Anmelden

Praxis7 min Lesezeit

Flaggenbräuche

Bedeutung und Handhabung der verschiedenen Flaggen an Bord

Flaggenbräuche
Die Nationale sollte zum Boot passen und höchstens 1/12 der Bootslänge in Metern haben. © Swedesail

So vielfältig und phantasievoll wie die Bootswelt ist auch die Handhabung der Flaggen. Dabei gibt es dazu einfache Regeln. Wissenswertes zu speziellen wie kuriosen Bräuchen.

Von Erdmann Braschos, veröffentlicht am 03.11.2020, aktualisiert am 09.10.2024

Das erwartet Sie in diesem Artikel
  • wie groß sollten Nationale und Gastlandsflagge sein
  • wo und wann Nationale und Gastlandsflagge gesetzt werden
  • Montage und Neigung des Flaggenstocks
  • Europaflagge ja oder nein?
  • Bußgeld und Gefängnisstrafe gemäß Deutschem „Flaggenrechtsgesetz“
  • wann die Nationale gesetzt wird und wann gerade nicht
  • spezieller Kodex zu den Nationalen anderer Länder
  • wohin mit dem Clubwimpel und weiteren Flaggen?
  • was blaue, weiße, gelbe und rote Flaggen an Backbord bedeuten

Artikel vorlesen lassen

Es gibt wenige und unterschiedliche Hinweise zur Frage, wie groß die Nationale sein sollte. Wann und wo wird sie gesetzt? Und wann auf keinen Fall? Auch der Zweck und die Handhabung der übrigen Flaggen ist unklar. Sie können das in der „Seemannschaft“, dem beinahe seit Kaisers Zeiten erscheinenden Standardwerk der Segler nachschlagen. Auch in Joachim Schults vergriffenem „Seglerlexikon“ und in Hans Donats „Bordbuch“ gibt es Hinweise. Hier ist alles kurz und bündig zusammengefasst.

Manchmal ist die blaue Europaflagge statt der Nationalen zu sehen. Mal baumelt sie steuerbord, in der Mitte oder backbord am Heck. Sie wird in allen denkbaren Größen gesetzt, vom Topflappenformat bis zum Bettlaken. Sie weht an Flaggenstöcken aller Art, am Achterstag, am Achterliek des Großsegels oder im Top des Besanmastes. Ähnlich ist die Handhabung der Gastlandflagge oder des Clubwimpels.

1. Flaggengröße

Früher sollte die Nationale so groß sein, dass ihr Zipfel vom Flaggenstock hängend bei einem still liegenden Boot soeben das Wasser berührt. Das passt zur klassischen Yacht mit niedrigem Freibord und deutlich geneigtem Flaggenstock. Beim modernen Boot mit entsprechend hohem Freibord ergibt das eine unpassend große Flagge.

Nach einer Beobachtung hängt die Flaggengröße mit dem Alter der Bootseigner zusammen. Ältere und konservative Skipper neigen zu übergroßen Flaggen. Jüngere, sportliche Segler und alle, die mit der Nation weniger am Hut haben, setzen eher kleine Flaggen. Skandinavier, Engländer, Holländer und besonders Amerikaner, die ein anderes Verhältnis zu ihrem Land haben als Deutsche, lieben riesengroße Flaggen am Heck.

Länge der Nationalen = 1/12 der Bootslänge in m

Wie in deutschen Häfen zu beobachten, werden die Flaggen auch hierzulande neuerdings immer größer. Das sieht für meinen Geschmack seltsam aus. Orientierend in diesem Zusammenhang ist folgende Regel: Die Nationale soll ein Zwölftel der Bootslänge in Metern lang sein. Bei einem 9 m Boot ist die Nationale demnach 75 cm lang, bei einem 12 m Boot 1 m, beim 15 m Boot 1,25 m. Auch das Verhältnis von Länge zu Breite ist klar geregelt, es liegt bei 5:3. Mit diesen Proportionen sind die Fahnen beim Bootsausrüster zu kaufen.

Ist die Nationale tagsüber beim Segeln nicht gesetzt, bedeutet das, dass man gerade eine Regatta segelt. Sie empfiehlt anderen Wassersportlern, nicht auf ihrem Wegerecht zu bestehen und entsprechend auszuweichen. Es gibt viele, die das nicht wissen oder vielleicht vergessen haben. Also nicht gleich brüllen, sondern wenn’s geht freundlich darauf hinweisen.

