Praxis4 min Lesezeit

Schlechte Karten

Warum modernen Plottern leider nicht ganz zu trauen ist

Schlechte Karten
Screenshot mit der nicht verzeichneten Untiefe © Andreas Stengel

GPS-Navigation mit heute üblichen Plottern machen die Navigation zum Kinderspiel. Leider sind die digitalen Karten ungenau. Es werden Tonnen an falschen Positionen gezeigt oder solche, die es schlicht nicht mehr gibt. Tiefenangaben und Updates sind mit Vorsicht zu genießen.

Von Erdmann Braschos, veröffentlicht am 22.12.2020

Das erwartet Sie in diesem Artikel
  • zwei Beispiele von Grundberührungen durch falsche Tiefenangaben
  • ungenaue oder komplett falsche Bojenpositionen
  • Probleme mit Updates

Artikel vorlesen lassen

Am 21. August 2019 motoren Birte Westerfeld und Andreas Stengel auf dem Götakanal durch Schweden. Sie sind am Westufer des Vänernsee von Karlsborg nach Forsvik unterwegs. Als erfahrener Skipper weiß Stengel, wie unnachgiebig der schwedische Granit ist. Deshalb passiert er den Mittelgrund mit einer kleinen Insel westlich von Udden, wo das Boot in angeblich 6 m tiefem Wasser brutal von einer Klippe von sechs Knoten auf null abgebremst wird. «Birte, die auf der Cockpit-Bank saß, wird gegen die Kajütwand geschleudert und ich so heftig gegen das Steuerrad, dass es verbogen ist» berichtet Stengel. Die Grundberührung passiert auf 58° 56‘ N 14° 45‘ E an der Stelle, wo der Plotter den Kurs zurück aufgezeichnet hat.

Stengel meldet die Untiefe dem NV-Verlag in Eckernförde. Verzeichnet ist sie bis heute nicht. Es gibt mehrere alarmierende Risse im Bereich der Kielaufhängung im Rumpf der Bavaria 34 Speed Baujahr 1994. Stengel meldet den Schaden bei seiner Versicherung und motort sicherheitshalber zum Heimathafen Kiel.

Stengel und Westerfeld sind auf eine Untiefe geknallt, die es laut Plotter und Seekarte nicht gibt. Das Resultat sind mehrere alarmierende Risse im Bereich der Kielaufhängung im Rumpf der Bavaria 34 Speed Baujahr 1994.

Mittwoch, den 5. August 20 motore ich abends bei Flaute von Fehmarn kommend zu einem Wegpunkt, den ich anhand des Plotters am Ausgang des Großen Belts in ausreichend tiefem Wasser südwestlich des Albue Flak angelegt habe. Als das Echolot abweichend vom Plotter abnehmende Tiefen von vier, dann drei Metern zeigt, kuppele ich den Motor aus, steuere einen westlicheren Kurs Richtung Großer Belt und bleibe wenige Augenblicke später mit dem Kiel im Sand stecken. Das Echolot zeigt 2,10 m. Laut Plotter müsste es dort tief genug sein.

Zum Glück gibt es keine Steine und die Ostsee ist glatt wie ein Ententeich. Das Boot wird von einer kräftigen Strömung nordwärts quer Richtung Untiefe geschoben. Meine größte Sorge ist, dass jemand über Bord geht, weil wir ihn bei der Strömung nicht vom festsitzenden Boot retten können.

Nach zweistündigem Versuch, das Boot mit Maschine freizubekommen, bin ich mit meinem Latein am Ende. Mal kommt der Kiel für einige Meter frei, dann bleibt er wieder im Sand stecken. Wenige Bootslängen weiter Richtung Belt ist in der Dämmerung eine Kante mit gekräuseltem Wasser zu sehen. Dort geht das Albue Flak in ausreichend tiefes Wasser über. Es ist zum Greifen nahe, aber ich kriege das Boot dort nicht hin.

Eine Kreuzpeilung der westlichen Quadrantentonne und des Leuchtturms auf Albuen bestätigt die Position. Gemäß Karte liegt das Boot noch außerhalb der 2 m Tiefenline, obwohl das Boot beim Versuch, es freizubekommen, von der Strömung nordwärts geschoben wurde.

Zum ersten Mal in meinem Seglerleben bitte ich die Seenotleitung in Bremen um Hilfe und werde bald von den dänischen Kollegen in Nakskov an einen Fischer verwiesen. Ein kurzfristiger Schlepp soll 600 € kosten. Gedulde ich mich bis morgen früh, wenn der Fischer eh in der Gegend ist, würde es 100 € billiger. Wie der Funker berichtet, kommt es regelmäßig vor, dass Boote südwestlich von Albuen stecken bleiben. Nach einigen Stunden bangen Wartens lässt die Strömung nach. Der Wasserstand ist gestiegen und der Kiel kommt frei. Vorsichtig, mit bangem Blick auf Echolot und Plotter motore ich den Kurs zurück, den ich abends vorher gekommen bin.

Kreuzpeilung mit dem Standort des nordwärts getriebenen Bootes
Kreuzpeilung mit dem Standort des nordwärts getriebenen Bootes © Swedesail

Plotter vereinfachen die Planung und Navigation enorm. Was mich aber schon länger irritiert, ist die Beobachtung, dass viele Angaben laut Plotter schlicht nicht stimmen. Ich habe Navionics wiederholt darauf hingewiesen und in den vergangenen Monaten gedacht: Wenn banale, mit geringem Aufwand aktuell zu haltende Angaben schon zur Betonnung nicht stimmen, wie sieht es dann mit den Wassertiefen aus? Es werden beispielsweise Tonnen in der Neustädter Bucht angezeigt, die es nach meiner Beobachtung seit Jahren nicht mehr gibt. Auch die Positionen der Fahrwassermarkierungen am Ende der Großenbroder Mole stimmen nicht. Die seit 2019 oder 20 auf halber Höhe der Mole westlich liegende Quadrantentonne kennt mein Plotter trotz regelmäßiger Updates nicht. Mit solchen Fehlern kann man bei guter Sicht tagsüber leben. Anders sieht es nachts oder bei Nebel aus. Da muss ich mich auf die aktuellen Standorte von Fahrwasserbegrenzungen verlassen, weil es dahinter flach ist.

Die Beispiele zeigen, dass die Aktualisierung der Karten nicht oder nur lückenhaft funktioniert. Stengel, der sich bereits in Göteborg um eine Kranmöglichkeit zur Prüfung des Schadens und Reparatur seines Bootes bemühte, berichtet: «Ortsansässige Werften sind ab August mit der Begutachtung und Instandsetzung lädierter Kiele komplett ausgebucht. Es gibt in den Schären zahlreiche, nicht kartografierte Steine. Und es gibt zwei Sorten schwedischer Wassersportler. Jene, die schon aufgebrummt sind und die, denen das noch bevorsteht». Stengel ist derart verunsichert, dass er in den Schären nur noch auf regelmäßig befahrenen Kursen bleibt. Mein Fehler bei der Ansteuerung von Albue war, dass ich, den Angaben des Plotters vertrauend, den Wegpunkt zu dicht an der Untiefe gesetzt habe. Die kräftige Strömung im Großen Belt hat die Sandbank verschoben.

VG