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Opferanoden nicht vergessen
Wissenswertes zu diesem meist übersehenen, entscheidenden Bootszubehör

Es ist wie beim Auto oder Haus: Wenn Sie ein Boot übernehmen, müssen Sie sich um Kleinigkeiten kümmern, von denen Sie noch nie gehört haben. Eine davon sind die unscheinbaren grauen Teile, die am Motor, am Getriebe, an der Welle, am Propeller und am Unterwasserschiff montiert sind.
Von Erdmann Braschos
Das erwartet Sie in diesem Artikel
- was Sie über die kleinen grauen Dinger wissen sollten
- warum es Anoden aus Zink, Magnesium und Aluminium gibt
- welche Metalle zu Meerwasser, Brackwasser oder Süsswasser passen
- wann Anoden zu ersetzen sind und wann noch nicht
- eigene Beobachtung zum Materialschwund
- Tipps zur Montage am Saildrive
- Background eines Werkstoffkundlers der TH Aachen
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Rümpfe, Getriebeunterteile und Aussenborder aus Aluminium, ebenso Propeller werden im Salz- und Brackwasser mit Zinkanoden geschützt. Im Süsswasser nimmt man Anoden aus Magnesium. Vorsicht bei Anoden, die nicht zum Wasser passen. Eine Magnesium Anode hat in 25° warmem Meerwasser ein Drittel der Lebensdauer einer passenden Anode aus Zink. Achten Sie beim Gebrauchtbootkauf und Revierwechsel vom Binnengewässer ans Meer und umgekehrt daher auf dieses Detail. Es erspart Ihnen eine üble Überraschung, Ärger, erhebliche Kosten und schlimmstenfalls einen geplatzten Urlaub. Da Anoden nur bei Wasserkontakt funktionieren, werden sie nicht mit Antifouling angestrichen.
Sie sind klein und sitzen dort, wo man sie selten sieht: unter Wasser vor dem Propeller und an der Propellernabe, am Getriebe oder Wellenbock, am Rumpf, Ruder oder Kiel. Oft sind die unscheinbaren grauen Dinger auch versteckt an der Maschine eingebaut oder im Seewasserkreislauf des Kühlaggregats, falls der Kompressor Seewasser gekühlt ist. Wie viele Opferanoden es an Bord gibt, hängt vom Baumaterial, der Ausstattung des Bootes, Sorgfalt der Werft und des Voreigners ab.
Machen Sie sich mit den kleinen grauen Dingern an Bord vertraut
Beim Stahl- oder Aluminiumboot gibt es einige, beim Kunststoffboot meist nur eine Anode am Getriebe und eine zweite am Propeller. Es liegt nahe, dass diese Kleinigkeit bei der Übernahme eines gebrauchten Bootes übersehen wird. Siehe dazu auch die Checkliste für Gebrauchtboote. Das können Sie zunächst auch. Es sei denn, das Schiff lag bei Übernahme lange im Wasser und der frühere Eigner hat sich nicht darum gekümmert. Das kommt vor, weil ein Boot nun mal ein Gebrauchsgegenstand ist, den man in seiner kostbaren Freizeit unbesorgt nutzen möchte.
Fragen Sie den Verkäufer oder Voreigner bei der Übernahme des Bootes danach. Ansonsten genügt ein Blick unter das aufgepallte Schiff. Liegt das Boot im Wasser, ist das Thema mit einem Tauchgang flott geklärt. Bereits ein flüchtiger Blick durch die Taucherbrille langt und Sie wissen, ob und wie sehr die Anode schon „abgebrutzelt“ ist.
Aber warum ist das so? Was passiert eigentlich am Propeller, am Wellenbock, Z-Trieb, an den Trimmklappen oder im Maschinenraum einer Motoryacht? Was geschieht bei der Segelyacht mit Einbaumaschine an der Maschine selbst, am Propeller, der Welle und ihrer Halterung (dem sogenannten Wellenbock) aussenbords, auch am Saildrive? Und warum ist bei Aluminiumrümpfen besondere Sorgfalt geboten?
Zwischen Metallteilen, die mit Wasser in Berührung kommen, fliessen Ströme. Diese Kriechströme ergeben sich aus der unterschiedlichen Eigenspannung der Metalle. Das minderwertigere Metall wird „angegriffen“. Es „brutzelt“ langsam weg. Gibt es keine Anoden oder ist nichts mehr von ihnen übrig, werden der ungeschützte Aluminiumrumpf, der Propeller, ein Wellenbock oder das Getriebe derart vom Lochfrass angegriffen, dass es zum teuren Schaden kommen kann. Ein Aluminiumboot kann deshalb untergehen. Eine genauere Erklärung dazu finden Sie von einem Materialkundler der TH Aachen am Schluss dieses Beitrags.
