Ratgeber für den Bootsverkauf8 min Lesezeit
Verkaufspreis: Ein Boot, drei Werte (Teil 1)
Warum jedes Boot verschiedene Werte hat
Es erscheint auf den ersten Blick seltsam, dass ein und dasselbe Boot drei verschiedene Werte haben kann. Aber so ist es. Und es ist wichtig, sie - speziell die Finessen der „festen Taxe“ - zu verstehen.
Von Erdmann Braschos, veröffentlicht am 01.11.2018, aktualisiert am 13.10.2024
Das erwartet Sie in diesem Artikel
- Erläuterung des ideellen Wertes
- Was ist der Wiederbeschaffung- genauer gesagt der Zeitwert?
- Vorsicht mit der sogenannten „festen Taxe“
- warum der kluge Eigner den Wiederbeschaffungswert seines Bootes regelmäßig überprüft und anpasst
- Wertzuwachs des Bootes durch Neuanschaffungen
- wie der Marktwert zustande kommt
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Der ideelle Wert
Wenn Sie Ende Januar bei der Düsseldorfer Bootsmesse die Yacht Ihrer Träume entdecken oder im Frühjahr am Wasser sind, hat das Boot für Sie einen besonders großen Wert. So ist es auch, wenn Sie gerade in den Wassersport einsteigen, neulich ein Boot übernommen haben und mit leuchtenden Augen an Bord gehen, wenn Sie damit ablegen und es mit Hingabe pflegen. Dieser ideelle Wert ist der Platz, den das Thema emotional in Ihrem Leben einnimmt.
Der Wiederbeschaffungs- oder Zeitwert
Der ideelle Wert liegt deutlich über dem zweiten Wert, dem Wiederbeschaffungswert des Bootes. Er wurde früher auch Zeitwert genannt. Er ergibt sich aus dem Ruf der Werft, dem Design, der Bauqualität, dem Zustand, der Ausstattung, Alter, Gebrauchsspuren oder Schäden des Bootes. Natürlich auch aus den Neuteilen an Bord und dem, was für vergleichbare Boote derzeit im Bootsmarkt erzielt wird. Er enthält - ganz wichtig - die Mehrwertsteuer, die Marge des Bootshändlers, ebenso die Mehrwertsteuer auf seine Provision und eine Gewährleistung bei der Beschaffung eines vergleichbaren Bootes. Der Wiederbeschaffungswert ist für den Haftpflichtschaden wichtig. Denn bei einem Totalschaden ist genau dieser Wert zu ersetzen.
Vorsicht mit der vermeintlich „festen Taxe“
Die «feste Taxe»
An diesem oben beschriebenen Wert orientiert sich die sogenannte «feste Taxe». Ein betrüblicherweise irreführender Begriff, weil er leider entgegen seinem Wortlaut nicht so in Stein gemeißelt ist, wie es aussieht. Er ist vielmehr an den Ist-Zustand des Bootes gekoppelt, daher regelmäßig zu prüfen und anzupassen. Doch welcher Eigner macht das? Er hat schließlich in seinem Alltag andere Themen, weshalb er die Prüfung und Anpassung des tatsächlichen Bootswertes vergisst und sich vom schönen Schein der vermeintlichen „festen Taxe“ täuschen lässt. Denn das Einzige, was zählt, ist das Kleingedruckte des Versicherungsvertrages. Dabei spielt es keine Rolle, ob er mit dem missverständlichen Marketingbegriff betitelt ist. Das glauben Sie nicht? Na dann holen Sie mal Ihre Versicherungsunterlagen raus und schauen nach!
Sie sollten zur „festen Taxe“ wissen, dass sie laut § 76 Versicherungsvertragsgesetz - kurz VVG genannt - folgendermaßen definiert ist: „Der Versicherungswert kann durch Vereinbarung auf einen bestimmten Betrag (Taxe) festgesetzt werden. Die Taxe gilt als der Wert, den das versicherte Interesse bei Eintritt des Versicherungsfalles hat, es sei denn, sie übersteigt den wirklichen Versicherungswert zu diesem Zeitpunkt erheblich. Ist die Versicherungssumme niedriger als die Taxe, hat der Versicherer, auch wenn die Taxe erheblich übersetzt ist, den Schaden nur nach dem Verhältnis der Versicherungssumme zur Taxe zu ersetzen.“
Achten Sie darauf, die „feste Taxe“ ausdrücklich als unanfechtbar zu vereinbaren
Eine bemerkenswerte Regelung, die den Bootseigner gegebenenfalls schlechter stellt. Es bleibt die Frage, was in diesem Zusammenhang „erheblich“ ist. Das wird dann vor Gericht von Anwälten und Gutachtern geklärt. So kann es bei einer überhöhten Taxe zu einer Kürzung auf den tatsächlichen Wiederbeschaffungswert (den Marktwert) kommen. Deshalb sehen viele Verträge vor, dass die feste Taxe als „unanfechtbar“ vereinbart wird. Die „feste Taxe“ allein reicht also nicht. Sie muss im Vertrag darüber hinaus ausdrücklich als unanfechtbar vereinbart sein. Sonst ist die „feste Taxe“-Vereinbarung nichts wert.
