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Boote im Porträt4 min Lesezeit

Hat das Nordische Folkeboot etwa eine «Seele»?

Der Geist im Boot!

Hat das Nordische Folkeboot etwa eine «Seele»?
Folkeboot im Hafen © Boat24

Wir alle wissen, dass mitunter ein wenig leichtfertig mit dem Glauben «jedes Boot habe eine Seele» umgegangen wird. Befragt man alte Salzbuckel, können diese nur milde lächeln, wenn die stolzen Eigner von Karbon-Rennyachten mit Schwenkkiel oder 30-Knoten-Foil-Schlitten (Rasant reisen – auf Tragflächen) stur auch von ihren Schiffen behaupten, sie hätten so etwas wie ein eigenes Leben, also Bewusstsein und Geist. Geist in der Flasche, ja. Aber Geist im Boot? Kann es so etwas tatsächlich geben?

Von Michael Kunst, veröffentlicht am 30.04.2015, aktualisiert am 02.12.2022

Das erwartet Sie in diesem Artikel
  • Das Nordische Folkeboot wird längst als „Boot mit Geist und Seele“ gefeiert.
  • Was macht(e) die Klasse so populär?
  • Warum schwören selbst heute noch junge Menschen auf den mehr als 80 Jahre alten Riss?

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Boot mit Seele?

Die Alten und manch eingeweihter Junger schmunzeln dann oft, nicken nur vielsagend. Und geben mitunter sogar eine Antwort… in Zahlen:
L 7,64 x B 2,20 x T 1,20 m, ca. 1.930 kg, Segelfläche: 24 m2. Dazu ein brummiges „Foooolke“ gemurmelt und schon weiß (fast) jeder, wer oder was gemeint ist: das legendäre, nahezu mythische „Nordische Folkeboot“.
Es wird auch mit „Volkes Seele“ bezeichnet, mit „Opium fürs Volk“ oder als „Boot mit dem gewissen Etwas“. Also dem Geist im Boot?
Man muss es gefühlt und erlebt haben, um zu ahnen, warum ausgerechnet Folkeboot-Skipper so oft mit diesem glänzenden Blick der Verzückung nach einem längeren, gerne auch harten Törn bei miserablem Wetter in den Hafen einlaufen; man muss es selbst spüren, was die Folkeboot-Eigner meinen, wenn sie ihr Schiff mit „lebendig“ bezeichnen.

Im, nicht auf…

Zunächst: Man segelt nicht auf, sondern in einem Nordischen Folkeboot. Das wird spätestens dann deutlich, wenn man im tiefen Cockpit an der Pinne steht und dabei nur der Oberkörper über die Deckshöhe ragt. Noch tiefer geht’s, wenn man auf der Steuerbank sitzt – da reicht es nur noch für einen locker ausgestreckten Arm auf dem Seitendeck, während die andere Hand entspannt steuert.
Kaum ausgelaufen, ist dieses wunderbare Gluckern und liebliche Klatschen zu vernehmen. Töne, die es so nur auf einem geklinkerten Holzschiff geben kann. Oder spricht dieses Boot tatsächlich zu mir?

Wer jemals so ein Schiff in der Welle der Ost- oder Nordsee (für die es aber nicht nur gebaut wurde) segeln durfte, der ahnt rasch, warum die Folkeboot-Langkiel-Segler einfach die besseren Nerven bei Wind haben: Sie werden schlicht nie strapaziert! Weiches Eintauchen, auch bei üblen Kreuzseen sogar noch mit 8 Beaufort gegen an; eine verblüffende Höhe läuft das Boot bei jeder Windstärke, richtig schnell, ist man damit unterwegs, ohne dabei jemals die Ruhe zu verlieren. Und: Reffleinen sind in der Original-Beseglung einfach nicht vorgesehen!
Das Nordische Folkeboot krängt nicht, sondern legt sich entspannt auf die Seite. Spinnaker? Gennaker? Alles unnötig, weil nicht „folkisch“: Vor dem Wind wird die Fock ausgebaumt – alles andere ist „unnordischer“ Schnickschnack! „Gelassen“ könnte man so ein Segelverhalten nennen… färbt das etwa auf die Skipper ab?

Geborgen und gemütlich

Wer ein Nordisches Folkeboot auf welchem Revier auch immer segelt, der kommt um den Gedanken an tiefe Geborgenheit nicht herum. Das liegt an der schiffigen Schönheit des Rumpfes genauso wie am einfachen, aber urgemütlichen Inneren. Und spätestens wenn man eine Nacht vor Anker im Inneren seines „Folke“ verbracht hat, wenn dich das Boot säuselnd und wispernd in den Schlaf wiegt und morgens glockenklar mit Sirenengesang wieder weckt… spätestens dann weiß jeder Segler, warum der „Geist“ gerade in diesem Schiff wohnt. Und warum das Nordische Folkeboot vielleicht das einzige Schiff ist, das von sich behaupten darf, „beseelt“ zu sein.

Nordisches Folkeboot

  • L 7,64 x B 2,20 x T 1,20 m
  • Langkieler mit Plattgatt-Heck und angehängtem Ruder
  • Bauweise: Original in Holz (geklinkert), seit 1976 auch in GFK; ebenfalls weit verbreitet ist das leicht kürzere „Junior-Folkeboot“
  • Entwurf ging aus einem Wettbewerb für ein „Volksboot“ hervor.
  • 1941 erstes „Nordisches Folkeboot“ bei der Arendals Werft in Göteborg
  • Das Folkeboot wurde bald die erste europäische One-Design –Wanderklasse mit Kajüte.
  • Sein Erfolg ist bis heute enorm: Weltweite Verbreitung – allein in Europa segeln derzeit 4.500 Boote.
  • Stark frequentierte Regatta-Klasse, vor allem in Ostsee und auf vielen Binnenseen.
  • Obwohl die Original-Version in Holz nicht mit einer selbstlenzenden Plicht ausgestattet ist, gilt das Nordische Folkeboot als seetüchtig.
  • Beispiele für Seetüchtigkeit: Bei der ersten Einhand-Transatlantik-Regatta in „kleinen“ Booten (1960) wählten von vier Teilnehmern zwei das Nordische Folkeboot (die Jester fuhr sogar mit einem Dschunkenrigg in 48 Tagen und wurde Zweite).
  • Die Australierin Ann Gash segelte 1975 in ihrem Nord. Folkeboot von Sydney nach England und wieder zurück.
  • Eine moderne Version (mit selbstlenzendem Cockpit) segelte auch die ARC mit.
  • Das Internationales Folkeboot (IF) ist aus Kunststoff und nicht geklinkert, gilt aber ebenfalls als sehr zuverlässig. Wird mit Spinnaker gesegelt.

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