Ich habe anlässlich dieses Artikels einmal beobachtet, wie viel die Anode meines Saildrive 110 S über einen Zeitraum von drei Jahren mit jeweils fünf bis sechsmonatiger Wasserliegezeit in der Ostsee verliert. Dazu habe ich sie nach dem Auswassern des Bootes abgenommen und gewogen. Eine neuwertige Zinkanode wiegt etwa 960 Gramm. Nach der ersten Saison waren 22 % des Gewichts weg, bislang sind es 35 %. Warum der Materialschwund zunächst schnell begann und sich dann langsam fortsetzte, wird an den unterschiedlichen galvanischen Verhältnissen an verschiedenen Liegeplätzen liegen.
Wenn etwa 2/3 Drittel des Materials vorhanden sind, ist das bei überschaubarer Wasserliegezeit meines Bootes kein Grund, die Anode zu wechseln. Diese Anode kostet derzeit (Stand Dezember 25) 18 € zuzüglich Versand. Es gibt an Bord meines Bootes noch eine zweite Anode an der Nabe des Drehflügel-Propellers aus Bronze. Hier ist der Schwund so gering, dass die im Mai 2007 montierte Anode nach 18 Jahren noch drauf ist.
Der Z-Antrieb eines Motorbootes oder das Alugehäuse des Saildrive-Getriebes können unter Wasser so weit beschädigt werden, dass es zur Leckage kommt. Das Getriebeöl mischt sich mit dem Meerwasser. Eine ziemliche Schweinerei und ein grosser Schaden obendrein. Das Innenleben mit zweifacher Kegelradübertragung vom Motor zum Propeller und empfindlichen Lagern ist auf einwandfreie Schmierung angewiesen.
Dann fällt der Urlaubstörn aus, weil sich das selten flott beheben lässt. Vom Schrecken und den Kosten für den Krantermin, Aus- und Einbau, nicht zuletzt das zerstörte Getriebegehäuse selbst, ganz zu schweigen. Saildrive-Getriebeunterteile aus Aluminium sind heute bei modernen Segelyachten so üblich wie der Z-Trieb bei mittelgrossen Motoryachten.
Saildrive und Z-Getriebe aus empfindlichem Aluminium sind bei Segel- und Motorbooten üblich
Das beschädigte Teil muss beschafft und eingebaut werden. Auch wenn es gut läuft und der Händler oder der örtliche Monteur das passende Zubehör ohne Verzögerungen rasch bekommt, kann es einige Tage, eher Wochen dauern, bis das Boot wieder einsatzbereit ist. Je nach Location und Andrang in der Saison ist es schwierig, überhaupt einen Krantermin zu bekommen. Auch benötigt die Marina Platz, um das Boot an Land abzustellen. Beim Segelyacht-üblichen Saildrive muss der Motor ausgebaut und mindestens angehoben werden oder komplett aus dem Schiff raus.
Wie funktioniert nun so eine Anode? Um das Boot, das Innenleben der Maschine, das Getriebe oder den Seewasser gekühlten Kompressor zu schützen, ist am gefährdeten Metall ein sogenannt „unedleres“, minderwertigeres Metall montiert, die sogenannte Opferanode. Die wird zu gegebener Zeit durch eine neue ersetzt.
Motoryachten aus Kunststoff haben Anoden aussenbords üblicherweise am Z-Trieb oder auf der Welle, am Propeller und den Trimmklappen. Ob es im Maschinenraum weitere Anoden gibt, hängt von der Maschine ab. Hier bringt ein Blick ins Handbuch Klarheit. Bei der üblichen Motorinstallation einer Segelyacht sind das Getriebe und der Propeller jeweils separat geschützt. Weitere Anoden können am Wärmetauscher der Seewasser gekühlten Kühlbox sitzen. Die Kühlung über das Meerwasser ist bei Yachten üblich, die in warmen Revieren wie Mittelmeer oder Karibik liegen.
Wenn Sie ein neues oder gebrauchtes Boot übernehmen, fragen Sie die Werft, den Verkäufer oder Voreigner danach. Fehlen die Betriebsanleitung zum Boot und zur Maschine, beschaffen Sie sich das Manual zum Motor und Getriebe bei nächster Gelegenheit. Diese Kleinigkeit lässt sich meist per Mausklick zu Hause via Internet über die Downloadseiten der Hersteller erledigen.
