Kaufberatung4 min Lesezeit
Welches Motorboot für Küstengewässer?
Worauf Sie bei der Bootswahl und Ausstattung achten sollten
Der Bootsausflug im Küstengewässer stellt andere Anforderungen an ein Motorboot, als die Spritztour auf Flüssen oder Seen.
Von Erdmann Braschos, veröffentlicht am 11.02.2020, aktualisiert am 09.10.2024
Das erwartet Sie in diesem Artikel
- welche Anforderungen das Küsten- gegenüber dem Binnengewässer stellt
- welche Rumpfform und Aufkimmung sich eignet
- warum Kursstabilität wichtig ist
- Vor- und Nachteile ein- oder zweimotoriger Boote
- der Unterschied zwischen Prospekt-Angaben und dem tatsächlichen Bootsgewicht
- Sicht nach vorn vom Steuerstand
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Mit glattem Wasser zwischen schützenden Ufern kommt praktisch jeder schwimmende Untersatz zurecht. Da langt in der Regel die flachbordige Nussschale oder ein Gleiter mit flachem Bootsboden. Sollte es mal ruppig werden, ist man flott am rettenden Ufer.
Anders sieht es an der Küste aus, wo Boot und Besatzung mit Seegang fertig werden müssen, mit Schaukeln, Schlagen und langen Passagen bei ruppigen Bedingungen. Wellen machen den Ritt ungemütlich. Schnell mit flotter Fahrt ans nächste Ufer brettern geht nicht. Diese Idee kann in flachem Wasser bei Brandung sogar gefährlich sein. Bei auflandigem Wind sind Untiefen weiträumig zu umfahren. In Tidengewässern wie der Nordsee schaffen Wind- gegen Strömung-Bedingungen üble bis gefährliche Verhältnisse: steile, dicht aufeinander folgende, an den Kämmen brechende Wellen, die irgendwann nicht mehr quer zu nehmen, sondern mit langsamer Fahrt vierkant anzusteuern sind. Oft ist man weit draußen in ausreichend tiefem Wasser mit berechenbarem Seegang besser aufgehoben als im flachen. Auf dem Meer gibt es andere Gesichtspunkte.
Dazu braucht es ein seetüchtiges Boot mit ausgeprägter Aufkimmung, einen V-förmigen statt flachen Bootsboden. Das V durchschneidet Wellen besser, gleitet dafür entsprechend später oder gar nicht. Das entscheiden die Form und die Motorisierung. Je ausgeprägter das V, desto rauwassertauglicher das Boot, desto mehr PS und Sprit benötigt es aber auch.
Der vergleichsweise langsame Verdränger eignet sich für Küstengewässer eher als ein Gleiter. Bei längeren Bootsausflügen oder dem Sommer-Törn ist das Bordleben wichtiger als Fahrspaß und Geschwindigkeit. Man möchte Platz, etwas Komfort und Stauraum. Das und die Zuladung führt zu einem schweren Boot. Da entscheidet man sich lieber gleich für einen Verdränger. Seegang bremst jedes Motorboot, auch den Rauhwasser-tauglichen Gleiter, aus.
Früher waren rundspantige Rümpfe üblich. Der abgerundete statt kantige Übergang von der seitlichen Bordwand zum Bootsboden lässt den Rundspanter entsetzlich rollen. Die Schaukelei kann so weit gehen, dass empfindlichen Naturen sofort schlecht wird und bestimmte Kurse im offenen Wasser unmöglich sind. Die moderne Rumpfform stabilisiert die Schwimmlage und dämpft die unangenehme Schaukelei.
Achten Sie auch auf die Kursstabilität, die beim Verdränger durch einen Kielstummel unterstützt wird, der zugleich die Propellerwelle und Schraube bei Grundberührungen schützt. Je rauer und exponierter das Revier, desto mehr sollte sich das Design an den dortigen Arbeits-, den Fischerbooten orientieren.
Ein breites Heck bietet eine sichere Schwimmlage und beim Ankern (siehe auch: Ankern: Hält er oder hält er nicht?) in der Badebucht Platz. Denn es gibt nichts Schöneres, als am Wochenende oder zwischendurch mal spontan in die nächste Bucht zu brettern, eine Runde ums Boot zu schwimmen und die Sonne zu zweit, mit der Familie oder Freunden untergehen zu lassen. Diese Naturnähe ist das Schönste. In meinen Augen ist diese Freiheit der entscheidende Grund, ein Boot zu haben.
Achten Sie auf eine gute Entwässerung der seitlichen Decks und des Achterdecks. Sollte mal eine Woge an Bord gelangen, muss das Wasser zügig außenbords ablaufen. Dann können die Speigatten und Drainagen rings um die Poller nicht groß genug sein. Der Eingang zur Kajüte sollte sich mit einer stabilen Tür schließen lassen.
Ein Sicherheitsaspekt ist die Motorisierung. Ein zweimotoriges Boot hat für den Fall, dass eine Maschine aussetzt, noch die Zweite. Nachteile des zweimotorigen Antriebs sind größere Kosten beim Kauf, bei der Wartung und auch der höhere Spritverbrauch. In vielen Häfen sind Boote mit Außenborder zu sehen, die noch einen kleineren Hilfsquirl am Spiegel hängen haben.
Wichtig bei der Motorisierung ist, dass sie zum tatsächlichen, nicht dem angenommenen Leergewicht des Bootes, nämlich mit Sprit, Frischwasser, Vorräten, Urlaubsgepäck und Besatzung passt. Das Boot sollte über Stunden mit der optimalen, sprich wirtschaftlichen Drehzahl, mit Reisegeschwindigkeit, mit erträglicher Geräuschkulisse und akzeptablen Vibrationen laufen. Hinweise dazu gibt es im Handbuch zur Maschine. In jedem Fall sollten Sie das Boot Probe fahren. Unverzichtbar sind gut zugängliche Filter im Seewasserzulauf für die Zweikreiskühlung, damit Algen, Sand und Seegras aussortiert werden und die Maschine lange hält. Parallel angeordnete Spritfilter, die sich auf See mit wenigen Handgriffen umschalten lassen, sind praktisch.
Planen Sie längere Strecken an der Küste, sollte das Boot ein angehobenes Vorschiff und einen geschützten Steuerstand haben. Damit lässt sich ein Unwetter mit Böen und Gischt mit langsamer Fahrt gegen an kommod aushalten. Wichtiger als eine windschnittig-coole Verglasung ist die ungehinderte Sicht in Fahrtrichtung. Das ist sicherer und auch für Ihre Begleitung angenehm. Nur wer im Seegang sieht, wo die Reise hingeht, den Horizont im Auge behält und im Sturm die Wogen sieht, fühlt sich sicher und bleibt länger von der Seekrankheit verschont.
Achten Sie auch auf ein zum Bootsgewicht und der großen Windangriffsfläche hochbordiger Motorboote passendes, im Zweifel eher eine Nummer größeres Ankergeschirr mit wenigstens einigen Metern Kettenvorlauf. Damit bleiben Sie bei einem technischen Problem oder stürmischen Bedingungen ziemlich sicher an Ort und Stelle. Auch ist es beim Übernachten in der Traumbucht ein gutes Gefühl, nicht am falschen Ende gespart zu haben. Wenige Kilos mehr entscheiden darüber, ob der Anker hält (siehe auch: Wer aufsteht, macht das Licht aus).