Motoren und Technik8 min Lesezeit

Ein- oder Zweimaster?

Ein Blick auf Vor- und Nachteile beider Takelagen

Ein- oder Zweimaster?
Fast schon ein Schoner: Die 2011 aufgetakelte Ketsch «Hetairos» mit riesigem Besanmast © Baltic Yachts

Die Häfen und der Gebrauchtbootmarkt sind voller ein- und zweimastiger Segelyachten. Bereits kleine oder gerade mal mittelgroße Segelboote sind mit zwei Masten zu haben. Heutzutage werden allerdings fast ausschließlich Einmaster gebaut. Warum ist das so?

Von Erdmann Braschos, veröffentlicht am 24.03.2015, aktualisiert am 23.01.2023

Das erwartet Sie in diesem Artikel
  • was für den Zweimaster spricht
  • wie sich Ketsch und Yawl unterscheiden
  • warum der Schoner so praktisch ist
  • Einfluss der Cruising Club of America (CCA) Vermessung
  • warum die Whitbread-Round-the-World Regatten mal mit Zweimastern gesegelt wurden
  • warum sich der Einmaster durchgesetzt hat
  • moderne Megayachttakelagen
  • Einzelheiten zu Hochleistungs-Ketschen wie »Maria Cha III» und »Hetairos»

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Die zweimastige Takelage stammt aus einer Zeit, als die Höhe der Takelage aus technischen Gründen limitiert war und die Segelfläche auf zahlreiche handliche Flächen unterteilt werden musste. Als es noch keine leichten wie zuverlässigen Karbonmasten mit dem halben Röhrengewicht üblicher Masten gab, wurde das Topgewicht mit kurzen Masten gering gehalten. Auch konnte man früher nicht so lange Masten bauen. Der Verstagung war nicht so sicher, wie es heute mit moderner Takeltechnik, bestehend aus bewährtem Edelstahl für die Wanten (1:19, Dyform Draht, Rod) oder ultraleichten Faserkabeln möglich ist. Bei Sturm und Seegang ist der lange Mast mit seinem Gewicht und Windwiderstand nachteilig.

Handhabbare Flächen waren das Limit

Früher wurde das Vorsegel mit Stagreitern am Vorstag gesetzt. Die heute übliche, von keinem modernen Boot mehr wegzudenkende Vorsegel Rollanlage setzte sich erst in den Achtzigerjahren durch. Die Segel waren aus unhandlichem Flachs oder Baumwolle. Dichtgeholt wurde bis Anfang des 20. Jahrhunderts mit Flaschenzügen. Es war mühsam, ein Großsegel zu reffen. Das moderne Schnellreff, welches das umständliche Bindereff ablöste, setzte sich erst in den Siebzigerjahren durch. Bis dahin wurde das Segel entweder um den Großbaum gewickelt oder umständlich an den Großbaum gebunden. Die Großsegelrollanlage, die das Tuch um eine Rollstange im Mast aufwickelt, wurde ebenso wie der in den Neunzigerjahren eingeführte und rasch perfektionierte Rollbaum später erfunden.

Auch hielt das Tauwerk der Zugbeanspruchung großer Flächen kaum stand. Heute sind dehnungsarme Fallen und Schoten selbstverständlich. Sie halten wie Stahldraht und man kann sie anfassen. Der Segler hatte also lange gar eine andere Wahl, als die Segelfläche auf viele handlich kleine Tücher zu verteilen. Die Lösung war der Zweimaster. Er hatte vor dem Mast mehrere Vor- und Kutterstagen. Das brachte nicht so viel Vortrieb wie das heute übliche einzige große Vorsegel. Aber bei auffrischendem Wind ließ sich ein Segel nach dem andern wegnehmen. Das Boot lief beim Bergen des einzelnen Segels unbeirrt weiter.

In den Siebzigerjahren wurde die Winsch zum einhändig bedienbaren Schotautomaten, der selbst holenden Winsch weiterentwickelt. Die Idee stammt übrigens vom Segeltalent und Bootsbauer Rudi Magg aus Kressbronn am Bodensee. Auch dies erleichterte die Handhabung großer Flächen beim Setzen, Dichtholen und Reffen. Es ist verblüffend einfach, mit einem modernen Bindereff, selbst holenden Fall- und Reffwinschen und etwas Übung das Großsegel zu verkleinern. Ein Reff ist am Wind bei konstant stehender Fock oder Sturmfock in wenigen Minuten erledigt.

«Joshua» 1968 mit Bindereff im Besan irgendwo im Südmeer
«Joshua» 1968 mit Bindereff im Besan irgendwo im Südmeer © Archiv Bernard Moitessier

Hinzu kommt, dass beim Zweimaster bei stürmischen Bedingungen und üblem Seegang der Segelschwerpunkt niedrig ist. Bei geborgenem Groß muss mit Sturmklüver oder Sturmfock und einem kleinen Tuch am Besanmast (komplett oder gerefft) niemand mehr aufs Vordeck oder zum Mast. Mit dieser Besegelung läuft das Boot gut austariert. Legt der Wind zu, wird der Besan auf dem sicheren Achterdeck geborgen. Bernard Moitessier umsegelte 1968/69 mit seiner Ketsch «Joshua» die Erde 1 ½ mal im Lauf von zehn Monaten mit dieser Takelage einhand.

