Yachtkonstrukteure5 min Lesezeit
Carlo Rivas Dampfer
Wie Carlo Riva mit «Vespucci» einen grossen Pott für sich vom Stapel liess

Wie der gemütliche Verdränger «Vespucci», den der berühmte Bootsbauer Carlo Riva Ende der Siebzigerjahre für seine Familie und sich schweissen liess, wieder flott gemacht wurde. Der ringsum sehenswerte Dampfer zeigt, was sich im korrosiven Mittelmeer-Milieu aus einem betagten Stahlschiff machen lässt.
Von Erdmann Braschos
Das erwartet Sie in diesem Artikel
- Hintergründe zum kaum bekannten 30 m Schlitten von Carlo Riva
- Finessen, wie sie Riva schon auf der Kommandobrücke seiner Werft in Sarnico am Iseo See verwirklicht hatte
- ein Blick auf die beeindruckende Karriere von Carlo Riva
- wie das Boot weitgehend originalgetreu wiederhergestellt wurde
- Carlo Rivas Vorliebe für Himmelblau und Lobsterrot
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1977 blickte der italienische Bootsbauer Carlo Riva auf eine beeindruckende Karriere zurück. In gerade mal eineinhalb Jahrzehnten hatte er die väterliche Fünfmann-Butze in einen rund laufenden, 300-Mitarbeiter-Betrieb zum Bau der gefragtesten Mahagoni-Motorboote weltweit verwandelt. Riva hatte den qualitativ unsicheren Holzbootsbau am Iseo-See in eine modern getaktete Serienfertigung mit reproduzierbarer Präzision umgebaut. Riva hatte die Entwicklung von Flugzeug- zu Bootsbausperrholz vorangetrieben. Er hatte sich von Finessen wie fehlbedienungssicheren Bohrern über Spezialschrauben, sogar die Verchromung der Beschläge bis zum cleveren Celebrity-Marketing um alles gekümmert.
Meine Kunden akzeptieren keine Toilettensitze aus Plastik. Sie setzen sich nur auf Holz
Carlo Riva
Der lombardische Qualitätsfetischist hatte amerikanischen Motoren- und deutschen Instrumentenbauern gezeigt, wie hoch die Latte bei Riva liegt. Das schafft sonst kein Italiener. Vor allem hatte der Selfmademan Ende der Sechzigerjahre angesichts des Siegeszugs von glasfaserverstärktem Kunststoff nicht gejammert, sondern mit dem Verkauf seines Betriebes rechtzeitig den Absprung geschafft. Riva fasste die Sache vielleicht ein klein wenig blasiert, aber eben auch zutreffend wie folgt zusammen: «Meine Kunden akzeptieren keine Toilettensitze aus Plastik. Sie setzen sich nur auf Holz.»
Dann baute der Tatmensch ungeachtet normal-italienischer Hürden, bürokratischer und sonstiger Widerstände eine wegweisend moderne Marina. Sie befindet sich in Rapallo und heisst «Porto Carlo Riva». Kann man sich ein schöneres Denkmal setzen?
«Italiener ertragen, hassen die Sonne»
Vittorio
Nun fehlte Riva nur noch ein eigener Dampfer. 30 Meter sollte das Schiff für seine vierköpfige Familie messen. Das war damals ein gewaltiger Pott. Der 55-Jährige entwarf einen 145 Tonnen Verdränger mit schrägem Vorsteven, Wulstbug und kühn vor- statt rückwärts geneigten Scheiben auf der Brücke. Solch eine Kommandozentrale war damals schon Retro. Vor allem aber spendete die Fensterneigung Schatten. «Wir Italiener ertragen, hassen die Sonne», so hat es mir der einheimische Freund Vittorio einmal im ligirischen Chiavari erklärt. Nur Deppen mit diesbezüglichen Mangelerscheinungen, also Norddeutsche, Holländer, Briten oder Skandinavier, vielleicht auch Österreicher oder Schweizer beten sie aus offensichtlichen Gründen an. Das hat er natürlich nicht gesagt, sondern mir diese Erkenntnis mit einem verständnisvollen Blick schweigend überlassen. Solche Freunde braucht man.
