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Bowdenzüge nicht vergessen
Prüfen Sie gelegentlich die Bowdenzüge und legen sich Ersatz ins Schapp
Im Sommer machte mich ein Techniker bei der Durchsicht meines Dreizylinder-Diesels auf einen gerissenen Gaszug aufmerksam. Mir war aufgefallen, dass der Motor das Gas schlecht annimmt. Die Bowdenzüge für Gas und Getriebe waren zwar alt, äußerlich aber in Ordnung.
Von Erdmann Braschos, veröffentlicht am 23.12.2020, aktualisiert am 02.10.2024
Das erwartet Sie in diesem Artikel
- warum der Eigner die Bowdenzüge für das Getriebe, den Gashebel und die Stoppvorrichtung seines Motors kennen sollte
- wann neue Züge fällig sind
- Tipps zur Auswahl neuer Züge
- welche Installation lange hält
- was es kostet und wie viel Arbeit es macht
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Im dänischen Spodsbjerg gibt es eine enge Gasse, in der das lange Boot beim Ablegen zu drehen ist. Beim Bremsen nach zügiger Rückwärtsfahrt wegen Seitenwind gelang es haarscharf, das Heck vor den gegenüberliegenden Angelbooten zum Stehen zu bringen. Fand ich komisch, dachte mir aber zunächst nichts dabei.
Nun waren die Bowdenzüge für Gas und Getriebe zwar gut drei Jahrzehnte alt, äußerlich aber in Ordnung. Sie sind an Bord einer gern und fast ausschließlich gesegelten Segelyacht mit entsprechend wenig Motor-Betriebsstunden eingebaut. Bei einem Charterboot, einem Motorsegler oder der Motoryacht ist diese Lebensdauer unwahrscheinlich. Das sind die Bowdenzüge deutlich früher fällig.
Nach dem Wechsel berichtete der Monteur, dass Unfälle infolge verpatzter Anlegemanöver wegen gerissenen Gaszügen und Schaltkabeln vorkommen. Versagt solch ein unscheinbarer Bowdenzug im ungünstigen Moment beim Aufstoppen des Bootes, rumst es. Dabei verletzen sich Helfer beim Versuch, das ungebremst in die Box schiebende Boot zu stoppen. Vor einer Weile bretterte eine große Motoryacht deshalb in die Schleuse von Hooksiel.
Schauen wir uns also zunächst einmal an, um welche Bowdenzüge es überhaupt geht: Bei der Tourensegelyacht gibt es üblicherweise drei. Die Bowdenzüge verbinden das Schaltpanel in der Plicht mit der Maschine und dem Getriebe. Bei der üblichen Einhebelschaltung gibt es zwei Züge. Einmal den zum Gas geben und den Zweiten für das Getriebe. Hinzu kommt der Dritte zum Abschalten der Maschine. Dessen Hebel ist bei der Segelyacht meist unabhängig vom Schaltpanel irgendwo versteckt im Cockpit untergebracht. Mit diesem Bowdenzug wird der Bootsdiesel per Dekompression ausgeschaltet.
Jeder kennt die Technik von den Bremszügen am Fahrrad. Im Unterschied dazu ist der Verschleiß der Bowdenzüge an Bord nicht zu sehen, weil sie wie beschrieben versteckt eingebaut sind. Wer kriecht schon unter Deck, nimmt Verkleidungen ab oder öffnet das Steuerpult und sieht sich das an? Was funktioniert wird so lange nicht angeschaut, bis es den Geist ausgibt. Es gibt Installationen, die lange, quasi ewig halten, weil die Bowdenzüge schön gerade von der Schaltung geführt sind. Gerade bei der Übernahme eines alten Gebrauchtbootes lohnt es sich, das einmal anzuschauen. Meistens reißt der Zug dort, wo er von der starren Hülse gekrümmt in die biegsame Ummantelung geführt ist.
Zwar soll man an Bord nicht präventiv Dinge reparieren, die vielleicht eines Tages mal kaputtgehen könnten. Wenn aber der Gaszug schon gerissen ist, ist der ebenso alte Schaltzug zeitnah fällig. Da ich lieber weiß, wie es geht und solche Arbeiten am Boot ungern bezahle, wechselte ich den zweiten Bowdenzug dann selbst.
