Praxis8 min Lesezeit
Welchen Bootsführerschein brauche ich für den Bodensee?
Was Deutsche, Österreicher und Schweizer zum Bodenseeschifferpatent wissen sollten
Warum es mit dem Bodenseeschifferpatent einen speziellen Bootsführerschein gibt. Was man dazu büffeln und bei der Prüfung vorführen muss. Unterschiedliche Regelungen für Deutsche, Österreicher, Schweizer und den Hochrhein. Erleichterungen für Bodensee-Bootsurlauber.
Von Erdmann Braschos, veröffentlicht am 02.03.2022, aktualisiert am 02.10.2024
Das erwartet Sie in diesem Artikel
- Meteorologische und nautische Besonderheiten des beliebten Gewässers
- Bodensee-spezifische Limits bezüglich Motorisierung und Segelfläche (6 PS und 12 qm)
- das Bodenseeschifferpatent in den Versionen A und D
- wie die Theorie und wie die Praxis geprüft wird
- zusätzliche Prüfungsfragen für Österreicher
- welche weiteren Regeln für Deutsche, Österreicher und Schweizer gelten
- das Ferienpatent für deutsche und österreichische Bootsurlauber
- Zusatzprüfung zum Hochrheinpatent zwischen Stein/Rhein und Schaffhausen
Artikel vorlesen lassen
Bodenseeschifferpatent
- Für das Bodenseeschifferpatent der Kategorie A müssen Motorbootfahrer oder Segler mit einem Motor ab 6 PS 367 Fragen büffeln.
- Segler ab 12 qm Segelfläche lernen für die Kategorie D weitere 90. Das ergibt ein stattliches Pensum von 457 Fragen und Antworten.
- Österreicher müssen zusätzlich 12 allgemeine Fragen und acht weitere Segelfragen lernen.
- Für die Zusatzprüfung für das sogenannte Hochrheinpatent zum Befahren des Rheins zwischen Stein am Rhein und Schaffhausen sind 44 Fragen zu lernen.
- Hinzu kommen die jeweiligen praktischen Prüfungen.
Der Bodensee ist in vieler Hinsicht ein einzigartiges Gewässer. Er liegt zwischen den deutschen Bundesländern Bayern und Baden-Württemberg, den schweizerischen Kantonen Schaffhausen, Thurgau, St. Gallen und dem österreichischen Vorarlberg. Im Osten von der Bregenzer Ach und dem Rhein mit frischem Wasser aus den Alpen versorgt, befindet er sich 395 Meter über dem Meeresspiegel.
Das Gewässer ist so groß, dass sich an Tagen mit guter Sicht auf der Strecke von der Bregenzer Uferpromenade bis Konstanz bereits die Erdkrümmung bemerkbar macht. So gesehen ist der Bodensee fast schon ein kleines Meer. Vom Vorarlberger Ufer im Osten bis Ludwigshafen ganz im Westen ist er 63 Kilometer lang. Von Friedrichshafen am Nordufer und Arbon am gegenüberliegenden schweizerischen Ufer sind es immerhin 14 Kilometer. Es ist für Nautiker, die nicht aus dem Binnenland kommen, erstaunlich, dass die Entfernungen und die Geschwindigkeiten hier nicht in Seemeilen und Knoten gemessen werden, sondern in Kilometern und km/h. So ist es sonst auch auf Binnenwasserstraßen üblich.
Es gibt herrlich sauberes Wasser und ein fantastisches Alpenpanorama. „Vom See aus gesehen sind die einander ermöglichenden Hügel noch schöner als beim Spazierengehen“ schwärmte der gebürtige Wasserburger und Bodenseeliebhaber Martin Walser einmal für seine Heimat. Tja, und wenn sich dann an schönen Tagen das dramatische Alpenpanorama des Säntis zeigt, kommt zumindest der Bodenseeurlauber und Besucher aus dem Norden aus dem Staunen kaum heraus. Mit einem flach gehenden Boot könnte man am Bodensee wochenlang jeden Abend einen anderen Hafen anlaufen, so viele Möglichkeiten bietet das Gewässer. Sehenswert sind auch die beliebten Halbinseln Lindau, Mainau und die Reichenau.
