Kaufberatung6 min Lesezeit

Wer kriegt das Boot?

Wenn der Verkäufer den Käufer aussucht

Wer kriegt das Boot?
Bodensee Racer «Contra» auf der Werft in Friedrichshafen. Wer kriegt dieses Männerspielzeug? © Alexander Lutz

Ein Boot ist mehr als ein Gebrauchsgegenstand. Es wächst einem ans Herz, gehört zur Familie. Deshalb bekommt es eines schmerzhaften Tages nicht irgendwer.

Von Erdmann Braschos, veröffentlicht am 11.01.2023, aktualisiert am 30.10.2023

Das erwartet Sie in diesem Artikel
  • drei Beispiele eines Käufer-Casting
  • die Geschichte eines speziellen Probeschlags bei der Rund Um Regatta auf dem Bodensee
  • die Chemie zwischen Verkäufer und Käufer muß stimmen
  • wie ein norddeutscher Käufer seine Traum Motoryacht günstiger als andere Bieter bekam
  • wie Sie den Verkäufer überzeugen

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Auf den ersten Blick ist ein Boot ein Gebrauchsgegenstand, den man eine Weile hat. Er wird verkauft, wenn er nicht mehr ins Leben passt. Wie ein Auto oder die Ferienwohnung. Derjenige, der am meisten bietet und keine Spielchen macht, kriegt den Zuschlag. Viele Boote wechseln so den Eigner. Verkäufer möchten das Kapitel einfach nur abschießen. So läuft es bei den meisten Transaktionen, frei nach dem Spruch

Es gibt zwei Glückstage im Leben eines Eigners: Wenn er das Boot kauft und wenn er es verkauft

Doch für einige ist das Boot mehr. Es gehört dazu, ist Bestandteil des Lebens. Ganz einfach, weil die Zeit zwischen dem Kauf und Verkauf klasse war. Man hat schöne Reisen gemacht, gern erinnerte Urlaube mit dem Partner und der Familie auf dem Wasser verbracht. Vielleicht einen schlimmen Sturm damit durchgestanden, magische Momente bei durchsegelten Nächten unter einem funkelnden Sternenhimmel erlebt. Oder sich bei Regatten wacker geschlagen. Wenn einem das Boot über Jahrzehnte ans Herz gewachsen ist, man es gehegt und gepflegt hat, kriegt es derjenige, der es versteht, gut damit umgeht und erhält. Das Familienmitglied muß in die richtigen Hände kommen. Der Erlös ist wichtig, aber nicht alles.

So sieht es der Konstanzer Mediziner Dr. Müller, als es sich vor einer Weile sehr schweren Herzens dazu durchringt, seine «Contra» aus gesundheitlichen Gründen herzugeben. Dieses Boot ist nicht irgendeins, sondern vom namhaften Konstrukteur Friedrich Judel, eher ein Möbel mit Cupperkiel und gescheitem Mast. Sowas fährt schon im stehen auf dem Hafentrailer. Für das Budget kaufte man damals eine Ferienwohnung mit Seeblick.

Es gibt mehrere Interessenten und Müller kann sich aussuchen, wer das Boot kriegt. Er weiß, was er hat. Außerdem ist er ein selbstbewußter Mann, der die Dinge gern nach seinem Gusto gestaltet.

Der etwas andere Probeschlag

Nun ist Segeln bekanntlich eine Schwätzersportart, wo jeder mit Spinnaker Rund Kap Hoorn gesegelt ist. Also castet Müller die Interessenten erst mal telefonisch. Übrig bleiben drei Segler, die das Boot gemeinsam kaufen wollen. Mit denen ist die Besichtigung überhaupt sinnvoll. Die lädt Müller zum Probeschlag ein. Ein Probeschlag ist üblicherweise ein Nachmittag, wo der Interessent möglichst viel meckert, um den Preis zu drücken. Müller dreht die Sache um. Er sorgt für die Vollbeschäftigung seiner Beweber an Bord und beobachtet, wie sie sich an Bord so anstellen. Mit einer übertakelten Feile mit Back- und Checkstagen sollte man umgehen können, sonst liegt der Mast nebenan im See.

Er lädt zu einer Regatta ein, allerdings keinem ufernahen Warmduscher-Event mit abendlichem Prosecco-Empfang, sondern zur Rund Um. Diese Langstrecke wird seit 1951 auf dem Bodensee gesegelt. Nun ist das Schwabenmeer zwar ein landschaftlich traumhaftes, seglerisch leider schlimmes Elend mit spiegelglatter, kaum von einem Hauch geschuppter Wasserfläche. Damit man die Strecke überhaupt schafft, wird die Rund Um abends gestartet und durch die Nacht gesegelt, wenn es eher - naja "weht". Schön ist auch, wenn man es im Schlachtgetümmel zwischen hunderten von Booten passabel zur und über die Startlinie schafft. Die drei Bewerber machen ihre Sache gut. Der Mast bleibt auch oben. Mitten in der Nacht irgendwo auf dem See ist das Casting für Müller abgeschlossen. Müller reicht den Bewerbern eine Flasche Sekt und erklärt "Ihr kriegt das Schiff." Dann segeln sie die Regatta zuende. Ein schöner Ausstieg für Müller und ein guter Einstieg für die neuen Eigner.

