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Umwelt- und Meeresschutz6 min Lesezeit

Frachtsegler aus dem Dschungel

Der Frachtsegler Ceiba wird emissionsfrei und erstmals nachhaltig transportieren

Frachtsegler aus dem Dschungel
Die "Ceiba" wird in Costa Rica von über 200 Enthusiasten gebaut – mehr als "nur" ein Vorzeigeprojekt

SailCargo ist das neue Vorzeigeprojekt nachhaltiger Schifffahrt. Junge Enthusiasten haben einen 45-Meter Frachtsegler aus Holz am Rand des Dschungels von Costa Rica auf Kiel gelegt. Ein „back to the roots“-Projekt mit Zukunft!

Von Michael Kunst, veröffentlicht am 22.04.2021

Das erwartet Sie in diesem Artikel
  • Endlich: Ein Frachtsegler mit vielversprechendem, nachhaltigem Ansatz
  • 45 Vollholz-Meter, 250 Tonnen Ladekapazität – emissionsfrei!
  • Ein neuer Dreimaster nach einem alten Riss
  • SailCargo – ein Projekt, das junge Menschen aus der ganzen Welt begeistert

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Frachtsegler sind schwer im Kommen. Bereits seit einigen Jahren engagieren sich segelnde Umweltschützer oder umweltbewusste Segelenthusiasten für ein Wiederaufleben des uralten Transportmittels Segelschiff.

Ein Trend, der sich mehr und mehr auch zu einem wirtschaftlichen Erfolg entwickelt – mittlerweile gibt es bereits Labels, die auf ihren Produkten mit dem Slogan „unter Segeln transportiert“ erfolgreich werben. So werden seit einigen Jahren historische Segelschifffahrtsrouten auf dem Atlantik, entlang der europäischen und afrikanischen Atlantik-Küsten (Wein, Whiskey, Gewürze etc.), aber auch transatlantische Routen von und nach Kanada, Nord-/Südamerika und in die Karibik (Rum, Kakao, Kaffee, Weine, Whiskey etc.) erneut befahren. Oberste Intention hinter der neuen/alten Transportstrategie: Minimaler CO2-Ausstoß und somit stark reduzierte Emissionswerte im Rahmen der Törns.

Restaurieren oder neu bauen?

Als Frachtsegler werden bis dato meistens restaurierte Klassiker oder Nachbauten eingesetzt (z. B. Avontuur, Tres Hombres), aber auch nagelneue 60-Fuß-Boote aus Aluminium wurden bereits gebaut (Grain de Sail). Mehr dazu im Boot24-Magazin-Artikel Neue Ära für Frachtsegler.

© sailcargo

Wer es jedoch richtig genau nimmt mit dem Thema Umweltschutz – Stichworte CO2-Fußabdruck, Nachhaltigkeit – findet in den o.g. Projekten einige Ansatzpunkte für spezifische Kritik. So gilt etwa für das im Rumpf der „Grain de Sail“ eingesetzte Aluminium, dass ausnahmslos jeder Schritt im Herstellungsprozess des begehrten Metalls die Umwelt beschädigt, verunreinigt oder gar zerstört.

Auf der anderen Seite wird Aluminium im Boots- und Schiffsbau als besonders robuster und langlebiger Baustoff gerade unter Dauerbelastung auf See geschätzt. Wie häufig bei solchen Projekten, wurden also gewisse Kompromisse eingegangen, die an den lauteren Absichten ihrer „Macher“ bestimmt nichts ändern, aber …

Kompromisse und Umweltsünden, auf die ein junges und gleichermaßen faszinierendes Projekt definitiv verzichten will: SailCargo Inc. will mit einer tatsächlich nachhaltigen Frachtsegler-Flotte einen neuen Standard setzen. Das Flaggschiff „Ceiba“ wurde bereits vor zwei Jahren auf Kiel gelegt, aufgrund der Corona-Pandemie hat sich der Bau des Vollholz-Frachtseglers jedoch um ein Jahr verzögert.

Allerdings, der Rumpf „steht“ mittlerweile, das 45 Meter-Schiff (technische Details siehe Box unten) nimmt im wahrsten Sinne der Worte Form an.