Ansonsten wird die Nationale laut „Flaggenrechtsgesetz auf den Seeschifffahrtsstraßen, in Küstengewässern, auf See und im Ausland von allen zur Seefahrt bestimmten Schiffen geführt, deren Eigentümer Deutsche sind und die ihren Wohnsitz im Geltungsbereich des Grundgesetzes haben. Darunter fallen auch nicht registrierungspflichtige Sportboote. Bei Verstößen droht ein Bußgeld.“

Spezielle Nomenklatur in anderen Ländern

In anderen Ländern wird die Clubmitgliedschaft auch in der Nationalen mitgeteilt. Dänische Eigner setzen die Nationale mit den Initialen Y.F. an der Oberkante. Y.F. mit drei Sternen ist schon mehr, kündet von der Zugehörigkeit zum Kongelig Dansk Yachtklub. Ein Stern unter dem Y.F steht wiederum für den Randers Yachtclub. Ähnlich halten es die Finnen, wo ein Vereinsemblem in der Nationalen enthalten sein kann. Mitglieder des angesehenen Yacht Club de France führen zwei Sterne in der Trikolore. Mitglieder des Yacht Club Italiano führen die gleiche Flagge wie die italienische Marine samt Wappen auf weißem Hintergrund. Auch die Holländer lassen sich diesbezüglich mit zahlreichen Varianten und Wappen nicht lumpen.

Ähnlich halten es die Norweger als Mitglieder des KNS, der Kongelig Norsk Seilforening oder der Cruising Club der Schweiz, mit CCS-Initialen samt gelbem Anker. Spanische Yachten setzen die Nationale mit blauer Krone. Umfangreich ist der Flaggenkatalog im Vereinten Königreich mit annähernd sechzig verschiedenen Nationalen, mit weißem, hellblauem, dunkelblauem oder rotem Hintergrund. Angesichts der britischen Schifffahrtstradition überrascht die Nomenklatur nicht.

Die Zipfel-Wasser-Regel

2. der Flaggenstock

Der Flaggenstock gehört achtern mittschiffs aufs Heck. Wenn der Durchgang zur Badeplattform, die Badeleiter oder Gangway im Weg ist, wird die Nationale Steuerbord, im Notfall backbord am Heck geführt. Denn die Steuerbordseite gilt seit jeher als die bessere Seite an Bord.

Bei Gaffel getakelten Yachten, wo der Baum über das Heck ragt, würde der Flaggenstock bald abbrechen. Hier wird die Nationale nur vor Anker oder im Hafen am Heck gesetzt. Beim Segeln weht sie am Achterliek des Großtuchs.

Steht der Flaggenstock an Deck, ragt er nicht so weit über den Heckkorb hinaus. Der Flaggenstock sollte in der Halterung gesichert sein und sich beim Manövrieren in engen Hafenbecken, wo er beim Kontakt mit Pfählen oder anderen Boote abbrechen könnte, schnell abnehmen lassen. Ideal ist eine Rändelschraube oder ein Knauf zum Lösen des Flaggenstocks.

Die Halterung lässt sich aus einem schräg abgesägten Rohr selbst machen
Die Halterung lässt sich aus einem schräg abgesägten Rohr selbst machen © Swedesail

Sogar zur Neigung des Flaggenstocks kennt die herkömmliche Yachtetikette Einzelheiten: Er soll so am Boot angebracht sein, dass die Nationale im hängenden Zustand bei Flaute sichtbar ist, nämlich 40 Grad von der Senkrechten. Bei klassischen Yachten sieht man deutlich schrägere Flaggenstöcke. Das passt zu diesem Bootstyp und zur erwähnten Zipfel-Wasser-Regel. Bei der hochbordigen modernen Yacht ergibt das eine Bettlaken-große Flagge. Die passt bestimmt zur Gorch Fock. Vor Jahren hat ein Segelfreund mir mal eine Halterung geschweißt. Dabei wurde die Neigung an die des Spiegels (30° von der Senkrechten) angepasst.

Europaflagge ja oder nein?

Die oft gesetzte Europaflagge ist gemäß dem deutschen Flaggenrechtsgesetz (das gibt es tatsächlich) bei seegehenden Schiffen nicht erlaubt. Nicht einmal die Europaflagge mit einer kleinen Nationalen oben in der Ecke ist zulässig. Tun Sie es nichts ahnend dennoch, handeln Sie sich damit ernsthaft in deutschen Gewässern ein Bußgeld von etwa 55 € für diese Ordnungswidrigkeit ein. Der Zweck der Nationalen ist es, dass sie eindeutig über die Herkunft Auskunft gibt. Das klappt bei Europaflaggen mit kleiner Darstellung der Landesfarben nicht. Übrigens muss die Nationale nur setzen, wer auf Seeschifffahrtsstraßen unterwegs ist. Auf Binnengewässern kann man es lassen.

Gastlandsflagge = halbe Länge der Nationalen

3. Gastlandsflagge

Ähnlich wie das Format der Nationalen hängt die Größe der Gastlandflagge an der Bootsgröße. Die Gastlandsflagge soll halb so lang sein wie die Nationale. Zu kleine Gastlandsflaggen gelten als respektlos, ebenso wie ausgewehte, zerfranste oder verblasste Flaggen. Es gibt Hafenmeister in südlichen Ländern oder exotischen Revieren, die das monieren. In unseren Gewässern sind es meist ältere Skipper und Schiffermützenträger, die sich daran stören und das auch noch entsprechend kommentieren.