Sommersegeln bei praktisch Nichts auf dem Bodensee
Sommersegeln bei praktisch Nichts auf dem Bodensee © Alexander Lutz

Obwohl sich die Eignergemeinschaft mittlerweile auf den heutigen Besitzer und seine Familie verschlankt hat, war der Probeschlag gut fürs Schiff, Müller und den heutigen Eigner. «Contra» steht so im Lack, dass man das Boot annähernd vier Jahrzehnte seit dem Bau zur Friedrichshafener Interboot zeigen könnte.

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Wenn der Ton die Musik macht

Vor vielen Jahren hatte ich mal die wahnsinnige Idee, meine Swede 55 zu verkaufen. Ich begann die Sache mit einer kleine Hürde, um die Spreu vom Weizen, die Schwätzer von ernsthaften Interessenten zu unterscheiden. Es meldete sich einer aus der "Spinnaker rund Kap Horn Abteilung", ein Berliner mit richtig großer Klappe. Puuuh. Darauf hatte ich schon im Ansatz keine Lust. Er kaufte dann eine andere Swede, machte sie mit einem einigem Aufwand zurecht und kam mit dem Boot nicht klar. Nachdem er beim Anlegen ordentlich gegen den Steg gedonnert war, wurde es rasch verkauft. Wie schade, wenn das nach all den havarienfreien Jahrzehnten mit "meinem" Schiff passiert wäre.

Tourenschärenkreuzer «Gamle Swede» vom Typ Swede 55
Tourenschärenkreuzer «Gamle Swede» vom Typ Swede 55 © Swedesail

Der zweite Interessent war da zunächst angenehmer. Ich schickte ihm das Exposé, wo unter anderem klipp und klar stand, was an Bord nicht in Ordnung, also noch zu machen ist. Das erscheint vielleicht altmodisch. Nun gibt es an jedem Schiff Sachen die gut und andere, die noch zu regeln sind. Jeder Eigner und erfahrene Bootskäufer weiß das. Warum also nicht gleich die Fakten auf den Tisch packen? Ich denke dieses Vorgehen schafft Vertrauen und spart dem Verkäufer und Käufer Zeit.

Wenn die Bugwelle zu groß ist

Ich war gerade beim Auftakeln, als er zur Besichtigung kam. Bald ging das Gemäkel los. In einem Ton, den ich unpassend fand. Ich hörte es mir eine Viertel Stunde an. Dann bat ich den Interessenten, mal einen Spaziergang ums Hafenbecken zu machen und mir danach zu erklären, ob er das Schiff zum genannten Preis kauft oder nicht. Ich bin bis heute dankbar, dass er den Wert des Bootes nicht gesehen und mit Kleinigkeiten genervt hat.

Zur Frage, ob er mit dem Boot umgehen kann, kamen wir erst gar nicht. Es wäre mir wichtig gewesen, auch wenn ich den Interessenten nicht gecastet hätte wie Herr Dr. Müller bei der Bodensee Rund Um. Nun lässt sich der unangenehme Interessent nur nach Hause schicken, wenn das Boot verkauft werden kann, nicht muß. Deshalb ist es besser, das Boot rechtzeitig anzubieten.

Nidelv 28 mit farblich passenden Gardinen im norddeutschen Winterlager
Nidelv 28 mit farblich passenden Gardinen im norddeutschen Winterlager © Privat

Die dritte Geschichte ist eine, wo sich der Käufer geschickter angestellt hat. Vor zwei Jahren sah sich ein Norddeutscher altershalber nach einem soliden Motorboot um. Nach beharrlicher Suche entdeckte er eine Nidelv 28 in ausgezeichnetem Zustand. Es war sofort klar, das dieses Boot bis hin zu den himmelblauen Gardinen zu den Vorstellungen seiner Frau und seinen passte. Das Boot war gepflegt und ringsum sauber. Es gab Ersatzteile, eine Mappe mit Bedienungsanleitungen und den Rechnungen der gemachten Wartungsarbeiten. Perfekt.

«Askia» in den ostdeutschen Boddengewässern
«Askia» in den ostdeutschen Boddengewässern © Privat

Dummerweise gab es während der Corona-Zeit mit enormen Reisebeschränkungen und entsprechendem Run auf Boote mehrere Interessenten. Sie waren auch bereit, deutlich mehr als den geforderten Preis zu zahlen. Anstatt da mitzubieten, machte er der Verkäuferin mit seiner bodenständigen Art und Schilderung seines Lebens als Handwerker und Segler klar, dass er der richtige für das Boot ist. Gemeinsam mit ihrem mittlerweile verstorbenen Mann hatte die Witwe viele Sommer an Bord verbracht. Das Boot hatte eine Weile in der Halle gestanden. Der Verkauf stand an - und fiel ihr zugleich schwer. Sie wollte eine reibungslose Kaufabwicklung und sicher sein, dass «Askia» weiterhin gepflegt wird und erhalten bleibt.

Da braucht es mehr als Geld, ein wenig Sensibilität, wenn dem Verkäufer das Boot noch viel bedeutet. Natürlich gab es nach Übernahme des Bootes auch die eine oder andere Überraschung, beispielsweise die Sache mit dem Herd. Doch hat der Käufer die Witwe damit nicht behelligt. Er hat den Herd des Bootes auf seine Kosten repariert, weil sowas zum erwartbaren Verschleiß gehört. So freundlich und fair lässt sich ein Verkauf auch abwickeln.

Der Erlös ist eben nicht alles. Und wie schön ist es für den Käufer, wenn die kostbare Zeit an Bord mit einer schönen, gern erinnerten Geschichte beginnt.

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VG