Neuer/alter Ansatz

Die „Ceiba“ wartet mit zwei Besonderheiten auf:

  • 1. Der nahezu kompromisslos nachhaltige Bootsbau und
  • 2. der Standort der Werft: Am Rande des Dschungels von Costa Rica wird das SailCargo Flaggschiff quasi im Freien gebaut. Nach einem Riss des Niederländers Pejpin van Schalk, der bereits andere Frachtsegler wie z.B. die Tres Hombres (nach)gebaut hat, entsteht das derzeit wohl größte Segelfrachtschiff der Welt – 45 Meter lang, mit einer Ladekapazität von 250 Tonnen!

© sailcargo

Pejpin ließ sich vom Riss des Handelsschoners „Ingrid“ von den Åland-Inseln vor Finnland inspirieren. Zudem nutzt er moderne Design-Elemente, um optimale Tragfähigkeit, Robustheit, Sicherheit und Effizienz unter Segeln zu gewährleisten. „Ingrid“ galt unter Frachtseglern für eine ganze Epoche als State of the Art – bezeichnend, dass sie jetzt am anderen Ende der Welt als richtungsweisender Nachbau zu einem zweiten Leben erweckt wird.

Weitgehend nachhaltig

Tatsächlich schätzt die internationale Segel- und Umweltszene am Projekt SailCargo zwar die Initiative, dass bald ein verhältnismäßig langer Frachtsegler die Sieben Meere befahren wird. Doch das ist, wie erwähnt, mittlerweile nach wie vor lobenswert, letztendlich jedoch durchaus zeitgeistig. Als weitaus spannender bewertet man den nachhaltigen Ansatz des Projektes. Nicht zuletzt, weil der internationale Boots- und Schiffbau seit Erfindung des Schiffsverbrennungsmotors und seit Verwendung anderer Materialien als das über die Jahrtausende hinweg bewährte Holz, sich nicht gerade mit Ruhm beim Thema „Umweltschutz“ bekleckerte.

Menschen, die fest an ein „zurück-zu-den-Wurzeln“-Projekt mit Zukunft glauben

Das Holz für die „Ceiba“ wird praktischerweise direkt „vor der Haustüre“ geschlagen. Und da Costa Rica eine Art Umwelt-Vorzeigestaat auf dem südamerikanischen Kontinent ist, geschieht diese Baumernte für den Schiffsbau unter strengen Auflagen. Im Gegenzug bepflanzt das SailCargo-Werftteam direkt vor Ort große Flächen mit den gleichen Baumarten, die zuvor gefällt wurden. Für Holzfreaks – folgende Baumarten werden für den Bau des vollhölzernen Frachtseglers verwendet: Guapinol / Jatoba (Hymenaea courbaril); Spanische Zeder (Cedrela odorata); Bergtamarinde (Dialium guianense) und Guachipelin (Diphysa americana).

Nach Anlieferung des (getrockneten) Holzes geschieht die komplette Weiterverarbeitung in der SailCargo Werft. Nach Angabe der Bootsbauer wird im Prinzip jedes Teil aus Holz, das später Verwendung im und am Frachtsegler findet, vor Ort gefertigt. Auf ihrer Website (siehe unten) dokumentiert das SailCargo-Team alle Bauvorgänge akribisch – schriftlich wie fotografisch.

Gute Segelperformance gewünscht

So klassisch und historisch die „Ceiba“ letztendlich aussehen wird, so modern im umweltverträglichen Sinne wird sie sein. Der Dreimaster ist trotz seiner hohen Ladekapazität auf eine angemessene Segel-Performance ausgerichtet. Da der Frachtsegler hauptsächlich im Pazifik bis zu den Sandwich-Inseln (Hawaii), entlang Mittelamerika und vor der US-Westküste zum Einsatz kommen soll, muss das Schiff auch bei leichteren Winden „laufen“; entsprechend wird die „Ceiba“, mit 580 qm Segelfläche leicht übertakelt sein. Ihre Standardbeseglung besteht aus 14 Tüchern, die jedoch bei leichten Winden mit weiteren 12 Segeln ergänzt werden können. Ein eher niedrig angesetzter Schwerpunkt bietet zudem bei schwerem Wetter eine bessere Stabilität im Seegang.