Leider ist der Wechsel eines Gas- oder Schaltzugs eine ziemliche Fummelei. Sie beschäftigte mich drei Stunden. Meist müssen unter Deck Verkleidungen des Interieurs abgenommen werden, um an die Bowdenzüge und die Rückseite der Einhebelschaltung im Fußraum der Plicht, seitlich im Süll oder an der Steuersäule zu kommen. Die Enden des Schaltzugs stecken bei Volvo als metrische M5 Gewinde in kleinen Gelenken. Die Stiftsplinte zum Abnehmen der Gelenke sind an der Rückseite der Schaltarme schlecht zugänglich. Das ist dann eine üble Popelei.
Zum Ausbau des alten Schaltzugs zerlegte ich den Mechanismus meiner Volvo Penta Einhebelseitenschaltung von der Rückseite teilweise. Bei der Gelegenheit wurde deutlich, warum ich an Bord möglichst viel selbst mache. Den zuvor gewechselten Gaszug hatte der Monteur ernsthaft um die Spritleitung gelegt. Als ich ihn später bei einem Telefonat darauf angesprochen habe, erhielt ich eine Antwort, die ich hier rücksichtshalber nicht wiedergebe. Es ist nicht zu fassen! In diesem Zusammenhang mache ich auf den Beitrag Wie viel selbst machen aufmerksam.
Bowdenzüge sind ab 5 Fuß Länge (150 cm) in 30 cm Schritten aufwärts erhältlich. Bei Vetus gibt es sie ab 1 Meter aufwärts bis etwa 10 m. Zur Orientierung bei der Bestellung: Nenngröße ist immer die gesamte Länge, also von Ende des Gewindes bis zum anderen Gewindeende. Achten Sie bei der Bestellung des neuen Bowdenzugs auf das Gewinde selbst. Auch hier steckt der Teufel im Detail: Bei Außenbordmotoren und amerikanischen Maschinen sind zöllige Gewinde üblich. Mit folgendem Kniff finden Sie das rasch heraus. Das Gewinde lässt sich mit einer Mutter aus der Schraubenkiste an Bord leicht prüfen. Damit der vorhandene Bowdenzug für die Bestellung des Reservezugs nicht ausgebaut werden muss (eine zeitaufwendige Geschichte, die Sie sich sparen sollten), hilft es, eine Schraube neben das Ende des vorhandenen Zuges zu halten und die Gewinde zu vergleichen.
Wer sich mangels Zeit und Lust nicht in diese Feinheiten vertiefen möchte, legt den ausgebauten Bowdenzug dem nächstbesten Händler auf den Tresen. Etwa für den halben Preis und etwas Zeit bestellt man den Zug im Internet. Es ist also clever, sich damit bei der Stilllegung des Bootes im Herbst oder anlässlich einer anderen längeren Liegezeit zu beschäftigen.
Empfehlenswert sind die blau ummantelten Bowdenzüge von Ultraflex oder Vetus. Sie lassen sich im Vergleich zu alten, relativ starren Zügen besser biegen und entsprechend gut verlegen. Ich hatte zunächst einen recht starren Schaltzug von Volvo gekauft, diesen aber aus dem erwähnten Grund wieder zurückgegeben. Denn Bowdenzüge lassen sich unabhängig vom Motorfabrikat ersetzen. Ist der Schalthebel an der Steuersäule nah am Kompass angebracht, sollten Sie unbedingt auf eine nicht magnetische Ausführung achten. Auch das lässt sich leicht mit Bordmitteln herausfinden. Prüfen Sie es sicherheitshalber mit einem kleinen Magneten, der sich für solche Zwecke ohnehin an Bord befinden sollte. Wichtig in diesem Zusammenhang ist es zu wissen: Die Bowdenzüge der Stopvorrichtungen/Absteller sind in der Regel leider alle magnetisch.
Haben Sie ein gebrauchtes Boot übernommen oder planen Sie eine lange Reise, messen Sie die vorhandenen Bowdenzüge aus und legen Sie passende Reservezüge an Bord. Reißt ein Zug unterwegs, tauschen Sie ihn kurzerhand selbst. Das ist besser, als das dringend benötigte Ersatzteil mit dem Taxi oder Mietwagen zu beschaffen.
