff IV», «Meteor» oder «Windrose» und entwickelte Windjammer wie «Cisne Branco» oder «Stad Amsterdam». Dykstra hat sich von Selbststeueranlagen bis hin zum Dyna-Rigg der gigantischen Segelroboter «Maltese Falcon» und «Black Pearl» mit praktisch allen Facetten seines Metiers beschäftigt. Manche seiner Aufgaben waren so speziell, dass Dykstra sie mit Machbarkeitsstudien begann. Auch im yachtbaulichen Meilenstein «Hetairos», einer ultraleichten, generös besegelten 66 m Hightech Ketsch steckt sein Knowhow.

Dykstra gibt gelassen und sachlich Einblick in seine Arbeit. Als zurückhaltender Mensch, der sich kaum für das Rampenlicht der heute üblichen Awards und die künstliche Welt der Boatshows interessiert, segelt er seit Jahrzehnten auf den interessantesten Booten der Welt. Viele der bewunderten Showboats hat er gezeichnet. Bei den J-Class Regatten ist er als Beobachter dabei. Hier trifft er die Eigner und künftigen Eigner neuer Entwürfe. Mit dem manchmal erdrückenden Ego seiner Kunden kommt er klar.

Als ich ihn Ende der Neunzigerjahre damals noch in seinem ersten Büro in Amsterdam besuchte, meinte er nebenbei: «Ich möchte mal wieder selbst ein bisschen segeln gehen» und kündigte ein Boot nach eigenem Gusto an. «Es wird ganz einfach, denn ich segele lieber als zu basteln.» Seine zweite Bestevaer ist ein nüchterner Zweckbau, so charmant wie naturbelassenes Aluminium sein kann. Grau, schnörkellos und unkaputtbar hat es den Charme von Waschbeton.

Seit 1 ½ Jahrzehnten ist er nun mit «Bestevaer 2» unterwegs, einem Boot, dessen Name erklärungsbedürftig ist: «Bestevaer, «best-a-far» ausgesprochen, ist der Spitzname des holländischen Admirals Michiel Adriianszoon de Ruyter» berichtet Dykstra. «Das heißt wörtlich übersetzt guter Vater. De Ruyter war der Nelson der Holländer im 17. Jahrhundert. Und dann heißt «Vær» außerdem «Vaarder» wie Fahrer im englischen «Seafarer». De Ruyter wird als fairer Skipper und guter Seefahrer erinnert.

Mit der passenden Partnerin und einem geeigneten Schiff gelingt auch der Winterurlaub an Bord
Mit der passenden Partnerin und einem geeigneten Schiff gelingt auch der Winterurlaub an Bord © Gerard Dykstra

"In der ersten Saison ging es nach Spitzbergen und Norwegen" berichtet Dykstra "den Winter 2005 lag das Boot in Tromsö, von wo meine Frau Loon und ich Törns machten, die mit Schneefegen an Deck begannen. Es war großartig und eine schöne Zeit an Bord. Frühjahr und Sommer erkundeten wir die Lofoten. Im Jahr darauf ging es von Holland via Lissabon, Madeira zu den Kanaren, von dort im November nach Rio de Janeiro. Den Winter dann die brasilianische Küste entlang. Eigentlich wollte ich nach Patagonien, aber es gab zu viel in Amsterdam zu tun. Ich versuche das später noch mal» berichtet der Gerne- und Vielsegler Dijkstra, der seinen Namen zugunsten seiner internationalen Kundschaft in Dykstra änderte. Das können Nichtholländer besser aussprechen.


«Bestevaer 2» ist ein typisch Dykstrascher Cross Over von traditioneller Anmutung, modernem Unterwasserschiff und Hightech Segelhardware. Handlich leichte Karbonspibäume oder Kutter- und Backstagen aus Aramidfaser gehören dazu. Das 16 m Boot ist durchweg praktisch, vom markanten Vorsteven bis zum Spiegelheck. Dort hängt hinter einem stabilen Bügel die Windfahnenselbststeueranlage der bewährten Marke Windpilot. Auch der Betrieb eines Notruders war mit angeschweißten Beschlägen bereits ab Werft vorgesehen. Zur Vermeidung der lästigen Elektrolyse bei der Montage von Metallen mit unterschiedlicher Eigenspannung wurden die Poller nicht mit dem Boot verschraubt, sondern gleich in der Werft angeschweißt.