Die moderne Seite des an klassische Linien angelehnten Holzschiffes zeigt sich im Detail – bewährtes Design und Baumaterial treffen auf zukunftsweisende Technologie. Die „Ceiba“ soll mit einem Elektromotor bestückt werden, dessen Akkus autonom über Solarpaneele, Windräder und – noch auf der Wunschliste – mit Photovoltaik-Segeln aufgeladen werden. Ein Dualpropeller generiert ebenfalls Energie, wenn der Frachtsegler „nur“ unter Segeln unterwegs ist. Spätere Neubauten für SailCargo sollen zum Beispiel mit Brennstoffzellen-Energie angetrieben werden.

© sailcargo

Der Riss der „Caiba“ sieht zwei Ladeluken für den Zugang zu den Laderäumen vor, die gleichzeitig genutzt werden können. Das erhöht die Flexibilität und die Lagermöglichkeiten beim Be- und Entladen der Fracht.

200 Menschen aus 28 Ländern

Gegründet wurde SailCargo von den beiden Kanadiern Danielle Doggett und Lynx Guimond – Danielle versteht sich heute als CEO des Projektes, Lynx arbeitet als technischer Leiter des Werftteams.

Mehr als 200 Menschen aus 28 verschiedenen Nationen haben bereits am Bau der Ceiba mitgewirkt. 130.000 Stunden wurden schon investiert (Stand Frühjahr 2021). Und der Zustrom an arbeitswilligen Freiwilligen hört nicht auf.

© sailcargo

Durch eine smarte Mediatisierung des Projektes wurden junge Menschen auf der ganzen Welt auf den Bau der „Ceiba“ aufmerksam – wöchentlich gehen offenbar Dutzende Anfragen bei der Administration von SailCargo ein: Enthusiasten, die ihre handwerklichen und/oder umweltrelevanten Fähigkeiten für ein Projekt einsetzen wollen, das im wahrsten Sinne des Worte „Zukunft“ hat.

Die Einheimischen unterstützen

Bei allem internationalen Interesse bleiben die Verantwortlichen der Werft respektive des SailCargo-Projektes in einem Punkt jedoch unnachgiebig: Das Werft-Team soll zu mindestens 50 Prozent aus CostaricanerInnen bestehen. Viele Arbeiter und Arbeiterinnen aus der benachbarten Gemeinde Punta Morales setzen ihrerseits wiederum auf den Erfolg des Projektes, das mittel- bis langfristig ihrem Dort und seiner Umgebung vielversprechende Perspektiven gibt. Schon jetzt sorgt die Freiluft-Werft für eine Verbesserung der wirtschaftlichen Situation, die für die Gegend beispiellos ist. Tendenz weiterhin steigend.
Finanziert wird der Bau der „Ceiba“ durch Crowdfunding, Mäzene und Geschäftspartner, die später ihre Waren auf einem Frachtsegler transportieren lassen wollen. Menschen, die fest an dieses „zurück-zu-den-Wurzeln“-Projekt mit Zukunft glauben.

Frachtsegler Ceiba – Technische Daten

  • Länge über alles (Lüa): 46 m
  • Länge an Deck: 38 m
  • Länge Wasserlinie (LWL): 32 m
  • Höhe des Riggs: 33,5 m
  • Breite: 8 m
  • Tiefgang: 4,3 m
  • Ladungskapazität: 250 Tonnen / 350 Kubikmeter / 9 TEU (entspricht 9 20-Fuß-Containern)
  • Besatzung: 12 Crewmitglieder + 12 Gastcrew
  • Mechanischer Antrieb: 100 % elektrischer Motor, Lithium-Ionen-Batterien
  • Besegelung: Standardsatz 14 Segel / 12 zusätzliche handgenähte Leichtwindsegel (Stagsegel)
  • Segelfläche: 580 qm
  • Laufende Takelage: Klassische 3-lagige Leine
  • Primäres stehendes Rigg/Gut: Verzinktes Stahlseil
  • Sekundäres stehendes Rigg/Gut: Dyneema / Spectra

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