Verschiedenes7 min Lesezeit
Lug und Trug in der Seefahrt – Teil 2
Es wurde gelogen, bis sich die Planken bogen. Doch nicht alle kamen damit "durch".
Unvollständiger aber ehrlicher Einblick in die Welt der Schwindler und Lügner auf See. Damals und heute – erstellt nach bestem Wissen und Gewissen. Der "modernere" Teil 2 zum Thema Lug und Betrug in der Seefahrt.
Von Michael Kunst, veröffentlicht am 15.12.2023
Das erwartet Sie in diesem Artikel
- Wie auf wundersame Weise in simplen Steinen Gold gefunden wurde
- Warum ein geachteter Entdecker noch mehr wollte und den Nordpol ins Visier nahm
- Die tragische "Weltumseglung" des Donald Crowhurst
- Warum Yvan Bourgnon die Nordwestpassage eben nicht alleine und ohne fremde Hilfe durchsegelte.
Artikel vorlesen lassen
Weite Horizonte: Blauwasseryachten im aktuellen Angebot
Alle Inserate in der Übersicht
Es muss als nahezu selbstverständlich betrachtet werden, dass es in den Jahren nach Kolumbus weiterhin jede Menge Blender, Schwindler und Lügner unter den Seefahrern gab.
Besonders dreist trieb es der Engländer Martin Frobisher. Er segelte für die britische Krone in die nördlichen Bereiche der Neuen Welt und wollte bei seiner ersten Expedition im Jahre 1576 eine Nordwest-Passage vom Atlantik in den Pazifik suchen, finden und befahren.
Daraus wurde wegen dichtem Treibeis und riesigen Eisbergen nichts. Frobisher und seine Crew landeten in einer großen Bucht im Meeresarm der Labradorsee. Der Expeditionsleiter glaubte allerdings, dass er sich vor der Küste Grönlands befand.
Gold oder Stein?
Und jetzt? Der Königshof würde angesichts der teuren und nun vergeblichen Reisekosten „not amused“ sein. Also musste ein anderer Anreiz für die nächste Expedition geschaffen werden: Gold.
Frobisher sammelte reichlich von den schwarzen Klumpen ein, die an den Küsten der Bucht herumlagen. Und pries dieselben, zurückgekehrt in London, als goldhaltiges Gestein. Man glaubte ihm gerne und finanzierte bereitwillig eine weitere Expedition. Offiziell erneut für die Suche nach der Nordwest-Passage. Insgeheim jedoch für die Beschaffung weiteren schwarzen Gesteins mit den wertvollen Adern.
Um es kurz zu machen: Das Gestein, das Frobisher von dieser zweiten Reise tonnenweise ins britische Königreich brachte, war völlig wertlos. Doch das konnte man natürlich dem Hof nicht unter die Nase reiben.
Und so kam es, dass den schwarzen Brocken bei der Prüfung durch die vom Königshaus bestellten Geologen auf wundersame Weise Gold beigefügt wurde. Ob auf Geheiß Frobishers oder aus politischen Gründen – die englische Seemacht hatte schließlich in der Neuen Welt „ein Gesicht zu verlieren“ – sei dahingestellt.
Tatsächlich erhielt Frobisher den Auftrag für eine dritte Expeditionsfahrt, die jedoch in vielerlei Hinsicht scheiterte. Als er schließlich nach London zurück kehrte, hatte man in der Zwischenzeit die restlichen 199 Tonnen seiner zweiten Expedition eingehend untersucht. Und darin alles andere als Gold gefunden. Zwar wurde Frobisher kein Betrugsversuch unterstellt, doch seine Zeit als Entdecker war vorbei.
Finanziell ruiniert nahm er mehrere Kapitänsposten auf britischen Kriegsschiffen an. Zuletzt kämpfte er als Admiral der Königin gegen die Spanier und wurde in einem Gefecht vor dem bretonischen Crozon schwer verwundet. Er verstarb zwei Wochen später und wurde auf Geheiß der Königin mit allen Ehren beigesetzt. Vom plötzlich verschwundenen Gold in den schwarzen Klumpen war längst keine Rede mehr.