Tolles Revier mit einigen Besonderheiten
Am Übergang des sogenannten Obersee zum Untersee wird der Bodensee ab dem Konstanzer Trichter wieder zum Rhein. Hier ist er ein idyllisch gewundenes Fahrwasser und Paradies für Motorbootfahrer. Es ist in diesem Zusammenhang vielleicht interessant, dass der Wasserstand des Untersee 16 - 20 Zentimeter unter dem des Obersee liegt.
Der Bodensee hat mehrere Naturschutzgebiete mit eindeutigen Befahrensregeln. Hinzu kommt sein variabler Wasserstand, was bei der Passage von Brücken und der Ansteuerung der Häfen wichtig ist. Wer das große Glück hat, an diesem gefragten Gewässer einen Liegeplatz zu haben, weiß ein Lied davon zu singen.
Speziell sind am Bodensee auch die Wetterverhältnisse des Alpen-nahen Gewässers mit heftigen hochsommerlichen Gewittern und gelegentlichen Föhnstürmen. Zwar ist die typische Föhnwetterlage absehbar und wird auch entsprechend angekündigt. Sie verwandelt das östliche Drittel des Bodensee schlagartig in ein Inferno mit fliegender Gischt und ruppig steilem Seegang. Es ist gut, wenn man bei solchen brutalen Bedingungen weiß, wie man sich verhält.
Hinzu kommt, dass der See ein internationales Gewässer mit eigenen Vorschriften ist, der sogenannten Bodensee Schifffahrts-Ordnung, kurz „BodenseeSchO“ genannt.
All diese Besonderheiten, die Wasserstände, Seezeichen, die jeweiligen Ausweichregeln, die Warnsignale für die gefürchteten Föhnstürme und auch spezielle Regelungen für Österreich und die Flussabschnitte sollte man kennen. Deshalb gibt es das sogenannte Bodenseeschifferpatent in zwei maßgeblichen Varianten für den Freizeitkapitän, ergänzt um eine Zusatzprüfung für die Hochrheinstrecke zwischen Stein am Rhein und Schaffhausen.
Das Bodenseeschifferpatent der Kategorie A gilt für die motorisierte Fortbewegung ab 4,4 kW (6 PS). Wer ein Segelboot mit mehr als 12 qm Segelfläche bewegt, benötigt das Bodenseeschifferpatent der Kategorie D. Es ist in diesem Zusammenhang wissenswert, dass es mit der Kategorie B für Fahrgastschiffe und Kategorie C für Güterschiffe noch zwei weitere Bodenseeführerscheine gibt.
Es gibt also einen See mit drei unterschiedlichen Führerscheinvorschriften. Deutsche und Österreicher müssen das spezielle Bodenseeschifferpatent machen, Schweizer nicht. Für den Eidgenossen genügt das national gültige Schifferpatent, wie es für alle Gewässer des Landes gilt.