Kehrt man von einer langen Reise mit mehreren besuchten Ländern zurück, lässt sich das bei der Rückkehr mit zahlreichen übereinander gesetzten Gastlandflaggen für eine Weile zeigen. Blauwassersegler und alle, die auf ihre lange Reise stolz sind, machen das gerne so.

4. Thema „Flaggenparade“

Nach althergebrachtem Brauch wird die Nationale morgens gesetzt und abends bei Sonnenuntergang weggenommen. Ebenso wie die Gastlandsflagge morgens gesetzt und abends weggenommen wird. Sogar die Zeiten, wann das zu geschehen hat, sind geregelt. Vom 1. Mai bis 3. September werden die National- und Gastlandsflaggen um 8 Uhr morgens gesetzt, in den übrigen Monaten um 9 Uhr. Eingeholt wird sie abends bei Sonnenuntergang, spätestens aber um 21 Uhr.

Hier gibt es die Regel, dass zuerst die Gastlandsflagge gesetzt wird und dann die Nationale folgt. Abends wird zunächst die Nationale geborgen und dann erst die Gastlandsflagge. Traditionsbewusste Skipper halten das nach wie vor so.

5. Vereinswimpel

Diese Fahne wird am Top oder an der Backbordseite des Mastes unter der Saling gesetzt. Motorboote setzen ihn am Bug als sogenannte Gösch.

6. Die Gösch

Bei Marineschiffen, der Handelsschifffahrt und auch bei Motorbooten mit traditioneller Note ist die sogenannte Gösch üblich. Sie wird an einem kleinen senkrechten Flaggenstock am Bug gesetzt. Motoryachten setzen dort den Vereinswimpel oder auch die Fahne des Bundeslandes, wo das Boot beheimatet ist.

7. Flaggen bei Gästen an Bord

Backbord wehende Nationalflaggen informieren über Besucher anderer Länder an Bord. Die schweizerische oder italienische Flagge zeigt beispielsweise Gäste aus der Schweiz oder Italien an.

Ich habe mal einen italienischen Segelfreund und seine Frau durch Dänemark spazieren gesegelt. Abgesehen davon, dass die beiden gebibbert haben und über die dänische Gastronomie und Essgewohnheiten endlos erschüttert waren, war es eine amüsante Reise. Ich hatte den Freunden zuliebe und als Spaß die italienische Gastlandflagge gesetzt, die ich irgendwo noch in einem Schapp liegen hatte. In fast jedem Hafen wurden wir amüsiert gefragt, warum ausgerechnet Italiener in Dänemark Urlaub machen, wo doch jeder Däne und Deutsche am liebsten nach Italien fährt. Oft gingen die Gespräche schon beim Anlegen los.

Liegt das Boot unbewohnt im Hafen, führt es außer dem Clubwimpel keine Flaggen, weder nationale noch Gastlandflagge.

8. Die gelbe Quarantäneflagge

Steuert das Boot einen ausländischen Hafen an, führt es bis zum Einklarieren die gelbe, die sogenannte Quarantäne Flagge - auch Zollstander genannt - an Backbord.

Sind die Papiere ausgestellt und die Crew darf an Land, wird die Q-Flagge weggenommen. Segler, die in fremden Gewässern ohne Q-Flagge und ohne einklariert zu haben, unterwegs sind, können sich eine Menge Ärger einhandeln. Deshalb gehört die Q-Flagge bei Reisen zu fernen, nicht alltäglichen Zielen und wo das Einklarieren ernst genommen wird, unbedingt an Bord. In Revieren, wo Länderwechsel alltäglich sind, kann man es lassen. In Dänemark oder Schweden erscheint die Q-Flagge seltsam. Auch wenn man es in der Segelschule mal so gelernt hat.

Abschließend noch ein Hinweis auf drei längst vergessene Flaggenbräuche. Sie hatte in Zeiten, als das Bordleben noch arg ritualisiert war und es weder Sprechfunk, Handy oder überall WLAN gab, ihren Sinn.

9. Die blaue Flagge

Die kennt an Land jeder als Hinweis auf saubere Strände und stetes Bemühen um Umweltstandards. An Bord hatte sie früher eine andere Bedeutung. Eine blaue Flagge mit weißem Streifen kündete von der Anwesenheit eines Eignervertreters an Bord.

10. Die weiße und rote Flagge

Auch diese Flaggen hatte an Backbordseite gesetzt eine spezielle Bedeutung. Die weiße Flagge informierte darüber, dass der Eigner gerade isst und nicht gestört werden möchte. Bei der roten Flagge aß gerade die Crew. In beiden Fällen war vom Besuch der Yacht oder Manövern anderer Schiffe, die Eigner oder Mannschaft in Anspruch nehmen, abzusehen. Man klingelt ja auch nicht zur Mittagszeit beim Nachbarn.

Weiterführende Links

VG