Auf dem Weg zum Olymp der Entdecker
Zeitsprung um weitere Jahrhunderte. Wir schreiben das Jahr 1903: Der deutschstämmige Frederick Cook ist in der immer noch blühenden Entdeckerszene der neue, aufsteigende Star. Der US-amerikanische Mediziner hat sich bei zwei erfolgreichen Expeditionen in Grönland und der Antarktis einen hervorragenden Ruf erworben und will nun seiner Karriere mit einer eigenen Expedition die sprichwörtliche Krone aufsetzen. Gemeinsam mit einer Seilschaft bestieg er als erster Mensch den Denali alias Mount MacKinley, also den höchsten Berg Nordamerikas in Alaska.
Das Märchen vom Marsch zum Nordpol
Wie damals bereits üblich, wurde die Tat mit dem Hissen einer Flagge auf dem Gipfel fotografisch festgehalten. Was man nicht bedacht hatte: Der vermeintliche Gipfel auf dem Foto war schneefrei – auf der Spitze des Denali lag jedoch meterdick das Eis. Cook war schnell eines Betrugs überführt, den er jedoch noch als Fehler bei der Navigation abtun konnte.
Um sein angeschlagenes Image wieder zu polieren, unternahm er wenige Jahre später gemeinsam mit zwei Inuit eine Reise zum Nordpol, den er angeblich am 21. April 1908 erreicht haben wollte.
Zurück auf dem Festland wurde die Pol-Premiere zunächst anerkannt und gebührend gefeiert, doch bald schon kamen Zweifel auf. Die angeblich transportierten Lebensmittel hätten niemals für den langen Marsch zum Pol ausgereicht. Und als dann auch noch einer der beiden Inuit-Begleiter aussagte, er sei von Cook überredet worden, das Erreichen des Nordpols zu bezeugen, war es vorbei mit Cooks Karriere unter den Entdeckern.
Einige Jahre später musste er wegen Betrugs im Zusammenhang mit Petroleum-Aktien für fünf Jahre ins Gefängnis. Er starb 1940, von der Öffentlichkeit vergessen, in New Rochelle/New York.
Im Atlantik auf die anderen Weltumsegler gewartet
In der Mitte des selben Jahrhunderts läutete Donald Crowhurst die Ära des großen Schwindels und Betrugs im modernen Segelsport ein. Der Brite startete am 31. Oktober 1968 zum Golden Globe Race, der ersten Einhand-Nonstop Weltumseglungsregatta, auf einem eher schlecht ausgerüsteten Trimaran. Der hoch verschuldete, alles andere als erfahrene Sonntagssegler will die ausgelobten 5.000 Pfund Siegprämie für die schnellste Weltumseglung sozusagen im Handstreich ergattern – mit Betrug! In Zeiten, als es noch keine GPS-Ortungsmöglichkeit für Langstrecken-Regatta-Teilnehmer gab, „versteckte“ er sich in den Weiten des südlichen Atlantiks, meldete sich nicht mehr über Funk und gab so vor, wie seine Konkurrenten durch den Indischen, den Southern Ocean und den Pazifik zu segeln (lesen Sie auch: (K)ein Ausweg).
Zwischendurch machte er einen Pit-Stop in einer südamerikanischen Flußmündung, reparierte seinen beschädigten Trimaran notdürftig, erholte sich an Land und wartete auf die bald vorbei segelnden Konkurrenz, nachdem diese das berüchtigte Kap Hoorn passiert hatten.
Als er schließlich wieder von sich hören ließ und Richtung Heimat respektive Ziel segelte , überwältigte den psychisch labilen Mann offenbar „das schlechte Gewissen“: Er nahm sich auf See das Leben (die tragische Geschichte rund um Donald Crowhurst haben wir ausführlich hier beschrieben).