Was lernt nun, wer diesen speziellen Führerschein für das Gewässer machen möchte? Es gibt im Prinzip sieben Themen:
- Revierkunde mit allem Wissenswerten zu den Naturschutzgebieten
- Bodensee-Wetterkunde mit Beschreibung der üblichen Wetterlagen (thermisch bedingte Land- und Seewinde), wie Gewitter entstehen und sich ankündigen, Föhnwetterlagen, Sturmwarnsignale rings um den See
- Bodensee-Navigation Umgang mit Karte und Kompass, Umrechnen der aktuellen Bodensee-Wasserstände in jeweilige Tiefe unter dem Boot bei der Ansteuerung von Häfen oder Durchfahrtshöhe bei Brücken
- Fahrwasser- und Schifffahrtszeichen: Wo was alles verboten beziehungsweise erlaubt ist und wie die jeweiligen Schilder aussehen
- Lichterführung bei Ruder und Segel- und Motorbooten, Fischern, Schleppverbänden, Polizei, Rettungsdienst, verankerten Anlagen und Lichterführung auf den Rheinstrecken, Tragweiten weißer, roter und grüner Befeuerungen
- Grundlagen für Segler: Rumpfformen, Takelungsarten, Besegelung, Reffen, Ausrüstungen und Beschläge, Tauwerk und Verarbeitung, Knotenkunde. Theorie und Praxis des Segelns wie verschiedene Kurse, physikalische Prinzipien, Segeln setzen, Segeltrimm, Segel bergen, Ab- und Anlegemanöver, Aufschießer, Festmachen, Mensch über Bord, Verhalten im Sturm, Schleppen und geschleppt werden, Wissenswertes rund ums Ankern
- Grundlagen für Motorbootfahrer: Bootstypen wie Verdränger und Gleiter, Motorenkunde für Benzin- und Dieselmotoren, Zwei- und Viertakter, Batterie, Landstrom, Schaltung, Wissenswertes zum Propeller wie Durchmesser und Steigung, linksgängig und linksdrehend, Radeffekt, Ein- und Zweikreiskühlung
- Wissenswertes zur Gasanlage und zum Kraftstofftank, Brandschutz an Bord
- Manöver mit dem Motorboot, Ablegen vom Steg, der Boje, Drehen auf engem Raum, Anlegen am Steg, der Boje, Anlegen bei unterschiedlichen Wind- und Strömungsverhältnissen, Mensch beziehungsweise Boje über Bord Manöver
- Ausweichregeln auf dem Bodensee, Mindestabstände gegenüber Vorrangschiffen, Schleppverbänden und Berufsfischern
- Fahrregeln auf den Rheinstrecken, Vorschriften bei Begegnungen auf dem Rhein, Regelungen für stromaufwärts und stromabwärts fahrende Schiffe, bei Hafeneinfahrten
Für die Kategorie A sind die Antworten zu 367 Fragen zu lernen, für die Kategorie D muss der Segler weitere 90 Antworten kennen, zusammen also 457. Österreicher müssen zusätzlich 12 allgemeine Fragen und acht weitere Segelfragen beantworten können.
Für die Zusatzprüfung zum Befahren der Hochrheinstrecke zwischen Stein am Rhein und Schaffhausen kommen 44 Antworten hinzu.
Die theoretische Prüfung erfolgt schriftlich per Multiple Choice Fragebogen. Man hat bei der Prüfung 60 Minuten für den Theorieteil für Fahrzeuge mit Maschinenantrieb (A) Zeit, 20 Minuten für den Segelteil, 15 Minuten für die Fragen zur Hochrheinstrecke.
Bei der praktischen Prüfung ist die Handhabung des Motorbootes, Manöver, Knoten etc. vorzuführen:
- Anlegen mit der Backbordseite
- Anlegen mit der Steuerbordseite
- Ablegen mit der Backbordseite
- Ablegen mit der Steuerbordseite
- Steuern verschiedener Kurse
- Mensch-über-Bord-Manöver
- Wenden auf engem Raum
- Ausweichmanöver zeigen, Schallsignale geben
- Einlaufen in eine Box vor- oder rückwärts
- weitere Manöver wie beispielsweise Ankern
- Knoten zum Abschleppen
- Knoten zum Festmachen des Bootes
- Navigation
Praxis Segeln:
- Mensch-über-Bord-Manöver mit Halse
- Mensch-über-Bord-Manöver mit Q-Wende
- Anlegen und Ablegen
- Wenden
- Halsen
- Schiften
- Beidrehen
- Segelsetzen und Bergen
- Segelführung
- Bootsführung, d. h. es werden verschiedene Kurse gesegelt, Ankermanöver, klare Kommandosprache
- Knoten zum Abschleppen
- Knoten zum Festmachen des Bootes
Während der überwiegende Teil des Fragenkatalogs für das Bodenseeschifferpatent sinnvoll ist, weil er dem Einsteiger wissenswerte Grundlagen und zugleich wichtige Zusammenhänge vermittelt, erscheinen manche Anforderungen fragwürdig. Wozu sollte man auf den relativ kurzen Distanzen des Bodensee den Kurs um die zwar vorhandene, jedoch zu vernachlässigende magnetische Missweisung von am Bodensee derzeit circa 4° korrigieren? Das spielt in der Praxis keine Rolle. Wozu, außer zum Bestehen der Zusatzprüfung für den Hochrhein, sollte der Prüfling etwa die Frage 464 beantworten können: Welcher Fluss mündet gegenüber Rheinklingen in den Rhein? Oder insbesondere die Frage 485 nach der Lage der Untiefe Wellenstein. Hier schafft das Bodenseeschifferpatent unnötige Hürden. Muss man wirklich die Nummerierung der Seezeichen am Schweizer Ufer von der Rheinmündung bis Kreuzlingen auswendig wissen, oder jene entlang des deutschen und österreichischen Ufers?
