Boot und Auto5 min Lesezeit
Vergiss den Porsche
Wie das Leben mit Booten auf die richtige Spur kommt
Das Foto wirkt zugegeben wie eine Neunziger Jahre Sparkassen Reklame für Best Ager. Es geht aber um eine wahre Geschichte aus dem echten Porsche-, Drachen- und Seglerleben mit erschwinglichen 6,5 m No-Name Langkielern.
Von Erdmann Braschos, veröffentlicht am 01.05.2024, aktualisiert am 30.09.2024
Das erwartet Sie in diesem Artikel
- Der besondere Reiz klassischer Kielboote.
- Warum Boote haben, was der 911er nicht hat.
- Was es mit den „Pflöcken“ im Wasser auf sich hat.
- Glück mit kleinen Klassikern.
- Die Sache mit den Perserbrücken.
- Tiefere Einsichten in das Mann-Frau-Ding.
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Vor einer Weile lernte ich einen bayerischen Metallbauer kennen, der sich via Internet von meiner Begeisterung für schlanke Boote skandinavischer Herkunft, speziell Schärenkreuzer und deren Tourenvarianten, inspirieren ließ. Er hatte eine fertige International 10.06 des Konstrukteurs Arne Borghegn in Holland gekauft. Ein sportlich-schlankes Boot und praktisch unbekannter Exot. 40 Exemplare der International 10.06 entstanden in der dänischen O.L. Værft Ringsted A/S ab Mitte der Siebzigerjahre. Schon mal von gehört? Nein? Macht nichts. Ich bislang auch nicht.
Er hatte es nach Augsburg gebracht und in ein sehenswertes Schmuckstück verwandelt. Der Eigner schien ein bodenständiger Typ aus der Abteilung stille Macher zu sein. So hatte er sich nach geschaffenen Tatsachen gemeldet und tolle Bilder geschickt. Die schaute ich mir mit leuchtenden Augen lange an.
Mit dem Daysailer verwirklichte Thomas Pfiffner einen langgehegten Traum. Denn Pfiffner war am Ammersee zur Schule gegangen, wo sein Vater verlangte, dass er zusätzlich zum täglichen Büffelpensum in der Freizeit eine handwerkliche Ausbildung macht. „So stand ich an der Werkbank, während die anderen nachmittags segeln gingen“, erinnert Pfiffner. An diesem herrlichen See nachmittags im segelbaren Sommerhalbjahr nicht auftakeln und ablegen dürfen, das muss schwer gewesen sein. Auch danach, in seinem Arbeitsleben als selbstständiger Metallbauer, hatte Pfiffner kaum Zeit. Nach entbehrungsreichen Jahrzehnten kam dann endlich Gelegenheit für ein eigenes Boot. Die Geschichte seines Seglerglücks auf dem Lago Maggiore ist in diesem Artikel ausführlicher erzählt.
Seitdem telefonieren wir gelegentlich, informieren einander über den aktuellen Wasserstand nebst laufenden Projekten und kommen rasch zum Thema Nr. 1. Denn natürlich blieb es nicht bei seinem ersten Boot. Es folgte «Fønix» aus Dänemark und neulich noch ein Drittes. Anscheinend muss der Pfiffner nach den entbehrungsreichen Jahrzehnten etwas nachholen.
Lacustre oder Pflock?
Er fragte mich vorher, ob er das machen solle. Ich riet ihm ab, irgendein unbekanntes kleines Holzboot aus Dänemark zu holen und empfahl ihm stattdessen einen Schärenkreuzer oder Drachen, mit dem man Regatten segeln kann, obwohl der Drachen bei sehr leichtem Wind nicht so gut läuft. Die Schweizer Binnensee-Spezialisten und Leichtwind-Zupfer nennen ihn deshalb schon mal herablassend „Pflock“, was ins Hochdeutsche übersetzt Pfahl heißt. Pfähle sind, wie jeder weiß, nicht so beweglich.
Tja, so grausam können Segler nach dem zweiten Bier sein, wenn Sie ein anderes, etwas schnelleres Boot wie einen Lacustre eidgenössischer Herkunft segeln. Ich erklärte Pfiffner, es müsse nicht gleich ein neuer beispielsweise von Børresen oder Pettricrows im Wert eines 911er-Porsche sein. Drachen gibts auch bezahlbar für kleineres Geld. Er wird schließlich seit 1929, also schon eine Weile, gebaut. Da taucht bestimmt ein gescheiter im Weltmeer des Internets auf, vielleicht auch eine messerscharfe 15er oder 22er Schäre. Das wäre doch etwas Feines.