Ohne feste Taxe und Unanfechtbarkeitserklärung kann und wird der Versicherer bei einem Totalverlust den aktuellen Marktwert selbst festlegen. Das machen insbesondere niederländische Anbieter, die wiederum geringere Prämien verlangen. Die unanfechtbare feste Taxe schützt vor solchen Finessen, kostet jedoch im Vergleich mehr Prämie.
Bei den aktuellen Preissprüngen nach oben und der allgemeinen Refitlaune gehen die Wiederbeschaffungswerte in vielen Fällen nach oben. Deshalb ist es wichtig, die Werte anhand eines Gutachtens anzupassen. Denn der aktuelle Wiederbeschaffungswert eines Gebrauchtbootes kann deutlich über dem durchschnittlichen Marktwert des jeweiligen Modells liegen. Demnach muss im Totalschadensfall ein Ersatz zum Marktpreis beschafft und wieder refittet werden. Das wiederum führt zu einem höheren Wiederbeschaffungswert.
Der Versicherer kann nicht nur, er wird ziemlich sicher die «feste Taxe» im Schadensfall anfechten, wenn er überzeugt ist, sie entspreche nicht den Tatsachen. Solange der zu ersetzende Bootswert laut vermeintlich „fester Taxe“ nicht geklärt ist, muss die Versicherung nicht zahlen. Das kann schon mal ein oder zwei Jahre dauern. Diesen Ärger können Sie sich mit etwas Aufmerksamkeit und Mühe zur rechten Zeit sparen. Anstrengend für den Versicherten wird die Schadensregulierung durch Versicherer erfahrungsgemäß bei Schäden ab 5.000 €.
Wurde die „feste Taxe“ zu hoch angesetzt, zahlen Sie als Eigner über Jahre eine höhere Versicherungsprämie als nötig. Auch deshalb lohnt sich die wiederholte Prüfung des Bootswertes. Machen Sie es daher zur jährlichen Routine und rekapitulieren Sie am Ende der Saison oder zwischen den Feiertagen rings um Weihnachten und Neujahr, was Sie dem Boot entnommen haben, was kaputtgegangen ist oder was für das Boot angeschafft wurde. Schicken Sie Ihrem Versicherungsmakler eine E-Mail und achten Sie darauf, dass der Eingang bestätigt wird und die Anpassung der „festen Taxe“ im Lauf von 14 Werktagen erfolgt. Bewahren Sie die Rechnungen als Nachweise auf. Klappt das nicht, wechseln Sie bei passender Gelegenheit die Versicherung.
Beim Neukauf substanzieller Ausstattung, beispielsweise einer neuen Maschine, neuer Technik, neuen Winschen oder Segeln erhöht sich der Markt- b.z.w. Wiederbeschaffungswert des Bootes. Der Eigner muss diese Wertänderung der Versicherung mitteilen. So steht es im Kleingedruckten. Allerdings kommt nicht der Kaufpreis für die teure neue Maschine oder die tollen Segel komplett zur „festen Taxe“ hinzu. Vielmehr verschmilzt deren Wert mit dem gesamten Bootswert. Sie sehen: Es ist leider kompliziert.
Thema Wertzuwachs des Bootes durch Neuanschaffungen
Der Wertzuwachs von Neuanschaffungen ist von Boot zu Boot unterschiedlich, weil er zum Boot gehört. Ist das Boot von der Substanz her schlecht oder ungepflegt, führt beispielsweise die neue Maschine zu einer geringeren Wertsteigerung als bei einem guten und gepflegten Qualitätswerftbau. Hierfür gibt es spezielle Berechnungsmodelle. Wichtig zu wissen: Der Neukauf einer Maschine oder eines Segels steigert den Marktwert des gesamten Bootes nicht um die Anschaffungskosten des Neuteils. Das liegt daran, dass es im Bootsmarkt wahrscheinlich ein vergleichbares Boot mit zwar gebrauchter, aber laufender Maschine oder gebrauchter, aber benutzbarer Segelgarderobe gibt. Daran orientiert sich dann der gesamte Bootswert. Die Hamburger Spezialisten des online Bootsbewerters «Rate my Boat» setzen den Wertzuwachs einer neuen Maschine am Tag des Einbaues bei etwa 50 Prozent an. Ein Beispiel. Hat das Boot einen Wert von 80.000 € und die neue Maschine 20.000 € gekostet, ist es mit dem neuen Motor 90.000 statt 100.000 € wert.
Der Wertzuwachs des Neuteils verschmilzt über Jahre mit der sogenannten „Hauptsache“, dem Boot. Irgendwann geht der Wert der Neuanschaffung komplett im Gesamtwert des Bootes auf, welches wiederum selbst stetig an Wert verliert, soweit keine anderen bedeutenden Aufwendungen getrieben werden. Für die Wertentwicklung von Booten und substanziellem Zubehör wie einer neuen Maschine, Winschen, Navigationselektronik oder Segeln gibt es unterschiedliche Verlustverläufe, welche die Wertentwicklung des gesamten Bootes beeinflussen.