Machen Sie sich also bald mit der Maschine vertraut. Fotografieren Sie die Typenschilder mit den Seriennummern des Motors und Getriebes. Notieren Sie sich die Bestellnummern der entsprechenden Anoden, bestellen die Verschleissteile (dazu einen Satz extra als Vorrat, bei längeren Törns mehr) und legen Sie sie zu den Motorersatzteilen an Bord.
Wenn Sie keine Lust und Zeit dazu haben, wenden Sie sich einfach an die Motorvertretung oder den Bootshändler Ihres Vertrauens. Der lebt vom Ersatzteilverkauf und kann Ihnen die Teile flott nennen.
Die Anoden müssen zum Aussenborder, Z-Trieb oder Saildrive passen. Fahrtensegler, die unterwegs unabhängig sein möchten, haben an Bord ein Fach mit üblichen Ersatzteilen wie Keilriemen, Motoröl und Getriebeöl und auch Spezialwerkzeug. Da gehören bei langen Reisen zwei oder drei neue Anoden rein. Der Materialschwund nimmt entsprechend der zunehmenden Technisierung von Yachten zu.
angefressene Anoden müssen nicht gleich gewechselt werden
Bootsausrüster behaupten gerne, Opferanoden müssten jede Saison gewechselt werden. Das ist übertrieben. Sehen Sie sich die Anoden ab und zu im Lauf der Saison oder bei einem längeren Törn an. Schnappen Sie sich beim Stopp in der Bucht die Badehose, siehe dazu den Beitrag mit Taucherbrille und Pfannenwender und gucken, wie viel noch da ist.
Wie Sie die Anoden zur Not im Wasser erneuern
Handwerklich geschickte Eigner wechseln die Anode auch unter Wasser. Bei aussen an der Bordwand angebrachten Anoden ist das einfach, weil dazu lediglich zwei leicht zugängliche Muttern zu lösen sind. Schwieriger ist es bei Anoden am Saildrive, weil dazu meist der Propeller zu demontieren ist. Es ist nur im Notfall empfehlenswert, bei knapper Bordkasse und an einem Ankerplatz mit wenig Tiefgang.
Am besten machen Sie es zu zweit, wobei einer den Propeller hält, abnimmt und später bei der abschliessenden Montage beim Kontern hilft. Suchen Sie sich dazu eine flache Bucht mit Sandboden aus, wo Sie abrutschendes Werkzeug oder wertvolle Teile auf dem Grund finden. Es ist allemal günstiger, die Anoden im Wasser zu wechseln, als dafür einen teuren Travellift zu buchen. Ich habe ab und zu einen Festpropeller unter Wasser montiert. Beim aufwändigen Drehflügler, der aufwändig mit speziellen Anzugsmomenten der Kontermutter, die wiederum mit kleinen Madenschrauben zu sichern ist, würde ich das im Wasser nicht versuchen.
Die Beschäftigung eines Tauchers mit Pressluftflasche ist günstiger als der Travellift. Den Propeller sollten Sie mit gekonterten Muttern oder anderweitigen Sicherungen selbst montieren oder den sicheren Sitz abschliessend auch selbst prüfen. Ich habe in meinem Seglerleben zwei Propeller wegen Murks verloren. Einer liegt an der spanischen Costa Blanca. Der Zweite an der ligurischen Küste zwischen Bocca di Magra und Viareggio. Ein teurer Spass.
Vorsicht mit festsitzenden Schrauben
Wird das Boot den Winter über aus dem Wasser genommen, ist die Prüfung an Land vergleichsweise bequem und flott gemacht. Ich hatte vor Jahren nach längerem Betrieb des Bootes mal beim Abnehmen einer zerfressenen Anode Schwierigkeiten, weil die Edelstahlschrauben im Aluminium des Saildrive fest gebacken waren. Die Anoden zum Schutz des Saildrive sind mit Inbusschrauben montiert. Die 6 mm Schraubenstümpfe mussten ausgebohrt werden. Es wurden grössere M8 statt M6 Schrauben in neu geschnittene Gewinde eingesetzt. Versierte Mechaniker drehen die Stümpfe abgerissener Schraubenköpfe mit einem Spezialwerkzeug raus.
Dieses Detail zeigt nach meiner Beobachtung stellvertretend für viele Wartungs- und Routinejobs an Bord: Es ist besser, sich mit solchen eigentlich einfachen Sachen rechtzeitig im Herbst zu beschäftigen als kurz vor dem Krantermin im Frühjahr ins Schwitzen zu kommen.
