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Segeln3 min Lesezeit

Sail Slow

Über die Vorzüge, sich ganz auf den Wind einzulassen

Sail Slow
Welch ein Genuss, wenn man eine Weile auf den Wind gewartet hat © Swedesail

Nur wer auch bei wenig Wind segelt, versteht etwas aus der leichten Brise zu machen. Erst, wer eine Flaute aushält, weiß den Wind zu schätzen.

Von Erdmann Braschos, veröffentlicht am 07.08.2017, aktualisiert am 13.10.2024

Das erwartet Sie in diesem Artikel
  • Wie lohnend es für Segler sein kann, Flaute und wenig zu ertragen oder das Beste aus vorlichem Wind zu machen
  • Warum weit gesteckte Ziele und starre Törnpläne nicht zum Segeln passen
  • Wie man sich für den Wind sensibilisiert

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Ein Nachmittag auf der Ostsee. Der Wind streicht mit mediterraner Sanftheit und Güte über das glatte Wasser. Er schuppt das Meer nur leicht. Die Sonne scheint. Das Wetter wird das Wochenende so bleiben. Ich bin mit Segelfreunden aus Spaß an der Freud’ vormittags auf Fehmarn los. Wir haben an der Südspitze Langelands für eine 20 Meilen Kreuz zurückgewendet. Wir sind zum Segeln, nicht zum woanders Ankommen auf See. Wir sind da, wo wir die ganze Woche schon hin wollten. Unter Segeln auf dem Meer.

Weit draußen vor der Kieler Bucht ist am späten Nachmittag kein Segler zu sehen. Nur die großen Pötte der Berufsschifffahrt schieben sich wie immer aus der Kieler Förde, kommen vom Fehmarn Belt, aus dem Großen Belt oder fädeln sich nordwärts dort ein. Die ringsum leere Wasserfläche ist ein vertrautes Bild. Liegt es an der Überalterung der Segelszene oder daran, dass die Lust zum Segeln verloren ging?

Meist wird ohnehin motort, um einen starren Zeitplan einzuhalten. Mal gibt es zu wenig Wind, mal zu viel. Oder der Am-Wind-Kurs erscheint zu mühsam. Es werden weite Ziele gesteckt, die nur mit einer Mindestgeschwindigkeit, also gedieselt, erreichbar sind. Man glaubt rechtzeitig im Hafen sein zu müssen, um einen Liegeplatz zu bekommen. Skurril: ein Hafen wird verlassen, um möglichst rasch zu einem anderen zu gelangen. Die eng getaktete Agenda des Arbeits- und Landlebens wird mit an Bord genommen. Wozu?

Eine Windstärke-Segeln auf der Ostsee
Eine Windstärke-Segeln auf der Ostsee © Swedesail

Es bleibt keine Zeit mehr für die Hauptsache, das Segeln. Auch fehlen Geduld und Demut, das Beste aus dem Wind zu machen. Welcher Charter- und Fahrtensegler wartet in einer Flaute auf den Wind? Wer gibt sich heute noch bei einer leichten Brise mit ein bis zwei Knoten zufrieden? Doch erst, wer die Agonie trägen Dümpelns ertragen hat, wird sich über den ersten Windstrich, das Plätschern der Bugwelle, das sich zu rauschender Fahrt verstetigt, freuen.

Es ist wie mit dem Berg, den man sich erlaufen oder mit dem Fahrrad erklimmen muss, um ihn zu verstehen. Ich meine: Auch auf dem Wasser ist der Komfort der motorisierten Fortbewegung in der Freizeit eher ein Verlust als Gewinn.

Wir verplanen, takten unsere Freizeit. Der Logbucheintrag, das Meilenbuch, die Statistik zählen. Das ganze zahlen fixierte Leistungsdenken passt aber nicht zum Segeln. Segeln ist eine Outdoorsportart, deren Planung schnell futsch sein kann. Starkwind vor dem Törn mit entsprechender Altsee, eine Wind- und Wetteränderung unterwegs – schon ist das zuvor ausgedachte Törnprogramm Makulatur. Auch aufgeschlossenen Menschen fällt es leider schwer, sich auf das Segeln mit seinen Unwägbarkeiten einzulassen. Dabei ist der seglerische Genuss, das Erleben von Wind und Wellen, die Zeit draußen unter Segeln wichtiger als das Zurücklegen einer bestimmten Distanz. Es spielt keine Rolle, ob es wenige oder 50 Meilen sind. Hauptsache, es waren schöne, intensiv gesegelte Stunden. Meine schönste Zeit auf dem Wasser war die mit der Jolle. Sie hatte keinen Motor. Mit der Jolle sind Wind und Welle zu nehmen, wie es kommt.

Abends verstetigt sich der Wind auf herrliche 2–3
Abends verstetigt sich der Wind auf herrliche 2–3 © Swedesail

Neuerdings lasse ich mich beim Segeln meiner Swede 55 auch bei leichtem Wind wieder mehr auf die Sache selbst, auf das Segeln ein. Ich ertrage die Flaute und erwarte den Wind. Was für ein Fest, welch ein Genuss, wenn er dann kommt! Neulich strich er unsicht- aber spürbar einige Meter über das Wasser. Seine Kraft war am Zug der Schoten und den gefüllten Tüchern zu spüren. Das Boot legte sich auf die Seite und stob durch das spiegelglatte Wasser – was für ein Fest!

Nehmen Sie sich Zeit, segeln Sie mal wieder langsam. Warten Sie ab. Auch wenn das in Zeiten der Raserei, des Foilens (siehe: Wie Foiling-Technik die Welt des Fahrtensegelns verändert), immer neuer Segelrekorde angeblich uncool ist. Genießen Sie also Ihre Zeit auf dem Wasser.

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VG