Hans Kablitz zufolge, einem Hamburger Sportboot-Gutachter und Mitgründer des Online Bootsbewerters «Rate my Boat» gibt es bei Anschaffungen fürs Boot noch einen weiteren Gesichtspunkt: Es kommt auch auf die Bedeutung an, die die neue Maschine oder das neue Segel für das Objekt hat. Bei einem Regattaboot oder einer schnellen Tourenyacht ist die Besegelung wichtiger als bei einem betagten Langkieler. Bei der Motoryacht hat die Maschine eines sportlichen Gleiters ganz anderes Gewicht als bei einem behäbigen, zahm gefahrenen Verdränger. Die Beispiele zeigen, wie vielschichtig das Thema ist und weshalb es lohnt, einen Spezialisten mit der Wertermittlung zu beschäftigen.
Marktwert des Bootes
Der nächste - hinsichtlich des Kaufs und Verkaufs entscheidende - Wert ist der Marktwert des Bootes. Das ist der Preis der für das Boot oder ein vergleichbares Objekt derzeit auf dem Bootsmarkt von einem privaten Käufer, das heißt ohne nochmals zusätzlich berechnete Mehrwertsteuer, ohne Handelsspanne/Maklerprovision und Gewährleistung erzielt wird.
Entscheidend für die Bewertung von Booten ist die intime Kenntnis des Marktes. Man muss erstens wissen, was das Boot bei der Anschaffung damals gekostet hat. Zweitens benötigt der Bewerter Auskünfte über die tatsächlich im Bootsmarkt erzielten Preise. Diese bekommt er von den Händlern. An diesem Detail ist die vor einigen Jahren bereits eingestellte Yacht Schwacke Liste gescheitert. Wie vielschichtig die Materie ist, zeigt das Buch von Hans Donat über «Schiffe aus zweiter Hand» aus den Neunzigerjahren.
Angesichts der demografischen Entwicklung, wo sich viele Eigner alters halber von ihren Booten trennen, des seit Jahren wachsenden Angebots gebrauchter Boote und des schnell rotierenden Novitäten Karussells (mehr Komfort, modernes Design, neue Trends) ist es wichtig, sein Boot von vornherein zu einem passenden Preis anzubieten. Sonst vertrödelt man als Verkäufer Zeit und verliert Geld. Denn das Boot kostet jedes Jahr. Dabei spielt es keine Rolle, ob man es nutzt oder nicht. Die realistische Wertermittlung eines Bootes ist auch bei Ehescheidungen interessant, wo der Wert bei etwaigem Zugewinn zu berücksichtigen ist.
Die online Bewertung von «Rate my boat» bietet die Möglichkeit für kleines Geld zu einer marktnahen Einschätzung des Bootswertes zu kommen. Das Ergebnis wird manchen stolzen Eigner und allzu selbstbewussten Verkäufer ernüchtern. Denn die Zeiten, als Boote derart wertstabil waren, dass sie sich auch nach Jahren noch zu einem ausgezeichneten Tarif verkaufen ließen, sind leider längst vorbei. Auch für einen skandinavischen Qualitätswerftbau, beispielsweise von Hallberg Rassy, müssen heute altersgerechte Nachlässe gegeben werden. Es wird schon lange nicht mehr der Neupreis nach zehnjähriger Nutzung erzielt. Unglaublich erscheinen in dieser Hinsicht die Siebzigerjahre, als schwedische Eigner sich zwei Boote des gleichen Typs zulegten. Eins für sich und das Zweite, um es nach einer Weile mit Gewinn zu verkaufen.
Wenn Sie also eines Tages beim Verkauf des Bootes die schönen Stunden (Magie des Anfangs), die Wochenenden und wunderbaren Urlaube auf dem Wasser erinnern, dann war das Boot, auch wenn Sie es mit einem erheblichen Nachlass verkaufen, eine gute Entscheidung. Der ideelle Wert ist real, solange der Spaß am Boot groß ist und Sie mit Ihrer Familie und Freunden den Wassersport leben. Solange Sie viel Zeit an Bord verbringen. Manche Boote sind fast schon Familienmitglied. Dieser ideelle Wert ist nicht in Euro zu beziffern, aber er ist genau das, was das Leben an Bord ausmacht. Er hält Familien zusammen und stiftet Freundschaften.
Lesen Sie im zweiten Teil, wie Sie als Verkäufer zu einer realistischen Preisvorstellung und Argumentationsgrundlage gegenüber dem Interessenten kommen: Bootsverkauf: die Stunde der Wahrheit.
Update: Uwe Gräfer und Hans Kablitz haben ihre Zusammenarbeit mit Rate my Boat 2022 aufgelöst. Rate my Boat wird von Uwe Gräfers „HSG Hanse Sportboot-Gutachter GmbH“ mit vier Gutachter-Standorten in Norddeutschland weitergeführt. Hans Kablitz ist wie gehabt in Hamburg mit seinem „Hanse Ingenieurbüro“ tätig.