Wie manche andere Aluyacht auch, ist «Bestevaer 2» ohne Farbe auf Rumpf und Aufbauten unterwegs. Voraussetzung dafür war die beulenfrei saubere Leichtmetallverarbeitung. Die formschönen Rundungen des Deckshauses beeindrucken. Das ist Karosseriebau, wie ihn wenige ohne Spachtel hinkriegen.


Das Vor- und Achterschiff ließ Dykstra zugunsten ruhigem Seeverhalten leer. Die Vorpiek ist mit einem wasserdichten Schott und das hintere Viertel des Schiffes so abgetrennt, dass das Boot nach einem Wassereinbruch mit passablem Freibord schwimmt. «Damit kannst Du nach einer Havarie noch nach Hause segeln,» so Dykstra, der das erste Weihnachten und Neujahr nicht in der warmen Wohnung, sondern auf einer friesischen Insel im Kreis von unbeirrten «Eisseglern» an Bord verbrachte. Da braucht man natürlich einen leistungsfähigen Ofen aus Gusseisen. Der verbreitet im Salon angenehme Wärme. Weiß-blaue Makkumer Kacheln gehören für einen Holländer natürlich dazu. Die Kohle und Holzscheite sind im Sideboard neben dem Sofa verstaut.

Wie die Lotsen und Fischer früherer Zeiten hat «Bestevaer 2» eine Sommertakelung und ein Starkwindrigg. «Im Winter bleibt der Klüver aufgerollt und ich segele mit der herkömmlich an Stagreitern gesetzten Fock.» Mit kleinem Vorsegel und bis zu drei Reffreihen reduziertem groß verträgt die kuttergeriggte Slup viel Wind und Seegang. Auch sonst setzt Dykstra beim Rigg auf einfache Lösungen. Anstelle von Beschlägen zur Befestigung der Blöcke sind wie bei modernen Regattabooten Stropps gelascht. «Die passen sich der Zugbelastung besser an und klappern nicht». Deshalb gibt es überall Endlos-Stropps des amerikanischen Herstellers Yale Cordage. Dieser leichte, geräusch- und verschleißarme Schäkelersatz ist heute auf Regattabooten üblich.

Plicht und Beschläge aus unbehandeltem Aluminium
Plicht und Beschläge aus unbehandeltem Aluminium © Gerard Dykstra

Natürlich ist der Praktiker mit einer Pinne statt Rad unterwegs. «Die Pinne funktioniert immer, bietet mehr Gefühl, zeigt die Ruderlage an und spart gegenüber der Radsteuerung Gewicht, Platz und Wartungseinheiten.» Die sparsam mit Holz ausgelegte Plicht mit den metallisch unbehandelten Aluoberflächen hat den Charme eines Rohbaues und ist nicht jedermanns Sache.

Das Deckshaus bietet dem Langfahrtseglerpaar entscheidende Annehmlichkeiten wie Windschutz und Überblick. Schiffsverkehr, Wind und Wetter lassen sich durch die vielen Fenster beobachten. Verklicker und Segelstand beobachtet Dykstra durch das Skylight über dem Kartentisch. So bringt er das Schiff auch bei unwirtlichen Bedingungen durch nautisch anspruchsvolle, verkehrsreiche Tidengewässer.

Gerard und Loon Dykstra April 2013 in Isafjörour im Nordwesten Islands
Gerard und Loon Dykstra April 2013 in Isafjörour im Nordwesten Islands © Gerard Dykstra

Das Schiff ist mit angeschweißten Bordwanddurchführungen statt Seeventilen und Schläuchen unterwegs. Das hält immer. Das Vorschiff wurde unter Wasser aus 1 cm dickem Aluminium geschweißt, das entspricht einer leichten Eisklasse. Auch die Kühlung des Motors wurde eisigen Bedingungen angepasst. Sie erfolgt mit einem geschlossenen System per Wärmetauscher im Kiel und trockenem Auspuff. Die Fenster tragen Perspex-Innenrahmen gegen Kondensation. Der Rumpf wurde mit einer dicken Schaumschicht isoliert.