Übliche Revier-bezogene Informationen entnimmt jeder Nautiker überall auf der Welt der Karte. Eine Verschlankung der Prüfungsinhalte täte dem Bodenseeschifferpatent gut.
Schweizer Skipper benötigen zum Befahren des Bodensee kein spezielles Bodenseeschifferpatent. Hier genügt der landesweit übliche Bootsführerschein für Motor- oder Segelboote. Österreicher benötigen wie deutsche Skipper das Bodenseeschifferpatent. Hierzu wenden sich Österreicher an die Bezirkshauptmannschaft Vorarlberg/Bregenz.
Das Ferienpatent für den Bodensee (Deutschland und Österreich)
Hier handelt es sich um eine urlauberfreundliche Sonderregelung für Bodenseebesucher: Für bis zu einem Monat im Jahr kann sich der deutsche Inhaber eines deutschen SBF-Binnenführerscheins, eines SBF-See oder eines Sportküstenschifferscheins für eine Gebühr von einem Schifffahrtsamt am Bodensee das sogenannte „Ferienpatent“ ausstellen lassen.
Solch eine Regelung gibt es auch für österreichische Bootsurlauber, die nur das national vorgeschriebene Schiffsführerpatent 10 m haben, nicht jedoch das Bodenseeschifferpatent. Sie beantragen bei der Bezirkshauptmannschaft Vorarlberg/Bregenz ebenfalls ein Ferienpatent. So können sie bis zu 4 Wochen im Jahr auch auf dem Bodensee und dem österreichischen Rhein fahren.
Das Hochrheinpatent
Wer den Rhein auf der Strecke zwischen Stein am Rhein vom ersten Fahrwasserzeichen unterhalb der Straßenbrücke bis zur Straßenbrücke Schaffhausen-Feuerthalen befahren will, benötigt gemäß Artikel 12.10 der Bodensee-Schifffahrt-Ordnung einen weiteren speziellen Führerschein allein für dieses Gewässer. Für das deutsche Hochrheinpatent wird eine theoretische und eine praktische Prüfung abgelegt. Folgende Manöver und Themen werden geprüft:
- Anlegen bei Berg- und Talfahrt
- Mensch über Bord
- Manöver im Strömungsgewässer
- Streckenkunde
- Verhalten Berg- und Talfahrt
Für die praktische Prüfung muss ein Schiff mit Schiffsführer gestellt werden, wobei der Schiffsführer natürlich selbst Inhaber des Hochrheinpatents sein muss. Die Anmeldung zur Hochrheinprüfung erfolgt schriftlich beim Schifffahrtsamt Bodenseekreis. Wissenswert in diesem Zusammenhang ist, dass es zwei verschiedene Hochrheinpatente gibt. Das deutsche Hochrheinpatent ist nicht zu verwechseln mit dem schweizerischen, welches auf einer anderen Strecke, nämlich zwischen Basel mittlere Rheinbrücke bei Rheinkilometer 166,64 und Rheinfelden Straßenbrücke bei Rheinkilometer 149,22 gilt.