Es gibt auf dem Wasser nichts Schöneres, als ein klassisches Kielboot
Meine Begeisterung für den wunderschönen Drachen stammt aus der Zeit, als ich gelegentlich auf der Alster und zur Travemünder Woche auf der Lübecker Bucht als Vorschoter segelte. Mein Ausflug in die Szene der Herrensegler war aus verschiedenen Gründen zwar nur kurz, aber prägend. Außer 5,5ern, Meterklassen, Schärenkreuzern und natürlich Lacustres gibt es in meinen Augen auf dem Wasser nichts Schöneres, als ein klassisches Kielboot wie den Drachen. Der Löffelbug, die elegante spritzkappenartige „Kajüte“ mit dem kleinen Süllrand dahinter, die unmerklich geschwungene Deckskante - ach! Ich war hin.
Die Drachenregatten waren für mich damals auch deshalb eine Herausforderung, weil all die herrlich antiquierten Boote so schön sind, dass ich mir eher die anderen Regattateilnehmer auf dem Wasser anschaute, statt mich auf den Genua- oder Spinnakertrimm zu konzentrieren. Vor allem der Überhang achtern und wie der norwegische Konstrukteur Johan Anker vor gut hundert Jahren den Spiegel als schlichtes Brett einfügte, das konnte ich mir lange ansehen. Fast schon ein wenig langweilig, wie gelungenes skandinavisches Design eben auf subtile Weise überzeugt. So gab es bisweilen vom Eigner hinter dem Traveller einen gepflegten Anschiss.
Warum ich das alles erzähle, obwohl Pfiffner sich nicht für einen Drachen, sondern einen praktisch unbekannten Exoten und dann noch die Zweite, etwas pummelig geratene „Deern“ entschied? Nun, weil im Hintergrund des Best Ager Fotos ein 911er steht. Der Porsche stammt von 1985, als Pfiffners Vater mal mit einem 911er Carrera mit 3,2 l Sechszylinder Boxermotor, luftgekühlt - wie Pfiffner betont - über die Stränge schlug. Das Manöver soll mit gnädiger und auch zögernder Duldung seiner Mutter erfolgt sein, erinnert er.
Pfiffner bekam ihn später zur Fahrt in die Flitterwochen geliehen. Er hatte damals geliefert. Handwerkliche Ausbildung parallel zum Schulbesuch statt nachmittags segeln, was Gescheites gelernt und danach in die Hände gespuckt. So war irgendwann später mal der Vater dran, musste liefern. Er hat den Porsche herausgerückt und komplett zurückbekommen damals. Das ist schon ein wenig her.
Dieser 911er blieb natürlich in der Familie. Heute beschäftigt sich der Metallbauer gemeinsam mit einem Kollegen nebenher ein wenig mit Sportwagen. Betrüblicherweise, so berichtet Pfiffner, ist der Porsche-Kiez nicht mehr wie früher. „Früher kamen Leute, die sich für ihr Auto lang machten, Liebhaber, denen ich gerne geholfen habe. Heute kommen eher Geldanleger, die für ein bestimmtes „Objekt“ ein Gutachten wollen.“ Segler, meint er, wären meistens bodenständiger.
Das ständige Mann-Frau-Dings
So interessiert er sich jetzt eher für Boote, knuffig kurze Langkieler . Auch wenn sie nicht ganz so sexy wie ein Drachen, Lacustre oder Schärenkreuzer sind. Aber das kann noch werden. Pfiffner hat Platz in der Halle. Bezahl- und trailerbar müssen Sie sein, mit wenig Tiefgang passend zum flachen Ufer des Ammersee. Deshalb liegen bei ihm die Perserbrücken vorn, zwischen den Booten, statt hinten beim Porsche.
Nun kenne ich mich als Fahrrad- und Golffahrer mit Porsches nicht so aus, habe aber gehört, dass sie sich als Zubehör des ständigen Mann-Frau-Dings hervorragend eignen. Leider nutzt sich diese Funktion beim Porsche so flott ab, wie ein Satz Reifen beim üblichen Fahrstil.
Unklar ist, was man mit so einem 911er auf Dauer eigentlich macht: Schnell fahren, Kurven grenzwertig nehmen? Zum Lago brettern, ganz vorn oder vielleicht auch abseits parken, was essen? Beim Kaffee aufs Wasser blinzeln und dann von einem Boot träumen? Davon, mit einer kleinen dicken Deern auf dem See herumzutrödeln? Vergiss den Porsche!
Die Boote
«Fønix»
Dänischer 15 qm Kutter
Slaaby Larson Konstruktion Typ Lillebror, etwa 12 x in Dänemark gebaut
Baujahr 1949
Restaurierung Lillebæltværftet Middelfahrt 2005-8
Länge über Alles 6,40 m
Länge Wasserlinie 4,20 m
Breite 1,85 m
Tiefgang 90 cm
Ballast 330 kg
«Blow» ex «Piccolo»
Mahagoni-Neubau nach alten Linien in traditioneller Bauweise 2004
Länge über alles 6,40 m
Konstruktionswasserlinie 4,90 m
Länge über Deck 6 m
Breite 1,50 m
Tiefgang 80 cm
Am Wind Besegelung 16 qm
Ballast 430 kg Blei