Lügen in modernen Zeiten
Brechen in modernen Zeiten mit GPS-Tracker-Verfolgung, Satelliten-Ortung (und -Überwachung) nun schwere Zeiten für potentielle Betrüger, Schwindler und Lügner an? Darauf kann mit einem ehrlichen „nnjaein“ geantwortet werden. Denn tatsächlich können mit neuartigen Messmethoden nahezu jeder Rekordversuch, jede Entdeckung in noch so entlegenen Gebieten der Erde und der Ozeane überprüft werden. Auch die Manipulation an bordeigenen, elektronischen Instrumenten kann in nahezu allen Fällen nachgewiesen werden. Und dennoch wird weiter Seemannsgarn gesponnen, geschwindelt, gelogen und betrogen.
Fast schon anekdotisch war hingegen der Betrugsversuch des Bauunternehmers Bernt Lüchtenborg. Der startete im Sommer 2009 mit einem für die damaligen Verhältnisse erheblichen „Tam-Tam“, einer korrekten Sponsoren-Unterstützung und einem gut ausgerüsteten Boot (offenbar finanziert von seiner Frau) zu einem Törn, der ihn Einhand und nonstop um die Welt führen sollte.
Zu einsam, die Einhandsegelei
Doch Lüchtenborg hielt die Einsamkeit des Einhandseglers nur wenige Tage aus und nahm seine Geliebte mit an Bord. Zudem legte er heimlich weitere Stopps ein, die jedoch nicht unbemerkt bleiben. Und als sich schließlich seine Geliebte, offenbar nach Streitereien, an die Öffentlichkeit wandte und das deutsche Skandalblatt Bild Zeitung diese neue Form des „Einhand“-Segelns veröffentlichte, gab Lüchtenborg seine Lügen zu. Mit Folgen: Noch Jahre später wurde er von seinem Sponsor verklagt und zu einer Geldstrafe verurteilt. Vor allem die deutsche Fahrtenszene hatte ihr Skandälchen – und war durchaus geteilter Meinung, ob es sich hier um einen Betrugsversuch oder um eine verzeihbare Gentleman-Schwindelei handelt.
Alleine um die Welt im Strandkat. Alleine?
Da waren die Lügen und Betrugsversuche des in der internationalen Offshore-Szene durchaus bekannten (und geschätzten) Schweizer Einhand-Seglers Yvan Bourgnon schon dreister.
Der bis dato erfolgreiche Regattasegler, der jedoch immer im Schatten seines deutlich erfolgreicheren Bruders Laurent stand, wollte sich einen Namen als Abenteurer machen. Als selbst ernannter Spezialist fürs Segeln auf offenen Strandkatamaranen segelte er solo, mit Dutzenden Zwischenstopps, auf einem nur leicht umgebauten Strandkat um die Welt. So die offizielle Version.
Tatsächlich segelte Bourgnon von 2013 bis 2015 auf seinem Kat um die Welt. Doch begleitete ihn über die gesamte Strecke hinweg ein Fahrtenboot mit Kamera-Teams und Betreuern an Bord. Auf diesem Segelboot ruhte sich Bourgnon regelmäßig aus oder wetterte Stürme in Sicherheit ab. So gab es nie Probleme mit der Verpflegung, dem gefürchteten Schlafmangel und alle technischen Schwierigkeiten konnten vor Ort gelöst werden.
In seinen Abenteuer-Berichten war von dem Begleitboot jedoch keine Rede. Nur auf einer Etappe schien Bourgnon tatsächlich alleine gewesen zu sein. Damals lief der Schweizer auf einen Felsen auf und sein Boot sank.
Segler, Abenteurer, Betrüger
Bei seinem nächsten großen Abenteuer, der Durchquerung der Nordwest-Passage von Westen nach Osten (2017), wieder in einem Strandkat, trieb es Bourgnon mit Lügen und Betrug auf die Spitze. Noch während seines Törns machten in der Langfahrtszene Gerüchte die Runde, dass sich der Segler auf seinem Kat von anderen Booten schleppen ließ, er wochenlang auf (geheizten) Fahrtenbooten wohnte und in Hotels übernachtete, sobald welche erreichbar waren. 2022 wurden seine Unwahrheiten offiziell bekannt – ein Dokumentarfilmer, mit dem Bourgnon zusammenarbeitete, verklagte ihn wegen Betrugs und bekam Recht.