Mit einer kühn vornüber geneigten Frontscheibe hatte Riva bereits sein Büro über der Werft verglast. Es schwebte wie eine Kommandobrücke über dem Iseo See. Ich begleitete vor einer Weile einmal den Berliner Bootseigner Konrad Börries anlässlich der Instandsetzung seiner Riva Tritone «Hermes» mit der Baunummer 258 nach Sarnico. Es war ein Gänsehaut-Moment, dieses Gebäude einmal zu sehen.
Das Stahlschiff mit Aluminiumaufbau lief 1978 bei der CRN Werft in Ancona vom Stapel und wurde 2016 vom vierten Eigner dem Yachtinstandsetzer Monaco Marine zu einer umfassenden Überholung übergeben. 260 Meter vergammelte Stahlrohre und 1,6 km Kabel waren zu ersetzen. Auch das Interieur war liebevoll wiederherzustellen. Nach 20.000 Stunden, die während 18 Monaten in «Vespucci» gingen, wurden die beiden Caterpillars wieder angeworfen.
Kapitän Benjamin Calzaroni und seine Crew packten mit an, was die Arbeit ebenso beschleunigte wie der Vorteil, dass alle Gewerke in der Werft verfügbar waren. So liessen sich die üblichen Überraschungen einer Bootssanierung rasch abarbeiten. «Unser Ziel war es, dem Schiff in enger Abstimmung mit dem Eigner-Ehepaar zu seinem ursprünglichen Glanz zu verhelfen» berichtet Werftleiter Kamel Fekhart. «Es war wichtig, den Geist und Stil der Carlo Riva Yacht in all seinen Finessen zu bewahren». Ein Grossteil des lackierten Teakinterieurs ist original. Sogar die Lichtschalter mit schwarzen Knebeln oder die Bullaugen konnten gerettet werden. Einzig der von Riva selbst entworfene Kühlschrank, den ein frevelhafter Mensch entsorgt hatte, war zu ersetzen.
Die betagten Caterpillar D346-TA V8 Dieselmotoren liessen sich mit beharrlicher Suche nach Ersatzteilen, umgebauten Fremdteilen und Sonderanfertigungen erhalten. Zu den wenigen Änderungen gehört die im Bug eingelassene Sitzgelegenheit mit eingelassenen Stauräumen. Auf dem umfächelten Vorschiff sitzt man morgens mit dem ersten Kaffee oder abends schön.
Wie Lia Riva, die Tochter des «Vespucci»-Schöpfers, mit leuchtenden Augen bei einem Rundgang durch das wiederhergestellte Schiff entdeckte, hängen sogar die himmelblauen und Lobster-roten Vorhänge in der Lieblingskombination ihres Vaters an Bord.
Die Wiederherstellung eines vierzig Jahre alten Stahlschiffs im korrosiven Milieu des Mittelmeeres kann ein Fass ohne Boden sein. Die sehenswerte «Vespucci» ist ein Beispiel dafür, dass es sich lohnt, Geld in ein beharrlich gepflegtes Objekt mit Herkunft zu stecken. Man kann Carlo Rivas Dampfer mit seinen vier Gästekabinen über die Agentur Northrop & Johnson chartern und mit den beiden V8 Caterpillars bei zehn Knoten Reisetempo zurück in die Siebziger dieseln. Damit können Sie sich in Rapallo blicken lassen. Der Bootsname dürfte die Buchung eines Liegeplatzes erleichtern.
Die Geschichte der grossen Riva-Boote
Während Riva durch seine klassischen Mahagoni-Gleiter bekannt wurde, dachte er bereits Ende der Fünfzigerjahre über grössere Modelle nach. Er entwarf sie zunächst gemeinsam mit den niederländischen Konstrukteuren De Voogt. Sie entstanden in den Sechzigerjahren in kleinen Stückzahlen bei Feadship De Vries als 22 ½ m «Caravelle», als knapp 27 m messende «Admiral» und als 35 m lange «Viking». Für sein eigenes Schiff entschied er sich dann für einen italienischen Werftpartner, die C.R.N Werft in Ancona.
Weiterführende Links
- Riva Motorboote kaufen
- Runabouts: Von Herumtreibern und Stromern
- Rivamania: Eine Klasse für sich
- Riva Aquarama: Das Motorboot der Schönen und Reichen