Wie von einem eher auf See als am Messestand überzeugenden Schiff zu erwarten, wird bei «Bestevaer 2» im ruhigen achteren Mittschiffsbereich gekocht, geschlafen und die Toilette benutzt. Das Boot hat einen Einzigen, dafür großen Toilettenraum mittschiffs gleich am Niedergang, wo es die wenigsten Bewegungen gibt.

Deckenverkleidung und Schotten traditioneller Arbeitsboote und Yachten des 19. bis frühen 20. Jahrhunderts waren einst freundlich hell. Eine Lösung, die Dykstra für sein Schiff übernahm.

Im Vergleich zu ihrer Vorgängerin, Dykstras einstigem Ostar Transatlantikrenner gleichen Namens von 1976, ist die zweite Bestevaer breiter, dennoch nach heutigen Maßstäben kein breites Boot. Das ergibt eine ausgeglichen symmetrische Wasserlinie des gekrängten Bootes und brauchbare am Wind Segelleistung. Die 2,60 Meter tief gehende Kielflosse mit 5 Tonnen Ballast trägt dazu bei. «Damit ist das Boot so steif wie ein Regattaboot oder eine schwere Fahrtenyacht» erläutert der Eigner.

Zum komfortablen Segeln, späteren Reffen oder mehr Leistung werden 600 Liter Frischwasser unter die angehobene Deckskante gepumpt, ergänzend der dahinter sitzende Ballasttank mit 1,2 Tonnen Seewasser gefüllt. Damit segelt das Boot Dystra zufolge acht Grad aufrechter.

Das Schiff mit dem markanten Vorsteven sieht zwar behäbig aus, hat dank starker Achterlieksrundung im Großsegel und 155 Quadratmetern am Wind die für ein Fahrtenboot ordentliche Segeltragezahl von 4,8 und macht mit 270 qm raumschots gut Dampf. All das halb beladen, nicht netto. «Das Schiff muss laufen.» Deshalb hat die «Bestevaer 2», wie Dykstras andere Um- und Neubauten auch, einige Quadratmeter Segeltuch mehr. «Einpacken kannst Du immer» meint er.

Während des ersten Norwegen-Törns in Svolvaer/Lofoten
Während des ersten Norwegen-Törns in Svolvaer/Lofoten © Gerard Dykstra

Nach vielen Tausend Meilen bleibt die Frage, was er anders machen würde «Das Heck könnte ein bisschen breiter sein. Diese Erkenntnis, habe ich bereits in die Bestevaer Serie einfließen lassen.» Dykstras Schiff wurde zum Prototypen einer Kleinserie von Semicustom Booten, die die K&M Werft in Makkum trotz der gediegenen Preise mit beachtlichem Erfolg fertigt.

«Die Systeme würde ich noch einfacher machen, als sie auf meinem Schiff ohnehin schon sind. Besonders die Zugänglichkeit ist wichtig» berichtet der Eigner. Also bleibt er beim «Keep it simple», dem «KIS» Prinzip», mit einer bemerkenswerten Abweichung übrigens: «heute bin ich mit einem richtigen, ausschließlich für die Navigation zuständigen Bordcomputer unterwegs.» Zunächst hatte Dykstra von einem billig-Windows Rechner von Aldi gesprochen, den er alle paar Jahre durch ein neues Gerät einschließlich der erforderlichen Softwareupdates ersetzten wollte. «Den Laptop benutze ich ausschließlich für den «Haushalt» und die Kommunikation. Und noch etwas würde er ändern: «Ich würde die Farbe an Deck weglassen.»

Im Grunde ist Gerard Dykstra, der Hochseesegel-Veteran und Yachtkonstrukteur sich nach seinem Berufsleben mit «Bestevaer 2» bloß treu geblieben. Bereits als Student hatte er sich eine alte 6 mR Rennyacht mit Bordmitteln zurechtgemacht, sie «Old Salt» getauft und mit dem flachbordigen, nass segelnden Gefährt Nord- und Ostsee erkundet.

Länge über alles: 16,17 m
Breite: 4,52 m
Verdrängung halb beladen: 18,5 t
Segeltragezahl: 4,8 t
Ballast: 5 t
Wasserballast: 1,2/1,8 t
Tiefgang: 2,60 m
Kuttertakelung: 155 qm
Maschine: Nanni 65 PS/48 kW
Interieur: Mahagoni, weißgraue Vertäfelung
Heizung: Zentralheizung und Kamin

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VG