Die verschiedenen Zweimaster-Varianten

Die meistverbreitete ist die Ketsch und Yawl Takelage. Bei beiden ist der hintere Mast deutlich kürzer als der Großmast. Sie unterscheiden sich in einem zunächst unscheinbaren Detail. Bei der Ketsch steht der Besanmast weiter vorn als bei der Yawl, und zwar vor der Ruderwelle. Auch ist der Besanmast bei der Ketsch größer als bei der Yawl. Da der Besan bei der klassischen Ketsch dicht hinter dem Ende des Großbaums steht, lohnt sich der Besan beim am Wind-Kurs infolge der Turbulenzen vom Großsegel kaum. Deshalb ist die Ketsch am Wind oft mit geborgenem Besan unterwegs. Bei der Yawl ist der Abstand größer, weshalb sie eher mit Besan gesegelt wird. Und bei der Yawl lohnt sich das Besanstagsegel eher, welches Raumschots zusätzliche Segelfläche bringt. Bei den modernen Ketschen mit entsprechend weit achtern stehendem Besan ist das deutlich besser.

Die Vorteile der Yawl-Takelage

Die Yawl wurde dank der Vermessung des Cruising Club of America beliebt. Die CCA Rule bot mit der unvermessenen Segelfläche achtern ein von Hochsee-Regattaseglern gern genutztes Schlupfloch. Erfolgreiche Boote wie die Sparkman & Stephens Konstruktion „Finisterre“ prägte ganze Segler-Generationen.

Ein weiterer Vorteil des weit achtern stehenden Besans ist, dass er das Boot ruhiger am Ankerplatz liegen lässt. Ähnlich wie ein Flugzeug vom Leitwerk wird die ankernde Yawl vom Besan stabilisiert. Bei vielen Fahrtenyachten sind das Radar und Satcom-Kuppeln am Besanmast montiert, wo sie unterwegs am wenigsten stören.

Der Schoner

Nun gibt es noch eine dritte Takelvariante, den Schoner. Hier ist der hintere Mast gleich lang oder länger als der vordere. Am hinteren Großmast wird auch das größere Tuch gesetzt. Der vordere Mast heißt Fockmast. Er trägt das sogenannte Schonersegel und davor zahlreiche handlich kleine Vorsegel. Der Clou des Schoners ist, dass er beeindruckend vielseitig ist. Er wurde früher von kleiner Crew mit handlichen Vorsegeln und dem Schonersegel bewegt. So fuhr er im Standby-Betrieb bei Wartezeiten auf See im Lotsendienst und wetterte stürmische Bedingungen ab. Mit ausreichender Besatzung wurde bei passendem Wind das hintere Großsegel als eine Art Turbo gesetzt. Hinzu kamen beim Gaffelschoner die Toppsegel und das spezielle Fisherman-Segel für leichten bis mittleren Wind. Bei den gaffelgetakelten Arbeitsschonern wurden für das stürmische Winterhalbjahr oben am Masttop angebrachte Verlängerungen, die sogenannten Stengen für das Topsegel abgenommen.
So war der Schoner lange der leistungsfähigste Bootstyp der Segelgeschichte. Zunächst als Kaper- und Schmuggelschiff, Lotsenversetzer und als Frachter verderblicher Güter bewährt, setzte er sich im 19. Jahrhundert als universell eingesetztes Fischerboot in den Staaten durch. 1851 gewann dieser Bootstyp namens „America“ eine Regatta namens „Hundred Guinea Cup“ anlässlich der Londoner Weltausstellung. Das Schiff gewann den Kurs gegen den Uhrzeigersinn um die Isle of Wight mit einem deklassierenden Vorsprung. Aus dieser Regatta wurde die prestigeträchtigste Trophäe der Segelgeschichte, der bis heute ausgesegelte America’s Cup.

Der beeindruckend vielseitige Schoner

Berühmt wurde der Schoner auch als Fischerboot für die Neufundlandbank. Wer im 19. Jahrhundert auf dem Kontinent der unbegrenzten Möglichkeiten zu etwas kommen wollte, heuerte auf einem Grand Banks Schoner zum Fischen auf der Neufundlandbank an. Mit vollen Laderäumen pflügte der Schoner von den ertragreichen Fanggründen der Neufundlandbank gegen den üblichen Südwestwind zur amerikanischen Ostküste.

Je schneller die Rückreise, desto frischer der Fisch, größer der Ertrag und umso eher ließ sich die Fangsaison für den nächsten Beutezug nutzen. Als sich Dampfmaschine, Otto- oder Dieselmotor auch auf See durchsetzen und die Ära der Segelschifffahrt ausklang, wurde der Schoner zur Hochsee-Rennmaschine und Renommierschlitten der Regattabahnen.