Reißt der Bowdenzug unterwegs auf dem Wasser, kommen Sie mit folgendem Trick zurecht: Der Vorwärts- oder Rückwärtsgang und die Motordrehzahl werden von einem technisch versierten Begleiter im geöffneten Motorraum von Hand eingestellt. Dazu wird der alte Bowdenzug von der Maschine oder dem Getriebe abgenommen. So bringen Sie das Boot unbeschädigt an einen Liegeplatz.
Ich habe vor Ewigkeiten mal eine Führerscheinprüfung in einer betagten Hafenbarkasse absolviert, wo der Vor- und Rückwärtsgang mit einem Hammer eingelegt wurde.
Üblicher als ein gerissener Bowdenzug ist ein schwergängiger Knopf der Saildrive-Einhebelschaltung zum Aus- und Einkuppeln des Motors. Der rote Knopf sitzt in der Mitte des Schalthebels und lässt sich von der Rückseite mit Sprühfett wie WD40 gängig machen.
Bleibt die Frage, wie lange ein Bowdenzug an Bord hält. Der in Bremen ansässige Servicetechniker Mirko Bruene berichtet: «Es kommt darauf an, wo und wie der Zug montiert ist. Ist er zur Steuerung etwa eines Außenborders durch das Heck geführt und Seewasser ausgesetzt, altert er eher als ein komplett unter Deck, tätiger Zug. Wichtig ist, dass er in möglichst großen Radien verlegt ist. Wurde er in engen Biegungen und unter Spannung verlegt, hat er eine kürzere Lebensdauer. Bei einer Motoryacht, die zu üblichen Freizeitzwecken genutzt wird, sollten die Züge nach zehn Jahren gewechselt werden.» Volvo-Spezialist Dietmar Pauls aus Kappeln dazu: «Entscheidend ist, dass die Kerbe richtig in der Kralle sitzt. Wir sehen immer wieder Züge, deren Hülsen nicht richtig fixiert sind. Auch sollte der Zug vom Schalthebel beziehungsweise Motor oder Getriebe möglichst gerade abgehen.» Zur eigenen Sicherheit lohnt es sich, mal einen Blick in den Motorraum und hinter die Armatur des Schalthebels zu werfen.
So geht es
- die Bowdenzüge mit einem Bandmaß an Bord ausmessen
- Gewinde ermitteln
- Länge der Gewindestange und ihren Hub messen
- alte Einstellungen, Abstände im Leerlauf, vorwärts, rückwärts fotografieren oder notieren
- die Aufnahme des Schaltzugs im Gelenk fotografieren
- Kontermutter an der Gewindestange am Gelenk lösen
- Gelenk des Schaltzugs am leichter zugänglichen Ende ausbauen. Dazu muss der Schaltmechanismus teilweise demontiert werden
- die Schaltzug-Hülse ist mit einer Kerbe in einer Art Kralle am Getriebe und Schalthebel arretiert (Klemmring abnehmen, bzw. Hülse vorsichtig aus der Kralle heraushebeln)
- nach Demontage eines Schaltzugendes das andere Ende herausdrehen
- bei der Gelegenheit die Mechanik der Einhebelschaltung schmieren
- alles wieder zusammenbauen, Bowdenzug an den Enden mit Kontermutter sichern
- die Wege des Gaszugs bei laufender Maschine zwischen Leerlaufdrehzahl und Vollgas prüfen und ggf. justieren
- die Funktion des Schaltzugs prüfen
- beim Wechsel des Bowdenzuges für die Stoppvorrichtung die Wege prüfen
Werkzeug
- kleine Maulschlüssel
- Kombi und Spitzzange zum Abziehen der Stiftsplinte
- Schlitzschraubenzieher zum Aufbiegen der Splinte
- kleinen Magneten zur Prüfung des Schaltzugs vor der Montage
Material
- Propellerfett oder langlebiges Spezialfett wie Ballistol (kein WD40, das wäscht aus)
- Bowdenzüge
Unterlagen
- Werkstatthandbücher zum Motor und Getriebe
Suchbegriffe für‘s Internet
- Schaltkabel
- Schaltzug
- Bowdenzug
- Gaszug
- Motorfernbedienungen
- Zug- und Druckkabel
Adressen
- SVB, Spezialversand für Yacht- und Bootszubehör, Bremen
- Bootsmotorenservice Peter Pauls, Kappeln an der Schlei
- Bukh - Technik und Ausrüstung für die Berufs- und Sportschifffahrt, Bremen