Montieren Sie die Anoden mit Molykote
Streichen Sie die Gewinde der Niroschrauben vor der Montage im Aluminium des Saildrivegehäuses mit Molykote oder einer ähnlichen Paste ein. Dann lassen sich die Schrauben auch nach Jahren noch lösen. Vor einer Weile konnte ich anlässlich einer Motorüberholung die Schrauben problemlos aus dem Getriebeunterteil meines Saildrive lösen, weil ich die Gewinde vor Jahren entsprechend behandelt hatte. Eine Tube Gewindepaste für ganze 13 € gehört an Bord.
Die Alternative zu Zink sind bei Stahlschiffen Anoden aus Aluminium. Sie halten länger und sind bei Brackwasser und beim Mischbetrieb in Salz- und Süsswasser empfehlenswert. Bei Süsswasser werden Magnesium Anoden genommen.
Bei Stahl- oder Aluminiumbooten orientieren folgende Richtwerte zu den dem Wasser ausgesetzten Metalloberflächen in Quadratmetern zum circa Gewicht der Zinkanode in Kilogramm:
- 5 bis 10 qm ≈ 5,5 kg
- 10 bis 20 qm ≈ 9,5 kg
- 20 bis 30 qm ≈ 18,0 kg
- 30 bis 40 qm ≈ 20,0 kg
- 40 bis 50 qm ≈ 25,0 kg
Was, wenn nichts weg brutzelt?
Sollte sich an der Anode Ihres Bootes über einen längeren Zeitraum nichts tun, gehen Sie der Sache nach. Es ist unwahrscheinlich, dass keine Ströme fliessen und nichts weg brutzelt. Wahrscheinlich passiert es irgendwo im Verborgenen, an der Maschine oder am Getriebe und Sie entdecken eines Tages überraschend woanders teuren Schwund.
Abschliessend Tipps, wo Anoden üblicherweise eingebaut sind
- an den Trimmklappen der Motoryacht
- am Z-Trieb der Motoryacht
- an den Ruderblättern (bei der Motoryacht oder Motorsegler)
- am Wärmetauscher der Maschine
- u. U auch am Abgasrohr
- am Wärmetauscher Seewasser gekühlter Kühlschränke/Eisboxen
- am Getriebe (Saildrivegehäuse) moderner Segelyachten
- am Bug- und Heckstrahlruder
- beim Aussenborder je nach Hersteller in verschiedenen Versionen
- bei Alu- und Stahlyachten am Rumpf
Was bei der elektrochemischen Korrosion im Wasser passiert
Einzelheiten von Prof. Dr.-Ing. Ingold Seidl aus dem Fachbereich Maschinenbau und Mechatronik, Lehrgebiet Werkstoffkunde der RWTH Aachen: Metall löst sich in einem flüssigem, elektrisch leitfähigen Medium als Oxidationsmittel auf. Es fliesst elektrischer Strom wie in einer galvanischen Zelle, umgangssprachlich als „Batterie“ bekannt. Metallatome geben an der Oberfläche Elektronen ab und werden dadurch positiv geladen. Diese Elektronen fehlen zur Elektroneutralität. Ohne diese Elektronen bleibt eine positive Ladung zurück. Das Atom wird zum Ion. Ionen sind positive oder negativ geladene Atome. Es gibt Anionen und Kationen. Fehlen Elektronen, ist die Gesamtladung positiv, was als Anion bezeichnet wird. Das Elektrodenpotential führt zu einer chemischen Reaktion, die eine elektrische Spannung erzeugt.
Es erfolgt eine Umwandlung der chemischen Energie in elektrische Energie, auch als galvanisches Element bezeichnet. Eine solche Zelle kann aus einer Zinkelektrode und einer Eisenelektrode bestehen (zum Beispiel ein Stahlrumpf mit einer Opferanode aus Zink). Daher fliessen die Elektronen vom unedleren Zink in Richtung Eisen. Zink ist die Anode. Sie korrodiert, während Eisen zur Kathode wird.
Bei definierten Bedingungen lässt sich die Zellspannung als Differenz der beiden Elektrodenpotentiale messen und als elektrochemische Spannungsreihe in einer „Tabelle“ darstellen, in der die Potenzialdifferenz gegenüber der Standard-Wasserstoffelektrode angegeben ist. Das Standardpotential von Wasserstoff beträgt darin Null Volt. Die in dieser Spannungsreihe weiter oben stehenden Metalle sind edler als die weiter unten stehenden. Wenn nun zwei Metalle ein Korrosionssystem bilden, wird das weiter unten stehende Metall zur Anode. Das wird gezielt zum Schutz eines Schiffes und seiner Einbauten wie beispielsweise Getriebegehäuse oder Innenbords montierter Wärmetauscher mit Wasserkontakt genutzt.
Weiterführende Links
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