Der Schoner als Rennyacht

Die großen Atlantik-Regatten wurden in Sweepstake Manier, einer Art ozeanischem Pferdetoto, im Kaminzimmer verabredet. Ein Eigner lud seine Rivalen mit einem selbstbewussten Preisgeld zum Einstieg in die Wette um die schnellste Ozeanpassage ein. Bezahlte Crews im Format zweier Fußballmannschaften badeten die Sache dann zwischen New York und Lizard Point mit Rennschonern aus.

Warum die Frage beim Hochsee-Regattasegeln entschieden ist

So pflügte «Atlantic» 1905 in der Rekordzeit von 12 Tagen und vier Stunden von den Staaten nach England. Der Rekord wurde erst 1998 von der 45 m Ketsch «Mari Cha III» gebrochen. Wenig später surft dieses mit bis zu 32 Knoten Spitze von Sydney nach Hobart. Regatten und Langstreckenrekorde sind ohne Motorwinschen zu segeln. So führten die größten, damals serienmäßig gebauten Winschen zur Ketschtakelage.

Die Ketsch bei Hochsee-Regatten

Die Whitbread-Round-the-World Regatten 1989/90 und 93/4 wurden aus einem anderen Grund mit Ketsch getakelten 25 m Rennern gesegelt. Hier ließ sich relativ sicher die maximale Segelfläche unterbringen. Hinzu kam das große Besanstagsegel auf raumen Kursen am hohen Besanmast. Der Besan stand mit viel Abstand zum Großsegel auf dem Achterdeck. Die Schiffe hießen «The Card», «Fisher & Paykel», «Steinlager II», «La Poste» und «Merit Cup».

Das Hochseeregatta-Kapitel mit Zweimastern endete mit kürzeren und gleitfähigen Booten wie beispielsweise den Volvo Ocean 60 Füßern. Gleitfähige Verdränger werden gerade von einmastigen Foilern der Imoca 60 abgelöst. Die brettern bereits bei fünf Windstärken vor Alicante mit 33 Knoten los. Die Frage Ein- oder Zweimaster ist beim Regattasegeln also vorerst entschieden.

Einmaster sind praktisch

Dank Alu- und Karbonmasten, selbstholenden Winschen, Rollanlagen und modernem Tauwerk werden moderne Segelyachten bis zu einer gewissen Größe heute durchweg mit einem Mast aufgetakelt. Es macht weniger Arbeit das Groß zu setzen und das Vorsegel auszurollen, als zusätzlich noch den Besan zu setzen.

«M5» ex. «Mirabella V» mit knapp 90 m Mast in der Ägäis
«M5» ex. «Mirabella V» mit knapp 90 m Mast in der Ägäis © Wolfii CC BY-SA 4.0

Die Takelage sehr großer Yachten

Anders sieht es bei den Megayachten jenseits 30 Metern Bootslänge. Beim Relaunch J-Class Ende der Achtzigerjahre galten 50 Meter Masten als Wagnis. Heute sind solche Mastlängen bei großen einmastigen Seglern beinahe üblich. 2004 wurde die 75 m lange «Mirabella V» mit einem 90 Meter Mast aufgetakelt. Das hat den Nachteil, dass die Südsee um das gefährliche Kap Hoorn oder das Kap der Guten Hoffnung herum angesteuert werden muss. Die kurze und sichere Passage des Panamakanals ist nicht möglich. Die Bridge of the Americas von Balboa hat bei Niedrigwasser eine Durchfahrtshöhe von 62,5 m.

Der zweite Nachteil derart hoher Masten mit entsprechenden Groß- und Vorsegelflächen ist, dass die Schiffe sehr vorausschauend gesegelt werden müssen. Reffen ist aufwändig und dauert.
Es ist ein Unterschied, ob 1.600 qm Großsegel bei der 75 m langen «Mirabella V» reduziert werden oder 600 qm bei «Hetairos» einzupacken sind. Deshalb hat die 2011 aufgetakelte Ketsch «Hetairos» einen weit achtern stehenden Besan, der fast so hoch wie der Großmast ist. Diese Ketsch ist beinahe ein Schoner. Sie ist lang, leicht und segelt beeindruckend.

Abschließend bleibt die Frage, welche Takelage einem am besten gefällt. So anachronistisch ein klassischer Gaffelschoner wie «Orion» ist. Er kommt aus einer anderen Welt und man begibt sich in eine andere Welt. Und darum geht es beim Segeln doch. Die Frage, ob der Ein- oder Zweimaster besser gefällt, lässt sich auch anhand der legendären Swan 65 gut vergleichen. Dieser 1973-89 Klassiker der Kunststoff-Yachten wurde 41 Mal, meist als Ketsch gebaut. Es gibt ihn auch als Slup.

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VG